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Der erste Wechsel in der Denkungsart Friedrich's II. über Rußland war in Stettin hervorgetreten, eine weitere Entwickelung erfolgte im Übungslager von Magdeburg, in welches der König am 14. Juni sich begeben hatte. Hier empfing er durch seinen Gesandten in Dresden Auszüge aus zwei Berichten des sächsischen Legationssekretärs Prasse in Petersburg vom 12. April und vom 3. Mai. Die Einsicht in diese Papiere mußte den König überzeugen, daß Rußland, wenn es von England sich abwandte, allein aus Haß gegen Englands neuen Bundesgenossen, gegen Preußen, dazu bewogen wurde. Der russische Hof verfolgte als einziges Ziel nur einen Krieg gegen Preußen, gleichgültig ob mit Englands oder ob mit Frankreichs und Österreichs Unterstüßung. Allein nach einem Vorwande zum Losschlagen suchte man noch. Der Großfanzler Bestushew hatte, wie Prasse's Bericht vom 12. April ergab, den Grafen Brühl auffordern lassen, derselbe möge unter der Hand von verschiedenen Orten aus an einflußreiche Persönlichkeiten in Petersburg die vollständig aus der Luft gegriffene

Kunde gelangen lassen, daß Friedrich II. von Schlesien aus verkleidete Offiziere und Ingenieure in die Ukraine entsandt habe, um genaue Pläne aufzunehmen über die Straßen und die befestigten Pläge dieses Landes, um unter den Bewohnern eine Revolution gegen die russische Herrschaft vorzubereiten, kurzum in jenem Lande die gleiche Rolle zu spielen, welche vordem Karl XII. gespielt. Aus dem zweiten Berichte Praffe's, aus dem vom 3. Mai, erfuhr Friedrich u. a. von einer Erklärung der Zarin gegen den österreichischen Botschafter Esterhazy: „Im Fall sein Hof von Preußen angegriffen würde, werde sie, die Zarin, mit ihren gejammten Streitkräften den Österreichern Hülfe leisten“; denn „für den Dienst des Wiener Hofes habe sie ihre Armeen in Livland und Kurland und an Polens Grenzen versammeln lassen, und

utmost efforts, whenever it shall be absolutely necessary, to have such a fleet in the Baltic as may protect the coasts of His Prussian Majesty's dominions from any insult whatever. Mitchell sollte diese Erklärung im Namen König Georg's dem Könige von Preußen vortragen. Erlaß des Grafen Holdernesse an Mitchell, d. d. Whitehall 25. Juni. Im Nachlasse Mitchell's im British Museum. Additional Manuscripts. Vol. 6811.

mit wahrem Vergnügen würde sie diese Heere zur Unterstützung der Kaiserin-Königin verwenden."

Solche Nachrichten, welche von einer bisher durchaus als zuverlässig erkannten Seite kamen, mußten es Friedrich völlig klar werden lassen, daß die von verschiedenen Orten gemeldeten russischen Truppenanjammlungen nichts weniger bedeuteten als die Ausrüstung des für England zu stellenden Subsidiencorps, wie der König noch am 25. Mai angenommen, daß sie auch nicht, wie er es am 8. Juni ausgesprochen, als Rückhalt für eine spätere französische Unternehmung gegen Hannover dienen sollten, Friedrich mußte vielmehr jezt zu der Erkenntnis gelangen, daß Preußen selbst und Preußen allein das endgültige Ziel der russischen Rüstungen bilde.

Noch aber glaubte der König nicht an einen sofortigen Krieg im Jahre 1756. Am 19. Juni schrieb er aus dem Magdeburger Lager jene Worte an Klinggräffen: „Troy aller Kriegsvorbereitungen, die augenblicklich bei meinen Nachbarn im Gange sind, scheint es mir, daß dieses Jahr noch in Ruhe hingehen wird.“

Indes diese Hoffnung verschwindet plötzlich, sobald Friedrich, noch am 19. Juni, in Potsdam wieder eingetroffen ist1). Aus Potsdam läßt er am 19. Juni dem schlesischen Minister v. Schlabrendorff in Breslau anzeigen: „Da die Gefahr eines ausbrechenden großen Kriegesfeuer fast überall gegenwärtig und vorhanden ist, so sehe Ich Mich genöthiget, Mich in eine sichere Positur zu Deckung Meiner Lande gegen alle feindliche Anfälle zu sezen." Drei Tage später schreibt er eigenhändig seiner Schwester in Baireuth, der einzigen Frau, der er alle seine politischen Pläne vertraute: „Eure schurkischen Nachbarn haben von neuem ein Komplott gestiftet, das dem Anschein nach nur durch eine gewaltige Katastrophe sich zersprengen lassen wird. Wir haben einen Fuß im Steigbügel, und ich glaube, der andere wird ohne Zögern nachfolgen. Alles das muß spätestens binnen zwei Monaten sich aufklären."

1) Am 19. hatte der König aus Magdeburg mit der fälligen Post einen Erlaß an Knyphausen gesandt, noch an demselben Tage geht von Potsdam aus mit Estafette ein zweiter Erlaß nach Paris, der eine durchaus andere Signatur als der erste trägt.

Wodurch sind diese in den Tagen unmittelbar nach der Rückkehr nach Sanssouci aufsteigenden Besorgnisse eines noch im laufenden Jahre drohenden Krieges hervorgerufen?

Bereits im Magdeburger Lager waren Meldungen eingetroffen über ein in Böhmen zu bildendes österreichisches Lager von 60000 Mann und ein zweites, das an Schlesiens Grenzen aus ungarischen Truppen sich zusammenseßen sollte; auch zwei russische Heere, hieß es, würden sich versammeln, das eine in Livland und Kurland, das andere an Polens Grenzen in der Umgegend von Smolensk. Diesen nur unbestimmt auftretenden Nachrichten hatte Friedrich vorerst in Magdeburg geringen Glauben beigemessen, in Potsdam aber empfing er detaillirte Berichte, durch welche die großen Rüstungen, in Österreich wie in Rußland, ihre Bestätigung fanden.

Durch seinen Wiener Gesandten, v. Klinggräffen, und durch den Minister v. Schlabrendorff in Breslau erfuhr er, es solle bis zum folgenden August in Böhmen ein Lager von 60000 Mann formirt sein, unaufhörlich werde von Wien aus Artillerie und Munition nach Böhmen und Mähren geschafft, mit äußerster Anstrengung arbeite man an der Fortifikation von Olmüz, die ungarischen Kavallerieregimenter hätten Ordre, demnächst nach Mähren aufzubrechen, Fourage und Ausrüstungsgegenstände würden in den Grenzkreisen zusammengebracht.

Bedrohlicher noch klangen die Nachrichten, welche über Rußland einliefen. Die Truppenmärsche, zu denen in Österreich erst die Befehle ergehen sollten, waren in Rußland bereits in voller Ausführung. Ohne Auftrag seines Hofes legte Mitchell am 18. Juni dem Grafen Finckenstein die Aussagen eines soeben aus Petersburg in Berlin eingetroffenen englischen Kuriers vor, ungeschminkte Mittheilungen, die allerdings sehr weit abwichen von den offiziellen Versicherungen, welche das englische Kabinet bisher für gut befunden, seinem preußischen Bundesgenossen über Rußland zu unterbreiten. In Petersburg, so erzählte der Kurier, herrsche die Ansicht, Friedrich II. habe zum Kriege gegen Rußland ein Lager von 100000 Mann bei Königsberg errichtet; es seien deswegen von russischer Seite 170000 Mann regulärer

Truppen und 70000 Kalmücken aufgeboten, die nach der Gegend von Narva, Riga und Mitau dirigirt werden sollten; es heiße, die Zarin müsse gemeinsam mit der Kaiserin-Königin den König von Preußen angreifen. Während der Kurier gestand, daß er zu seinem Erstaunen von preußischen Kriegsrüstungen bei Königsberg keine Spur entdeckt, hatte er die russischen Rüstungen in den Grenzprovinzen nur allzu sehr bestätigt gefunden. Alle Wege, die er passirte, von Narva bis Riga und von da bis nach Mitau seien überfüllt gewesen von großen Heeresmassen, die, mit Kriegsfuhrwerk versehen, sich auf dem Marsche nach Westen befanden. Wenn auch einige von diesen Aussagen übertrieben erschienen, so konnte doch inbezug auf die großen Kriegsvorbereitungen unweit der preußischen Grenze, die der Kurier allenthalben mit eigenen Augen wahrgenommen und die von den verschiedensten Seiten her angekündigt wurden, kein Zweifel mehr obwalten.

Und wenige Tage später, am 22. Juni, sollte König Friedrich für die eifrigen Rüstungen in Österreich wie in Rußland auch einen Kommentar erhalten, der von gewiß gut unterrichteter Seite, wenn schon wider Willen, dem Könige eingeliefert wurde. Er kam von dem sächsischen Gesandten in Wien, dem Grafen Flemming, der mit den österreichischen Staatsmännern auf vertrautestem Fuße stand. Der von Malzahn in Dresden kopirte und unter dem 18. Juni eingesandte Bericht Flemming's vom 9. Juni1) enthielt eine Erörterung über die russischen Truppenbewegungen. Er habe, so schrieb Flemming an Brühl, guten Grund zu der Vermuthung, daß die beiden Kaiserhöfe unter sich die Abmachung getroffen, Rußland solle, um den wahren Zweck seiner Rüstungen zu mastiren, dieselben unter dem plausiblen Vorwande ausführen, daß es den Vertragsverpflichtungen gegen England nachkommen müsse; und, sobald unter diesem Vorwande alle Rüstungen vollendet seien, würde man mit vereinten Kräften unvermuthet über den König von Preußen herfallen. Es sei das Ziel Österreichs, dem Könige Schlesien zu entreißen, Rußland sei mit Freuden bereit, seine Hand dazu zu reichen, den Franzosen werde Österreich

1) Vgl. 12, 460-462. Der Malzahn'sche Bericht vom 18. Juni traf am 22. in Potsdam ein. Vgl. 12, 443 Anm. 3, 445 Anm. 1.

Hannover opfern, wogegen diese Preußen der Rache des Wiener Hofes preisgeben würden.

Der Eindruck, welchen diese und andere Meldungen auf Friedrich ausübten, spricht sich am deutlichsten in zwei Erlassen an Knyphausen vom 19. und vom 26. Juni, sowie in dem schon oben erwähnten Schreiben an die Markgräfin von Baircuth vom 22. Juni aus. Will auch vielleicht Frankreich einen Landkrieg vermeiden, heißt es in dem Potsdamer Erlaß an Knyphausen vom 19. Juni, so plant doch Österreich anderes. Sein Ziel geht dahin, Rußland für sich zu gewinnen; ist dies geschehen, so gedenkt Österreich nach Vollendung der beiderseitigen Rüstungen mit einem Heere durch das Kurfürstenthum Sachsen vorzugehen und die Sachsen zum Anschluß zu bewegen, ein zweites Heer wird in Oberschlesien mit dem bei Smolensk an der polnischen Grenze lagernden russischen Corps sich vereinigen, während die russischen Truppen aus Livland und Kurland in Ostpreußen eindringen werden 1). Zudem bietet der Wiener Hof alles auf, um die Reichsfürsten auf seine Seite zu ziehen. Am 26., nach Empfang der Flemming'schen Depesche, sieht der König, was er am 19. noch als Plan betrachtet, bereits als halbvollendet an. Zwischen Österreich und Rußland sei das Einvernehmen schon erzielt, dasselbe richte sich in erster Linie gegen Preußen; auch Frankreich, meint er nunmehr, werde sich am Kriege wenigstens indirekt betheiligen, es werde England und Holland für sich nehmen, während es Preußen den Österreichern und Russen zur Demüthigung preisgibt. Die drei Höfe haben ein Triumvirat geschlossen, sie theilen die Staaten Europas unter sich und opfern sie einander ihrer Rache auf, gleichwie Augustus, Antonius und Lepidus die Großen des alten Rom sich gegenseitig zur Proskription auslieferten" 2).

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1) Diese Ansichten Friedrich's sind bemerkenswerth für die Dreitheilung des preußischen Heeres beim Beginn des Krieges: Friedrich gegen die Österreicher in Böhmen und gegen die Sachsen, Schwerin gegen die zweite österreichische Armee in Mähren und Böhmen, Lehwaldt in Ostpreußen gegen die russische Hauptarmee.

2) Vgl. 12, 465 und 473.

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