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Zehntes Kapitel.

Zwei Schriften des Erzbischofs Kenrick aus der Zeit

der Generaldebatte.

Die Dissertatio theologica de pontificia infallibilitate‘. Die,Concio in Concilio habenda, at non habita'. Spätere Äußerungen Kenricks über die Concio.

Das Schema der ersten Konstitution von der Kirche Christi mit der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit war schon dem Konzil vorgelegt, als zu Neapel eine anonyme Broschüre erschien 1, welche diese Lehre als irrig erklärte. Es war unschwer, den Verfasser der Broschüre ausfindig zu machen. Sie stimmte dem größten Teile nach wörtlich mit den Bemerkungen überein, die der Erzbischof Kenrick von St Louis zum Kapitel über die Unfehlbarkeit eingereicht hatte. Kenrick galt auch allgemein bei den Vätern des Konzils als der Verfasser der Broschüre, und in der Rede, die er nach der allgemeinen Debatte veröffentlichte 2, erkannte er ausdrücklich seine Autorschaft an.

Man war indessen gar nicht erbaut darüber, daß der Erzbischof eine Lehre, über die man im Konzil verhandelte, öffentlich als eine irrige Ansicht bezeichnete. Jedenfalls war die Veröffentlichung wenig passend. Die Frage war bei dem höchsten Glaubenstribunal der Kirche anhängig gemacht. Der Papst hatte die Lehre zur Definition vorgelegt; der bei weitem größte Teil der Väter hatte sich schon für die Definition derselben ausgesprochen: nun trat einer der Väter auf und erklärte, dem Urteile des höchsten Glaubenstribunals vorgreifend, der Welt, daß die Lehre, um die sich die Debatte drehe, irrig sei.

1 De pontificia infallibilitate, qualis in Concilio Vaticano definienda proponitur dissertatio theologica. Neapoli 1870, 42 S.

2 S. unten.

Die Dissertatio'. Grund für die Veröffentlichung der Concio'. 289

Mit Recht hatte der Erzbischof seine Bedenken dem Konzil vorgelegt. Sache des Konzils war es, die Frage zu untersuchen und zu entscheiden. Welchen Zweck konnte er aber verfolgen, indem er seine Bedenken auch allem Volke auseinandersetzte? Das Volk hatte nicht über die Frage zu entscheiden, sondern in Demut die Entscheidung des Konzils zu erwarten und sich derselben zu unterwerfen. Hätte ein Feind der Kirche, der Verwirrung anzurichten bestrebt war, eine solche Broschüre veröffentlicht, so wären wir über seine Absicht im klaren. Er hätte den Zweck verfolgt, die Leser vor der Entscheidung gegen die Lehre einzunehmen, zum Widerstand dagegen aufzureizen, falls das Konzil sie definieren würde, und die Widerspenstigen mit Waffen zum Kampf gegen diese Lehre zu versehen. Aber Kenrick war ein katholischer Bischof, der nicht nur selbst die Entscheidung des Konzils, auch wenn sie gegen seine eigene Meinung ausfiel, in Demut anzunehmen, sondern auch das Volk zur Unterwerfung anzuhalten hatte. Wie mußte er sich durch die Herausgabe der Schrift diese Aufgabe erschweren! Er hatte den Widerstand gekräftigt und mit Waffen versehen.

Was den Inhalt der Schrift betrifft, so war er ein ganz gewöhnlicher. Er stellte die landläufigen Gründe gegen die Unfehlbarkeit zusammen, die man überall in den dagegen geschriebenen Schriften finden kann. Es lohnt sich also nicht, den Inhalt hier genauer mitzuteilen.

Eine zweite Schrift desselben Verfassers erschien bald nach dem Schluß der Generaldebatte: ,Concio Richardi Kenrick in Concilio habenda, at non habita. Sie liegt uns vor in den von Friedrich herausgegebenen Documenta ad illustrandum Concilium Vaticanum 1. Hier findet sie sich ohne Titel. Ob der Erzbischof sie veröffentlicht oder bloß für seine Mitbischöfe hat drucken lassen, wird nicht gesagt. Ihr Ursprung läßt das letztere vermuten. Kenrick hatte sich für eine Rede in der Generaldebatte gemeldet. Sein Name wurde am 20. Mai in der Rednerliste verlesen 2. Bei der großen Zahl der Redner aber, die sich vor ihm zum Worte gemeldet hatten, hätte er noch lange warten müssen, bis er aufgerufen worden wäre, und als am 3. Juni die Debatte geschlossen wurde, hatte er seine Rede noch nicht gehalten.

Kenrick war mit dem Abbruch der Debatte unzufrieden; auch er hatte den Protest dagegen unterschrieben, und nun übergab

! I, 187 sqq. 2 C. V. 745 b. Granderath, Vatikanisches Konzil. III.

3 Ibid. 987 a.

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er die geschriebene, aber nicht vorgetragene Rede dem Druck. In einem vorausgeschickten Monitum sagt er, daß die Rede wegen des unerwarteten Schlusses der Debatte nicht gehalten worden sei. ,Sein göttliches Recht, über die hochwichtige Frage den Mitbischöfen und den andern, welche zur Teilnahme am Konzil berechtigt seien, seine Ansicht darzulegen, übe er deshalb jetzt durch Drucklegung dieser Niederschrift, wobei er die Form der Rede beibehalte.' Hieraus wird es wahrscheinlich, daß die Schrift nur für die Väter des Konzils bestimmt war.

Die Rede verbreitet sich über eine große Anzahl von Gegenständen mannigfaltiger Art. Kenrick hält die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit, mag sie wahr oder falsch sein, nicht für eine geoffenbarte Lehre. Den Primat des Papstes gibt er zu. Doch hat er die sonderbare Ansicht, daß die Beweise für ihn sich nur in der Tradition finden und daß keine Stelle der Heiligen Schrift als Beweis für denselben beigebracht werden könne1. Das letztere, glaubt er, folge aus der katholischen Interpretationsregel der Heiligen Schrift. Der Katholik, so laute diese, darf die Heilige Schrift nicht gegen die allgemeine Übereinstimmung der Väter erklären. Nun gebe es aber bezüglich der Hauptstelle für den Primat: Du bist Petrus usw., keine Übereinstimmung der Väter. Das Wort,Felsen' werde von den Vätern auf fünf verschiedene Weisen erklärt. Nach katholischer Interpretationsregel könne man es also kaum von Petrus erklären. Ein sonderbares Argument: der Katholik darf die Heilige Schrift nicht gegen die allgemeine Übereinstimmung der Väter erklären. Nun gibt es aber keine Übereinstimmung unter den Vätern in Bezug auf die Stelle: ,Du bist Petrus usw.'; mithin darf der Katholik die Stelle nicht von der dem Petrus gewordenen Verheißung des Primates erklären! Kenrick selber macht einen Versuch, die Stelle anders zu erklären, indem er das Wort Felsen nicht von Petrus versteht 2. Aber das Gewundene und Künstliche dieser Deutung ist der beste Beweis dafür, daß es unmöglich ist, an der gewöhnlichen Auslegung vorbeizukommen.

Eine ganz eigene und offenbar falsche Ansicht äußert Kenrick ferner über die Bedeutung der Übereinstimmung der auf der Erde zerstreuten Kirche in einer Lehre 3. Diese Übereinstimmung habe eine negative, keine positive Autorität. Die Kirche könne keinem.

Bei Friedrich, Documenta etc. I, 194.
2 Ibid. I, 197.
3 Ibid. I, 203 sqq.

Die,Concio in Concilio habenda, at non habita'.

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Irrtume zustimmen, welcher der geoffenbarten Wahrheit widerstreite. Ihre Übereinstimmung in einer Lehre zeige also, daß dieselbe nicht gegen die Offenbarung sei, sie gebe aber nie Gewißheit darüber, daß eine Lehre geoffenbart sei. Handle es sich also um die Definition einer Glaubenswahrheit, so sei ein Konzil notwendig, das wahrhaft die ganze Kirche repräsentiere. Daß Kenrick bei dieser Lehre die Definition der unbefleckten Empfängnis Mariä nicht verteidigen kann, liegt auf der Hand. In Bezug auf dieselbe sagt er daher auch: Ich nehme an, daß die seligste Jungfrau Maria durch eine ganz besondere Gnade Gottes und im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes Jesu Christi von jeder Makel der Sünde Adams in ihrer Empfängnis frei gehalten wurde. Ich leugne nicht, daß diese Wahrheit zur Hinterlage des Glaubens gehöre; doch konnte ich sie dort [in der Hinterlage des Glaubens], wie Schrift und Väter sie enthalten, niemals finden, noch habe ich jemals einen finden können, der mir nachzuweisen vermocht hätte, daß sie darin enthalten sei. Die Zustimmung der sog. zerstreuten Kirche [zur päpstlichen Definition] beweist, daß die Definition, der sie zustimmt, keiner geoffenbarten Wahrheit widerstreitet, da ja, wie früher bemerkt, die Kirche, sei sie im Konzil vereint oder auf der Erde zerstreut, etwas, was dem Glauben widerstreitet, nicht dulden kann.'1 — Wenn aber Kenrick nicht aus der Zustimmung der Kirche zu jener Definition wüßte, daß die Lehre von der unbefleckten Empfängnis eine Offenbarungslehre sei, was er ja anzunehmen behauptet, woher weiß er es denn?

Die sonderbare Schrift Kenricks wurde von den Präsidenten des Konzils besprochen und drei Bischöfen zur Prüfung übergeben 2. Aus einem Briefe Kenricks, welchen er später am 29. März 1871 an Lord Acton schrieb, ersehen wir, daß sich auch die Kongregation des Index mit ihr beschäftigt und wegen schwerer Irrtümer, die sie enthalte, einstimmig das Verwerfungsurteil über sie ausgesprochen hatte. Nur aus persönlichen Rücksichten wurde sie nicht auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt. Aus demselben Briefe 3

1 Ibid. I, 211.

Congressus Praesidum. (Im Archive.)

3 Der Brief Kenricks findet sich bei Schulte, Der Altkatholizismus, Gießen 1887, S. 267 ff. Die auf die besprochene Schrift bezügliche Stelle lautet:,When I made this declaration, I was not aware, that a letter, dated 15th of last October, from Cardinal de Angelis, was awaiting my arrival in the hands of one of the sufragan Bishops of this Province, which, however I received only yesterday.

- In

erfahren wir aber auch, daß Erzbischof Kenrick sich schon damals dem Unfehlbarkeitsdekret unterworfen hatte, wenn er sich auch noch weigerte, seine zu Neapel herausgegebenen Schriften zurückzuziehen.

this letter the Cardinal states that my Concio had been submitted to the official organ of papal authority in Rome; had been unanimously condemned as contraining [sic] grave errors; but that through personal considerations had not appeared among the list of prohibited works. The writer exhorted me to anticipate its public condemnation by adhering explicitly to the decrees of the Council. In my reply, written immediately after the letter came to hand, I made no retraction of the Concio, but merely stated, that more than two months ago I had communicated to the Cardinal Prefect of the Propaganda the fact of my submission. And yet I have reason to think that my answer will not be satisfactory, as the Pope sad [sic] to the Rector of the American College, when he announced to him my submission: still he must retract those pamphlets published ad Naples. This I shall not do, no matter what the consequences may be.'

s. unten Viertes Buch, Fünftes Kapitel a. E.

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