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wie von dem des Sensualismus aus. Thomas wendet sich nun mit überraschender Schärfe gegen diese beiden Erkenntnistheorien: obgleich sie in ihrem innersten Wesen sich vollständig entgegengesetzt sind, so hat er doch richtig erkannt, daß sich gegen die eine sowohl wie gegen die andere das Moment der selbstbewußten geistigen Tätigkeit geltend machen läßt. Den Sensualismus widerlegt er kurz und bündig in seiner Summa contra Gentiles: Kein Sinn erkennt sich selbst. Das Auge sieht sich selbst nicht und sieht nicht, daß es sieht. Diese Erkenntnis ist Sache einer höheren Kraft, des Intellekts. Er nur erkennt sich selbst und erkennt zugleich, daß er erkennt. 1 Zum Averroismus nimmt Thomas anderwärts Stellung. Bevor er ihn angreift, sorgt er aber dafür, die Art der menschlichen Selbsterkenntnis genau zu bestimmen und von der göttlichen zu unterscheiden. Der göttliche Intellekt erfaßt sich selbst; sich selbst zu denken ist sein eigenstes Wesen. Der menschliche Intellekt aber kann sich nur durch einen Rückschluß erfassen: er erkennt sich an seiner Tätigkeit und durch seine Tätigkeit. Seinem Wesen nach ist er zunächst auf die sinnlich wahrnehmbaren Dinge gerichtet und nur auf diesem Umweg kann er in sich selbst zurückkehren." Und jetzt, nachdem dies feststeht, wird als erster Satz der folgende gegen den Averroismus ins Feld geschickt: Si intellectus agens est substantia separata, impossibile est, quod per ipsam formaliter intelligamus: quia id quo formaliter agens

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1 II. cap. 66. Nullus enim sensus cognoscit se ipsum nec suam operationem; oculus non videt seipsum, nec videt, se videre, sed hoc superioris potentiae est. Intellectus autem cognoscit seipsum et cognoscit, se intelligere.

Summa Theol. I, 1, qu. 87, art. 1. Non per essentiam suam, sed per actus suos se cognoscit intellectus noster ... Si igitur intellectus cognoscit actum suum, aliquo modo cognoscit illum, et iterum illum actum alio actu.

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agit, est forma et actus agentis; cum omne agens agat inquantum est actu. Das heißt, wenn ich mich nicht täusche, in unser einfaches Deutsch übertragen: Wenn der tätige Verstand eine getrennte Substanz für sich ist, so ist es unmöglich, daß wir durch ihn formaliter, d. h. actu, d. h. durch Tätigkeit erkennen. Noch einfacher: nach Averroes wäre die Erkenntnis überhaupt keine Tätigkeit des Menschen. Selbsterkenntnis aber ist immer nur durch geistige Tätigkeit möglich, ergo kann Averrces die Tatsache der Selbsterkenntnis nicht erklären oder er kann es nur, was für Thomas nicht in Betracht kommen durfte, auf der höchsten und gottesähnlichen Stufe der Erkenntnis, wo schließlich das Denken mit seinem eigenen Objekt identisch wird. Der heilige Thomas kommt also, wie wir aus den angeführten Stellen sehen, dem Cogito ergo sum des Descartes schon ziemlich nahe.

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Demgegenüber ist es ein gemeinsamer und höchst charakteristischer Zug der Dichter des neuen Stiles, daß sie die Erkenntnis des geliebten Gegenstandes fast ganz passiv über sich ergehen lassen, niemals die aktive, subjektive und bewußte Seite im Ablauf des Erkenntnisprozesses hervorkehren. Außer den bereits zitierten Stellen aus Guinicellis und Cavalcantis Kanzonen beachte man noch die folgenden, die sich ohne Mühe auch vermehren ließen:

Dal ciel si mosse spirito in quel punto
che quella donna mi degnò guardare,
e rennesi a posar nel mio pensero,
Et li mi conta si d'amor lo vero

1 ibid., qu. 88, art. 1.

2 Wenn ihm daneben auch die Auffassung des Intellekts als einer rezeptiven Potenz für sämtliche intelligiblen Formen geläufig ist, so beweist das, daß er nach der anderen Richtung hin sich doch wieder mit Platonismus und Averroismus berührt.

ched ogni sua virtù veder mi pare

siccom' io fosse nel suo core giunto,'

Glaubt man hier nicht die Mitteilung der averroistischen Universalintelligenz im Bilde versinnlicht zu erkennen?

Quanto è nell'esser suo bella, e gentile

negli atti ed amorosa,

tanto lo immaginar, che non si posa,
l'adorna nella mente, ov'io la porto;
non che da sè medesmo sia sottile

a così alta cosa,

ma dalla tua virtute ha quel, ch'egli osa
oltra il poter che natura ci ha porto.3

Könnte man mit klareren Worten an ein außerhalb und überhalb des Individuums gelegenes Erkenntnisprinzip appellieren? Eine starke Beimischung von Mystizismus erhält diese okkasionalistische Erkenntnistheorie im letzten Sonett der Vita Nuova:

Oltre la spera, che più larga gira,

Passa il sospiro, ch'esce del mio core:
Intelligenza nuova, che l'Amore
Piangendo mette in lui, pur sù lo tira.
Quand'egli è giunto là, dov'el desira,
Vede una donna, che riceve onore,
E luce si, che per lo suo splendore
Lo peregrino spirito la mira.

Wenn je einmal die eigene intellektuelle Tätigkeit etwas mehr zur Geltung kommt, so geschieht es immer nur so, daß sie als Vorbereitung zur würdigen Aufnahme der hohen Frau Intelligenza erscheint. Sobald diese herabsteigt, flüchten die animalischen Seelenkräfte:

Quando 'l pensero divien sì possente,

che m'incomincia sua virtute a dire,

1 Cavalcanti, son. Io vidi li occhi.
2 Dante, canz. Amor che muovi.

sento 'l su' nome chiamar nella mente,
che face li miei spiriti fuggire.1

Auch die mehrfach wiederkehrende Vorstellung, daß alle Himmel ihr Licht auf die Geliebte herabströmen, reiht sich mühelos in die Gedankenwelt des Averroismus ein ohne daß sie deshalb den thomistischen Anschauungen zu widerstreiten brauchte. Wir wollen ja nicht zwischen Averroes und Thomas entscheiden, sondern zwischen averroistischen Gedanken und solchen, die es nicht sind. Die von allen Sphären erleuchtete Frau wäre demgemäß als die unterste Intelligenz aufzufassen, sofern man sich nicht scheut, das poetische Bild so streng philosophisch zu pressen.

Ciascuna stella negli occhi mi piove

della sua luce e della sua virtute.
Le mie bellezze sono al mondo nuove,
perocchè di lassù mi son venute."

Selbst der Brauch, die Geliebte zum Symbol der Philosophie zu erheben, konnte sich am naturgemäßesten jedenfalls aus der Annahme einer getrennten Universalintelligenz herausbilden. Seinen eigenen individuellen Verstand unter der Figur einer Dame anzuschmachten, wird so leicht nicht jemanden beikommen, auch im Mittelaller nicht, wo man gewöhnt ist, die unmöglichsten Dinge zu personifizieren. Tatsächlich finden sich auch schon bei den spanisch-orientalischen Denkern die Spuren dieses philosophischen Minnedienstes. Der Schüler des Maimonides, Joseph ben-Jehouda, schrieb an seinen Lehrer eines Tags den folgenden Brief: „Hat nicht gestern deine Tochter Pleiade, die schöne, die reizende, Gnade vor mir gefunden? Das Mädchen gefiel mir und ich habe mich von Herzen mit ihr verlobt, wie das Gesetz, das auf dem

1 Cino da Pistoia, Ball. Lasso, ch'amando la mia vita more. Dante, Ballata IX. Io mi son pargoletta.

Voßler, Philosophische Grundlagen.

Sinai gegeben wurde, verlangt. Und in dreifacher Weise habe ich die Heirat mit ihr geschlossen: als Mitgift gab ich ihr das Silber der Freundschaft, ich schrieb ihr einen Liebeskontrakt, denn ich liebe sie, und ich umarmte sie so, wie der Jüngling die Jungfrau umarmt. Und nachdem ich sie so gewonnen hatte, lud ich sie ins Hochzeitsbett der Liebe. Weder Überredung brauchte ich noch Gewalt, denn sie schenkte mir ihre Liebe, weil ich ihr die meinige geschenkt und meine Seele an die ihrige gefesselt hatte. Und all das geschah vor zwei wohlbekannten Zeugen, meinen Freunden Ben-ObeidAllah (Maimonides) und Ben-Roschd (Averroes). Aber noch war sie im Hochzeitsbett in meinem Besitze, als sie mir untreu wurde und sich schon zu anderen Liebhabern wandte." 61 - Es ist eine bequeme Gewohnheit geworden, überall wo in der Vulgärliteratur die Philosophie als Frauengestalt auftritt, immer nur an Boethius zu denken. Aber so ganz mechanisch haben doch nicht alle Dichter die hergebrachten Allegorien nachgezeichnet. Allein schon die außerordentliche Wertschätzung der Philosophie, wie sie im Laufe des 13. Jahrhunderts hervortritt, muß in Zusammenhang mit dem arabischen Aristotelismus gebracht werden. In Italien vollends haben wir zwei bekannte Lehrgedichte, die anerkanntermaßen den averroistischen Begriff der Universalintelligenz zur Grundlage ihrer Allegorien machen und uns deren weitgehende Verbreitung bezeugen. Wo und wie diese Dichter die Bekanntschaft mit dem Averroismus machten, ist eine Frage, die uns nicht in Verlegenheit zu setzen braucht. An allen Orten, in allen höheren Schulen wurde diese Philosophie gelehrt, besprochen, bekämpft

1 Munck, Notice sur Joseph ben-Jehouda im Journal asiatique, 1842, Juli, S. 61 ff. Andere Belege scheinen freilich in der arabischen Literatur des Mittelalters nicht vorhanden zu sein, wie mich Herr Geheimerat Merx zu versichern die Güte hatte.

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