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wolle, jedenfalls ist Guido Guinicelli der erste, dem es ganz und klar in das Bewußtsein tritt, daß auch die ideale Frauenminne im Widerspruch steht mit der herrschenden Philosophie und mit der göttlichen Ordnung der Dinge. Und wie schön, wie echt dichterisch hat er diesen Gedanken ausgesprochen!

Donna, Dio mi dirà: Che presumisti?
Sendo l'anima mia a lui davanti:
Lo ciel passasti, e fino a me venisti
E desti in vano amor me per sembianti:
Ch'a me convien le laude,

E alla Reina del reame degno,

Per cui cessa ogni fraude.1

Einem solchen Vorwurf gegenüber sind überhaupt nur zwei Auswege möglich: entweder man kehrt um und entsagt der idealen Liebe zur Frau, oder aber man geht vorwärts und gibt ihr eine höhere, eine symbolische Bedeutung. Guinicelli hat diesen zweiten Weg am Schluß seiner wunderbaren Kanzone angedeutet:

Dir li potrò: Tenea d'Angel sembianza
Che fosse del tuo regno:

Non mi sie fallo, s'io le posi amanza.

Damit ist der entscheidende Schritt getan. Die Frau wird zu einem Symbol, sie bedeutet einen Engel, in philosophische Sprache umgesetzt: cine höhere Intelligenz. Der andere Weg, die Umkehr und Ernüchterung, hätte

darum mit Recht angenommen, daß diese Kanzone hinüberführt zu der anderen: Altra fiata aggio, donne, parlato und daß beide schon den Umschwung Guittones von der galanten zur asketischen Periode bezeichnen und gewissermaßen also heraustreten aus der höfischen Gedankenwelt, die uns hier beschäftigt. Vgl. die Rezension von M. Pelaez im Giorn. stor. della lett. it., Bd. 41, 1903, S. 357f.

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1 T. Casini, Le Rime dei poeti bolognesi, Bologna 1881, S. 15 ff.

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in der Dichtung zur Satire und zur Persiflage der übersinnlichen Frauenminne führen müssen. Um ihn zu betreten, war die Zeit zu liebestrunken, zu mystisch angelegt, das italienische Volk noch zu jung und noch allzu schaffensfreudig gestimmt. Höchstens ein mürrischer Pedant wie Guittone konnte vorübergehend in recht häßlichen Versen auf Amor schelten. Aber all die Invektiven der Troubadours und der Sizilianer gegen Amor sind nicht viel mehr als rhetorische Übungen und bilden im Grunde nur die Folie, um den Preis der Liebe desto glänzender darauf leuchten zu lassen. Cà'm finta di blasmare amor s'engrascin."1- Die wahre Ernüchterung ist in der Kunst erst viel später mit voller Kraft und mit vollem Bewußtsein zum Ausdruck gebracht worden und zwar durch Cervantes. Besonders eine Stelle im Don Quijote, will mir scheinen, kann als direktes Gegenstück zu Guinicellis Kanzone dienen. Der schwärmerische Ritter hat seinem wackeren Sancho vom Preis der idealen Liebe gepredigt: Porque has de saber que en este nuestro estilo de caballería es gran honra tener una dama muchos caballeros andantes que la sirvan, sin que se extiendan más sus pensamientos que á servilla por sólo ser ella quien es, sin esperar otro premio de sus muchos y buenos deseos, sino que ella se contente de acetarlos por sus caballeros." Da blitzt in dem Bauernverstande Sanchos ganz der gleiche Einwand, den der himmelwärts strebende Geist Guinicellis seinerzeit erkannt hatte: Con esa manera de amor, dijo Sancho, he oído yo predicar que se ha de amar á nuestro Señor por sí solo, sin que nos mueva esperanza de gloria ó temer de pena.“ Und dazu nun aber die trockene und sehr positive Bemerkung, die allem Mystizismus und Romantizismus mit einem Hieb den Kopf abschneidet: ,aunque yo le querría amar y servir por lo que

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Tommaso da Faenza in Ant. Rime Volg., III, S. 246.

ese." Der Eindruck ist denn auch bei Don Quijote kein geringer: ¡Válate el diablo por villano!... ¡qué de discreciones dices á las veces! No parece sino que has estudiado." 1

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An diesem Punkte angelangt, halten wir Rückschau. Es sind zwei große Traditionen, die sich im „süßen neuen Stile" vereinigen: die poetische der Troubadours und die wissenschaftliche der Scholastik. Die von den Troubadours gegebenen Begriffe: Seelenadel und Liebe erfahren in der Scholastik eine philosophische Elaboration: Seelenadel Anlage zur Tugend (habitus virtutum) und Liebe virtus concupiscentiae boni. Bis hieher stimmen die Lehren der provenzalischen Minnesinger mit denjenigen der Theologen und Philosophen vollständig überein. Aber in dem Ziele, das sie der rationalen und tugendhaften Liebe setzen, gehen sie auseinander. Der Troubadour sagt: Der zu liebende Gegenstand ist die edle Frau. Der Theologe sagt: Es sind die höheren Wesen, in erster und letzter Linie Gott. Hier stellt sich nun der Dichter des neuen Stiles ein. Er erkennt den Gegensatz der beiden und versöhnt ihn zugleich, indem er die Frau zu einem höheren Wesen symbolisiert und vergeistigt, und das Geistige und Göttliche in ihr verkörpert. Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichnis: Das Unzulängliche,

Hier wird's Ereignis.

Diese versöhnende Tat ist durchaus originell. Man wird sie wohl durch eingehendere Quellenforschung immer klarer, immer zwingender als den einzigen damals möglichen Ausweg nachweisen können. Je mehr man aber die Quellen des neuen Stiles" studieren wird, je mehr man lernen wird einzusehen, wie alle Gedanken und Gefühle jener Zeit nach diesem Wege hindrängten,

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Don Quij., P. I, cap. XXXI.

Voßler, Philosophische Grundlagen.

desto mehr wird man andererseits den Mann bewundern, der das lösende Wort gesprochen hat. Eine so epochemachende Dichtung wie die Lyrik des stil nuovo wird niemals restlos in ihre Quellen aufgehen. Es bleibt die schöpferische Geistestat des Individuums in ihrem ganzen Werte bestehen. Nach unserer gegenwärtigen Kenntnis der Vor-Danteschen Dichtung hindert uns nichts, noch immer anzunehmen, daß dieser schöpferische Geist der Bolognese Guinicelli war mit seinem Lied: Al cuor gentil ripara sempre amore. •

Anhang.

Dieses Ergebnis, an und für sich durchaus klar und auch von G. A. Cesareo und L. Azzolina1 in der Hauptsache anerkannt, ist nun aber gerade von denselben Gelehrten wieder getrübt worden. Besonders ihre eigentümliche Auffassung der l'ita Nuova hat sie dazu geführt, die Dinge von neuem zu verwickeln. Um Mißverständnissen vorzubeugen, zitiere ich die wichtigsten Punkte wörtlich. Cesareo, S. 538 f.: Fino al capitolo XVIII della Vita Nuova, il giovine rimatore segue ancor quasi in tutto la dottrina del suo primo amico, Guido Cavalcanti: e s'intende. . . . . In quelle prime composizioni il conflitto è propriamente fra il senso, che ha sua sede nel cuore, e l'intelletto che, secondo la psicologia di quel tempo, ha sede nella mente. Qual vincerà de'due, il senso o l'intelletto, è pronosticato nel sogno simbolico del sonetto primo Fra tali contrasti di fatti si procede in que'primi capitoli: il viso disfatto del giovine; il suo desiderio di rivedere Beatrice; le donne dello schermo, velate accusatrici di passioni fuggitive; gli

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1 G. A. Cesareo, Amor mi spira . . . in Miscellanea di studi critici edita in onore di A. Graf, Bergamo 1903, S. 515 ff., und: L. Azzolina, Il „dolce stil nuoro", Palermo 1903.

struggimenti e le lagrime; il sospetto che,non buona è la signoria d'Amore" (XIII), fino all'apparizione di quell'altro Amore, vestito di bianchissime vestimenta“, simbolo di purità, e al colloquio con le gentili donne, in cui Dante protesta per la prima volta che tutta la sua beatitudine è, non più nella vista e nel saluto di Madonna, ma solo in quelle parole che lodano la donna sua (XVIII). Era l'ideale di perfezione a cui il Cavalcanti tendeva: la pura intuizione dell'idea, senza bisogno de' sensi e della realtà. Diese Worte sind für Cesareos Schüler Azzolina maßgebend geworden. Er geht sogar so weit, daß er in dem Kontrast von Vernunft und Sinnlichkeit (mente e core, ragione e senso) ein wesentliches Thema der l'ita Nuova erblickt. An allen denjenigen Stellen, wo Dante, Cavalcanti und Cino da Pistoia von dem Leiden und Schmachten ihres Körpers, von den psychophysischen Wirkungen der Liebe erzählen, sie dramatisch beleben, personifizieren und zum Intellekt in Beziehung setzen, glaubt Azzolina den Kampf zwischen Vernunft und Sinnenwelt wieder zu erkennen. Als Beleg führt er z. B. die folgenden Verse Cavalcantis an:

I'sento pianger for li miei sospiri
quando la mente di lei mi ragiona:
e veggo piover per l'aere martiri
che struggon di dolor la mia persona,
sì che ciascuna vertù m'abbandona
in guisa ch'io non so là 'v 'i mi sia:

sol par che Morte m'aggia 'n sua balia.

Diese Interpretation ist nicht neu. Sie wurde schon von Scarano vorgeschlagen. Die Gründe Scaranos aber wollen dem Azzolina nicht gefallen, und darin muß ich ihm durchaus beipflichten (S. 74, Anm. 2). Umsomehr ist es zu verwundern, daß er später in einen ähnlichen

1 Vgl. bes. S. 173 ff.
Beatrice, Siena, 1902.

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