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und durch österreichische Einflüsterungen sich verführen lassen. „Auch nicht der geringste Zweifel könne darüber obwalten.“ 1)

Es war für den König von Preußen von der größten Wichtigkeit, über die Verhältnisse am Petersburger Hofe auf dem Laufenden erhalten zu werden. Englands Pflicht wäre es gewesen, den König, der keinen Vertreter in Petersburg besaß, über die von dem dortigen englischen Gesandten einkommenden Meldungen jederzeit getreue Mittheilung zu machen; ebenso wie Friedrich den Londoner Hof von allem Wichtigen in Kenntnis jezte, was sein Gesandter in Versailles ihm berichtete. Statt dessen können wir verfolgen, daß von allen den beunruhigenden Nachrichten, welche Friedrich über Rußland empfing und die nur allzusehr den wahren Stand der Dinge wiedergaben, bis zum 6. Juli nicht eine einzige durch die Regierung in London ihm zugegangen ist. Es findet sich sogar in den Gesandtschaftsberichten Mitchell's in London das offene Bekenntnis, daß er für Preußen ungünstige Mittheilungen aus Petersburg König Friedrich absichtlich verheimlicht habe2).

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Erst am 6. Juli legt Mitchell dem Könige eine von Bestushew und Woronzow unterzeichnete déclaration secretissime“ zu dem englisch-russischen Subsidienvertrage vom 30. September 1755 vor, nach welcher der Vertrag beider Mächte nur für den Fall in Kraft treten solle, daß Friedrich II. die Staaten des Königs von England oder diejenigen seiner Bundesgenossen angreife. Völlig richtig bemerkte Friedrich, wie Mitchell berichtet, zu dieser russischen Erklärung, daß sie den englischen Subsidienvertrag mit Rußland völlig nuzlos gemacht habe3). Und diese Deklaration, welche von so außerordentlicher Wichtigkeit für den König von Preußen war, durch welche alle seine bisherigen Berechnungen umgestoßen, alle die Versicherungen Englands zu nichte wurden,

1) „qu'on n'en avait pas le moindre doute"; 12, 203.

2) Mitchell an Holdernesse, Berlin 22. Juni: „Ich habe sorgfältig vielerlei aus Williams' Schreiben vom 5. verborgen und habe mich bestrebt, soweit als irgend möglich die üble Lage unserer Angelegenheiten in Rußland zu be mänteln." Public Record Office. Prussia Vol. 86.

3) that it made our treaty with Russia quite useless": 13, 35. Historische Zeitschrift N. F. Bd. XIX.

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sie ist dem Londoner Kabinet schon am 19. Februar von Williams aus Petersburg übersandt, und erst nach vollen vier ereignisreichen Monaten durch Erlaß vom 25. Juni hat der Hof von St. James für gut befunden, seinen Bundesgenossen von diesem Akte in Kenntnis sehen zu lassen 1).

Seit dem 24. April waren in Berlin feine neuen ungünstigen Meldungen über Rußland eingetroffen. Daraus erklärt sich, daß Friedrich den Versailler Vertrag mit so geringer Sorge ansah und den Versicherungen Glauben schenkte, welche ihm von der englischen Regierung unausgesezt über die Wiederherstellung des englischen Einflusses am Zarenhofe gemacht wurden. Dieses Vertrauen erhielt sich selbst nachdem der Bericht Swart's vom 8. Mai die Kunde gebracht hatte von den großen russischen Rüstungen 2) und von der Ankunft eines französischen Emissärs Douglas in Petersburg. Auch als der Herzog von Braunschweig die Mittheilung machte, die Botschafter Rußlands und Frankreichs im Haag seien in freundschaftlichen Verkehr mit einander getreten, läßt der König noch am 5. Juni seinem Schwager antworten: „Ich habe große Mühe zu glauben, daß Rußland sich soweit, wie man behauptet, mit Frankreich verständigt hat; zudem darf man nicht zweifeln, daß England äußerst wachsam ist, um jedem Übel, das ihm derart erwachsen könnte, zuvorzukommen."

Anfang Juni trat Friedrich wie alljährlich seine Inspektionsreisen in die Provinzen an. Er begab sich zunächst nach Stettin. Hier erreichten ihn am 7. Juni zwei Berichte seines Geschäftsträgers von der Hellen im Haag, welche plöglich eine wesentliche Umwandlung in seiner Auffassung der politischen Situation herbeiführen sollten. Er erfuhr, daß der russische Botschafter Golowkin im Haag Befehl erhalten, vertraute Beziehungen

1) Nach den Papieren im Nachlasse Mitchell's. British Museum. Additional Manuscripts. Vol. 6811.

2) Vgl. den Bericht von Williams an Holdernesse vom 29. Mai 1756, bei Raumer, Beiträge zur neueren Geschichte 2, 339. Die englische Regierung war von den russischen Rüstungen, die nur auf Preußen abzielen konnten, völlig unterrichtet, ohne daß Friedrich etwas erfuhr.

zu dem dortigen französischen Vertreter anzuknüpfen, und daß infolge dessen bereits mehrfache Konferenzen zwischen den beiden Gesandten stattgefunden hätten.

Welch' ein Abstand zwischen den erregten Worten, mit denen der König dem Grafen Finckenstein von diesem „neuen politischen Phänomen" Mittheilung macht, und der ruhigen sorglosen Art, in welcher er noch zwei Tage zuvor fast die gleiche Anzeige von Seiten des Herzogs von Braunschweig aufgenommen hatte! Nicht einen einzelnen seiner politischen Agenten sezt er von der Haager Nachricht in Kenntnis, nein alle sollen es wissen, alle den Ernst der Lage würdigen, jeder an seinem besonderen Plaze Nachforschung anstellen über diese neue politische Erscheinung. Nachdem Friedrich am 7. Juni Finckenstein und Mitchell durch ein langes, zum Theil eigenhändiges Schreiben seine Gedanken auseinandergesezt über die Annäherung Frankreichs und Rußlands und zugleich über die Maßregeln, um dieser Gefahr zu begegnen, ergehen am 8. in der gleichen Sache Immediatschreiben an Michell in London, an Hellen im Haag, an Knyphausen in Paris, an Klinggräffen in Wien. Am 10. spricht der König persönlich darüber mit Mitchell, am 12. schreibt er an Malzahn, am 12. zum zweiten Male an Knyphausen und Klinggräffen.

Seinem Pariser Gesandten sezt Friedrich am 8. Juni im einzelnen die Befürchtungen auseinander, welche der eingetretene Umschwung in ihm wach gerufen. Er vermuthet, daß die französische Regierung des Beistandes der Russen sich noch nicht in dem laufenden Jahre, wohl aber im kommenden Frühjahre bedienen werde. Frankreich wird alsdann seine Unternehmung gegen Hannover in's Werk sezen, Rußland wie Österreich werden noch zurückbleiben, aber bereit stehen, um Preußen, wenn nöthig, einer Unterstützung Hannovers zu hindern.

an

Am 8. Juni fürchtet König Friedrich also noch allein für seinen Bundesgenossen, für England, inbezug auf sich selbst erkennt er höchstens in zweiter Linie eine mittelbare Gefahr. Erst 10 Tage später ist ihm die hauptsächlich gegen Preußen gerichtete Gegnerschaft Rußlands, erst 14 Tage später die noch im Jahre 1756 von Rußland drohende Kriegsgefahr klar geworden. Das

Unterscheidende aber in der Auffassung des Königs vom 7. und 8. Juni im Vergleich zu seiner Denkungsart vor der Reise nach Stettin ist darin zu sehen, daß Friedrich jezt die Schwäche seiner politischen Position, den Umsturz des alten europäischen Systems mit vollem Bewußtsein erkennt und den Gedanken auffaßt, den vereinten drei Großmächten gegenüber ein umfassendes neues politisches System zu begründen. Es schien ihm ein solcher Wechsel bisher nicht erforderlich; er hielt Preußen und England mit Einberechnung eines russischen Hülfscorps für stark genug, um den Versailler Verbündeten in einem Kriegsfalle begegnen zu können.. Wie aber als der russische Bundesgenosse zurücktrat, als derselbe sogar der Partei der Gegner sich anzuschließen drohte? Bisher war König Friedrich auf die englischen Anträge zu einer engeren Verbindung beider Staaten und Vereinbarungen mit anderen deutschen Fürsten nur wenig eingegangen. Jezt greift er diese Gedanken nicht nur eifrig auf, er erweitert und verallgemeinert sie, er erhebt sie über die Sphäre des Zufälligen und Augenblicklichen zu dem abgeschlossenen Ganzen eines dauernden, halb Europa umfassenden, Staatensystems. Der König des meerbeherrschenden Englands sieht für den aufziehenden Krieg fast keine anderen Hülfsmittel als Subsidienverträge mit seinen welfischen Vettern und anderen kleinen Dynasten in Deutschland, der Fürst des deutschen Binnenlandes greift weit hinaus über die Grenzen des deutschen Reiches, umspannt mit seinen grandiosen Plänen das gesammte Europa.

Noch dringt zwar Friedrich am 7. und 8. Juni darauf, daß man in erster Reihe Rußland wieder zu gewinnen suche; aber die Hoffnung hierfür ist nicht groß, in der Hauptsache gibt er Rußland bereits als Bundesgenossen auf und abstrahirt in jeiner Berechnung von dieser Macht. Preußen und England sollen die Stüßen des neuen Bundes bilden, der bestimmt ist, das Gleichgewicht in Europa wieder herzustellen, beide Staaten sollen sich durch Truppenvermehrungen und Erwerbung von Bundesgenossen so furchtbar wie irgend möglich machen. Als dritter Hauptgenosse soll die Türkei gewonnen werden, um ein Gegengewicht gegen Rußland wie gegen Österreich abzugeben. In

Westdeutschland zum Schuße gegen Frankreich ist eine Vermehrung der hannoverschen Streitkräfte vorzunehmen, es sind Köln, Braunschweig, Hessen-Kassel, Ansbach und die thüringischen Herzöge in Subsidienverträgen mit England zu verbinden. In Holland müssen die Gesandten Englands und Preußens gemeinsam auf eine Erhöhung des staatischen Heeres hinarbeiten. Bei den protestantischen Staaten soll, wie Friedrich kurze Zeit später ausführt1), das religiöse Interesse wachgerufen, Dänemark, Holland und die deutschen Fürsten können auf diesem Wege für die politische Sache Preußens und Englands gewonnen werden; Sardinien, das von Frankreich und Österreich bedrohte, soll von England zur Wachsamkeit ermuntert, Spanien vor einer Vereinigung mit den Versailler Alliirten gewarnt werden. Die Insel Korsika sollen die Engländer in Besig nehmen, um zwischen Frankreichs Machtstellung im Mittelmeere einen Keil zu treiben, in Polen ebenso wie an der Pforte muß die Eifersucht gegen Rußland und Österreich geweckt und genährt werden.

Für den Fall daß Rußland für Frankreich Partei ergreift, um Preußen an einem Schuße Hannovers gegen Frankreich zu hindern, stellt Friedrich am 7. und 8. Juni an die englischen Minister die Anfrage, ob er auf das Erscheinen einer britischen Flotte in der Ostsee rechnen dürfe, als Demonstration gegen Rußland; er fordert die Absendung nicht, er wünscht nur die Ansichten des englischen Ministeriums über diesen Punkt zu erfahren, um seine Maßnahmen demzufolge einrichten zu können. Um so unverantwortlicher, wenn König Georg mit größter Bereitwilligkeit sogleich zustimmend sich entscheidet) und später dem Bundesgenossen im äußersten Verzweiflungskampfe das so leicht erfüllbare Versprechen nicht einlöst.

1) Die folgenden Vorschläge sind zwar nicht in dem Schreiben aus Stettin schon angeführt, aber sie erfolgen in den nächsten Tagen und Wochen im Anschlusse an das am 7. Juni zuerst entwickelte neue System und unter den gleichen Voraussetzungen, zumal der Vorausseßung des übertritts Rußlands zu den Versailler Verbündeten.

2) Die englische Antwort auf jene Anfragen Friedrich's lautete: „That he (the King of Prussia) may rest persuaded His Majesty will use His

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