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untereinander, oder beide werden von einer gemeinsamen Ursache bedingt. Dante entscheidet sich für den zweiten Fall und faßt demzufolge die nobilità als einen ethischen Habitus, der zunächst zu den weltlichen (moralischen) und im weiteren Verlauf auch zu den theologischen Tugenden hinführt.

Adel ist die Anlage, die Möglichkeit zur Tugend. Jetzt erst kann man sagen, ist die scholastische Elaboration des Begriffs vollendet und die Eingliederung in die aristotelisch-thomistische Psychologie und Ethik vollzogen. Die Lehre vom Seelenadel, die der Troubadour aus rein praktischen Gesichtspunkten zunächst für seine persönlichen Bedürfnisse aufgestellt hatte, hat nun erst ihren tieferen, bewußten und wissenschaftlichen Wert erhalten. Aus der Forderung einer beschränkten Gesellschaftsklasse ist eine allgemeine Wahrheit geworden.1

Eine wissenschaftliche Tat von besonderer Bedeutung und Originalität kann die Abhandlung Dantes darum doch nicht genannt werden. Die wichtigsten Punkte waren, wie wir zeigten, schon lange gegeben und in nuce war der Gedanke Dantes den Scholastikern auch längst geläufig, wenn sie, wie manchmal geschieht, das Wort,nobilis" im Sinne von, perfectibilis“ (Fähigkeit zur Vervollkommnung) gebrauchen.

Selbst in der Liebesdichtung war die neue, philosophische Auffassung des Adels bereits vor Dante eingebürgert. Zum erstenmal begegnen wir ihr in der berühmten Kanzone des Guido Guinicelli: Al cor gentil ripara sempre amore. Daß hier tatsächlich die philo

1 Die Bemerkungen des Cecco d'Ascoli zur danteschen Adelslelire (Acerba III, 10) enthalten nichts Weiteres von Belang.

2 Z. B. Thomas: Summa, I, II, qu. 5, art. 5, ad 2: Dicendum, quod nobilioris conditionis est natura quae potest consequi perfectum bonum. Oder Bonaventura, Sententiarum lib. II. dist. III. p. I. art. II. qu. III, 3: Sed quod magis nobile est maxime elongatur a materia et maxime accedit ad formam.

sophische Auffassung des Adels vorliegt, erschließen wir nicht etwa aus der Form, in der Guinicelli seine Lehre vorbringt, denn die Form ist bei ihm eine poetische, keine scholastische. Selbst die negative Definition, die er vom Adel gibt, enthält nichts Neues. Schließlich hätte jeder beliebige Troubadour dasselbe sagen können: Chè non de' dare uom fè'

Che gentilezza sia, fuor di coraggio,

In degnità di re,

Se da vertute non ha gentil core:

Com'acqua porta raggio,

E'l ciel ritien le stelle e lo splendore.

Und sogar das Grundthema des Gedichtes: die Zusammenstellung von Seelenadel und Liebe findet sich bereits in der späteren provenzalischen Dichtung, z. B. bei Lanfranc Cigala, der schwerlich von Guinicelli abhängig ist:

...

ans sai, senes faillir,

Ques amors pren en lejal cor naissenza:
Broilan vai tan chascun jorn e creissen
Que pren lo cor el gien e l'entendenza.'

Das Neue liegt nicht hier, es liegt in den Schlußfolgerungen, die Guinicelli aus der Adelstheorie zieht. Diese beweisen uns, daß er die Lehre in ihrer ganzen philosophischen Tragweite durchdacht hat:

Nè fe' Amore avanti gentil core,

Nè gentil core avanti Amor, Natura.

Hier liegt der springende Punkt: Seelenadel und Liebe entstehen sozusagen zu gleicher Zeit. Liebe verhält sich zum Seelenadel wie der Sonnenstrahl zur Sonne, wie die Wärme zum Feuer, wie die Zauberkraft zum Edelstein:

Chè dalla stella valor non discende
Avanti Sol la faccia gentil cosa:

Mahn, Gedichte, 715.

Poi che n'ha tratto fuore,

Per sua forza, lo Sol ciò che lì è vile,

La stella 'i dà valore.

Così lo cor, ch'è fatto da Natura

Schietto, puro e gentile,

Donna, a guisa di stella, lo innamura.

Wenn man also je eine zeitliche Reihenfolge aufstellen will und den Vorgang intuitiv betrachtet, so ist der Seelenadel das Primäre und die Liebe das Sekundäre. Um das Verhältnis richtig zu verstehen, muß man jedoch die Grundbegriffe der Scholastik geläufig haben: Seelenadel (gentil cuore) ist gleich Liebe in Potentia. Gentil cuore verhält sich zu Amore wie die Pontentialität zur Aktualität, wie die Materie zur Form: Materia prima est in potentia ad actum substantialem, qui est forma, et ideo ipsa potentia est ipsa essentia ejus (materiae)“. 1 Und nun erinnere man sich des grundlegenden aristote lischen Satzes, daß das Höhere und fertig Entwickelte im Stufenreich des Weltalls, das sich intuitiv betrachtet als das Sekundäre und Spätere darstellt, für den metaphysisch Denkenden tatsächlich das Primäre und Frühere ist. In dieser Weise und nicht anders hat Guinicelli das Verhältnis von Seelenadel und Liebe gedacht und hat es durch die Formel der gleichzeitigen Schöpfung beider ausgedrückt. Um allen und jeden Zweifel zu benehmen, kommt uns Dante zu Hülfe mit seinem Kommentar zu jenem Sonett in der Vita nuova, das direkt auf Guinicelli zurückweist:

Amore e'l cor gentil sono una cosa

Siccome 'l Saggio in suo dittato pone."

Der erste Teil dieses Gedichts, sagt er ausdrücklich, handelt von der Liebe in potenza" und setzt sie als solche gleich mit gentil core". Nella seconda dico di

1 Vgl. auch Thomas, Summa theol., 1. qu. 84, art. 3, ad 2. 2 Vita Nuova, § XX.

lui amore inquanto di potenza si riduce in atto". Auch das unmittelbar folgende Gedicht hat Dante nach denselben Begriffsverhältnissen von Potentialität und Aktualität analysiert.

Seelenadel ist also nach dieser neuen Lehre die Möglichkeit zu lieben. Die Troubadours aber sahen die Sache noch in recht oberflächlicher Weise, nur von außen, oder besser von hinten: indem sie das „a priori“ mit dem „a posteriori“ verwechselten und von einer veredelnden Wirkung des Minnedienstes redeten, ohne zuvor auf die Naturanlage und ethische Potenz zum Minnedienst zu achten.

Damit Guinicelli zu seiner neuen These gelangen konnte, durfte er logisch gesprochen gar nichts anderes getan haben, als dem allgemeinen Satze, den wir im De Eruditione Principum und bei Dante kennen lernten, eine Anwendung aufs besondere geben. Das De Eruditione und das Gastmahl" lehren: Seelenadel ist Anlage zur Tugend. Guinicelli lehrt: Seele nadel ist Anlage zur Liebe. Damit der Schluß vollkommen sei, muß erst das Mittelglied nachgewiesen werden, das zu lauten hätte: Liebe ist Tugend.

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Die Liebesfrage.

Auch zu dem Satze: Liebe ist Tugend finden wir die ersten Keime wieder bei den Provenzalen, und geradeso wie in der Entwicklung der Adelsfrage zuerst eine Scheidung in historisch-materiellen und seelisch-ethischen Adel angebahnt werden mußte, geradeso ist in der Liebesfrage zunächst eine Scheidung in sinnliche und übersinnliche Liebe als die unentbehrliche Vorstufe zu konstatieren. Eine ähnliche Art von Scheidung freilich nicht dieselbe haben wir schon bei Matfré Ermengau kennen gelernt: Gottesliebe und parallel dazu Geschlechtsliebe. Wir haben ferner gesehen, wie die Daseinsberechtigung der Geschlechtsliebe von den Troubadours gefordert wurde. Sie haben eine Fülle guter und schlechter Gründe dafür und dagegen aufgeführt, sie haben die Frage mit spielender Rhetorik und mit klügelndem Raisonnement behandelt, für den wahren höfischen Troubadour aber war dieser Punkt längst keine Gewissensfrage mehr. Die Frivolität jener Kreise zeigt sich am nacktesten wieder bei Andreas dem Kaplan. Dem Minnedienst darf sich seiner Meinung nach sogar der Priester ergeben. Im Prinzip allerdings nicht, denn: „si servire Deo tantum vultis eligere, mundana vos oportet cuncta relinquere et coelestis patriae solummodo contemplari secreta". Aber in Wirklichkeit verhält sich's ganz

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