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Erstes Kapitel.

Bittgesuche und Bestrebungen für und gegen den baldigen Beginn der konziliarischen Verhandlungen über die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit.

Die Konzilsleitung zögert. Gründe für die baldige Verhandlung. Bittgesuche um Eröffnung der konziliarischen Verhandlung. Entgegengesetzte Ansichten der Minorität. Postulat um Verlängerung der Frist zum Studium der Frage. Seine Gründe sind nicht stichhaltig. Stellung der Kardinalpräsidenten. Kardinal Bilio stellt sofortige Verhandlung in Aussicht. Er ändert seine Meinung wieder. Bestrebungen der Minorität. Petition des Kardinals Morichini. Kardinal de Angelis neigt zur Minorität. Majoritätsbischöfe beim Papste. Pius IX. für sofortige Verhandlung. Petition von hundertundfünfzig Majoritätsbischöfen an den Papst. Sie hat Erfolg.

Die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit war dem Konzil auf den Wunsch der großen Mehrheit seiner Mitglieder hin vorgelegt worden. Am 6. März hatte man dem Schema De Ecclesia, das bereits am 21. Januar zur Verteilung gekommen war, noch ein neues, zwölftes Kapitel mit der Aufschrift hinzugefügt: Romanum Pontificem in rebus fidei et morum definiendis errare non posse. Die schriftlichen Bemerkungen dazu waren dem Sekretär des Konzils von den Vätern bis zum 25. März einzureichen 2. Damit aber ruhte die Sache, und die Konzilsleitung zeigte durchaus keine Eile, die Frage so bald in die Verhandlungen einzuführen. Vielmehr hatte es den Anschein, daß nach der ersten gleich die zweite Konstitution über den Glauben, dann eines oder mehrere Disziplinarschemate, endlich das Schema über die Kirche, nach der ganzen, langen Reihenfolge seiner Kapitel, vor dem höchsten kirchlichen Tribunale verhandelt werden sollten. Dagegen glaubten viele Bischöfe, daß die Plenarberatung über die päpstliche Unfehlbarkeit durchaus nicht mehr länger aufgeschoben werden dürfe. Der in verschiedenen Ländern gegen diese Lehre entfesselte Sturm dauerte in seiner ganzen Heftigkeit fort. Ihre

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Feinde bekämpften und entstellten sie in zahlreichen Broschüren und Tagesblättern mit unermüdlichem Eifer, großer Gewandtheit und bisweilen auch mit dem Aufgebote von nicht geringer Gelehrsamkeit, so daß eine weit verbreitete Verwirrung der Geister eintrat und manche gute Katholiken kaum mehr wußten, woran sie sich. halten sollten. Das Bestreben mancher Gegner war offenbar darauf gerichtet, bei den Gläubigen den Geist der Widerspenstigkeit und der Empörung gegen die Kirchenversammlung zu erwecken und zu nähren, damit diese dadurch in Furcht gerate und sich von der Definition der mißliebigen Lehre abhalten lasse. Auf dem Konzil selbst war die Uneinigkeit seiner Mitglieder in Betreff dieser Definition das ständige Hindernis für ein gedeihliches Zusammenwirken, sie störte den Fortschritt aller Verhandlungen und selbst den privaten Verkehr der einzelnen untereinander. Darum war es das eifrigste Bestreben derjenigen Konzilsmitglieder, welche die Frage überhaupt behandelt wissen wollten, sie nun auch so bald als möglich zur Entscheidung zu bringen, damit den Umtrieben der Feinde ein Ziel gesetzt, den aufgeregten Gemütern der Friede wiedergegeben und dem Kirchenrat endlich eine fruchtbare Tätigkeit ermöglicht werde.

Nach kurzer Zeit liefen daher bei dem Papste, bei den Kardinalpräsidenten und der Kongregation der Postulate eine ganze Anzahl von Gesuchen ein, in welchen gebeten wurde, das Schema über die päpstliche Unfehlbarkeit unverzüglich zur Debatte zu stellen. Sechsunddreißig Bischöfe bitten am 14. März die Kongregation der Postulate, das Schema ,vor allen andern Gegenständen' in den Generalkongregationen verhandeln zu lassen,,damit endlich die Unwissenheit törichter Menschen, die in Tagesblättern, Zeitungen und Broschüren verkehrte Ansichten über die höchste Lehrgewalt des Papstes aussprechen, zum Schweigen komme und so Streit und größere Ärgernisse verhindert werden. Sie sind der Hoffnung, durch die Definition der Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit werde auch jeder Grund des Zwiespaltes unter den Vätern verschwinden. Eine von dreiundneunzig Vätern unterzeichnete Petition an die Kardinalpräsidenten hatte vier Tage vorher die nämliche Bitte gestellt. Auch sie nennen als Grund für die Notwendigkeit der baldigen Diskussion der großen Frage die bekannten schlimmen Zeitverhältnisse und dann den Umstand, daß viele Bischöfe durch die Verhältnisse in ihren Diözesen

1 C. V. 971c sqq.

Gründe für die baldige Verhandlung. Bittgesuche.

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demnächst zur Abreise gezwungen würden und noch gern an dem Zustandekommen des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes mitwirken möchten 1. In drei andern Postulaten vom 2., 7. und 9. März stellten vierunddreißig Konzilsmitglieder bei den Präsidenten den Antrag, daß nach der Diskussion des Schemas über den Glauben oder auch mit Weglassung jeder weiteren Diskussion die Verhandlungen über den Primat des römischen Papstes und insbesondere über die päpstliche Unfehlbarkeit beginnen sollten 2. Vier Väter wandten sich an den Papst und wiederum zwölf an die Vorsitzenden der Generalkongregationen, um die baldige Vorlage des Schemas zu veranlassen, damit ,endlich diese Frage, die den Feinden der Kirche eine gewaltige Handhabe und den Kleingläubigen einen bedauerlichen Stein des Anstoßes biete, zu Ende komme und die. Arbeiten des Konzils in der Folge einen ungehinderteren und lebhafteren Fortgang nehmen'.

Die Gründe, welche die Mitglieder der Majorität zu diesen Schritten veranlaßten, waren zweifelsohne durchaus berechtigt, ja von der größten Wichtigkeit. Stand es einmal fest, daß die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit eine geoffenbarte Wahrheit sei, so machten es die vielen darauf gerichteten Angriffe nunmehr geradezu dem Konzile zur Pflicht, dieselbe zu definieren, und zwar möglichst bald zu ihrer Definition zu schreiten. Galt es doch von jeher als eine Hauptaufgabe allgemeiner Konzilien, bei entstehenden Streitigkeiten über eine Glaubenslehre durch autoritative Darlegung der betreffenden Wahrheit die der Kirche anvertraute Hinterlage des Glaubens zu schützen und Trug und Irrlehre von derselben fernzuhalten. Solange sich die Gläubigen im ruhigen Besitze einer geoffenbarten Wahrheit befinden, ist deren Definition nicht erforderlich. Wird dieselbe aber angegriffen und kommen infolgedessen die Christen in Gefahr, einem Irrtum anheimzufallen, dann treten die Konzilien zusammen, um feierlich zu erklären, was in der ,Hinterlage des Glaubens enthalten ist, und um den Gegnern Schweigen zu gebieten. So hat die Kirche zu allen Zeiten gehandelt, und daß sie so handle, ist ihre heilige Pflicht.

Daß aber bei der großen bezüglich der päpstlichen Unfehlbarkeit herrschenden Verwirrung diese Pflicht dränge, sah die Minorität nicht ein. Einige, freilich sehr wenige, Minoritätsbischöfe hielten

Ibid. 969 d sqq.
Ibid. 972 b sq.

2 Ibid. 968 a sqq.

3 Ibid. 969 c.

die Lehre überhaupt nicht für eine geoffenbarte Wahrheit. Für diese verstand es sich von selbst, daß sie nicht definiert werden könne. Andern, die ursprünglich an die Lehre glaubten, waren im Laufe des Kampfes gegen die Definition Zweifel an der Wahrheit selbst gekommen oder sie waren auf geschichtliche Schwierigkeiten gestoßen, die sie nicht für hinreichend gelöst hielten. Auch diesen konnte eine sofortige Definierung der Lehre vor Lösung jener Schwierigkeiten als untunlich erscheinen. Wieder andere fürchteten die Folgen der Definition; und die feindliche Stellung, die so viele gegen die Lehre einnahmen, die eigentlich ein Grund für die baldige kirchliche Entscheidung hätte sein müssen, vermehrte ihre Furcht und schreckte sie noch mehr vor einem letzten Urteilspruche zurück. Wir werden sehen, wie diese Furcht auch auf Freunde der Definition ihren Einfluß übte und sie zaghaft machte.

Die Gesinnung der Minoritätsbischöfe zeigt sich in einem Postulate, das am 14. März aus ihrer Mitte an den ersten Präsidenten gerichtet wurde 1. Dasselbe verlangte eine angemessene Frist für das Studium und die vorherige Prüfung des Gegenstandes. Wenn dies schon für jeden Gegenstand der konziliarischen Verhandlungen notwendig sei, so doch ganz besonders für das Kapitel über die persönliche Unfehlbarkeit des Papstes, das man vor wenigen Tagen, gegen all ihr Hoffen und Erwarten, dem Schema De Ecclesia beigefügt habe. Nur derjenige', heißt es in der Eingabe, ,welcher die gewaltige Ausdehnung dieser Frage und die ungeheuern Schwierigkeiten nicht kennt, die ihrer Lösung entgegenstehen, oder nicht weiß, welch angestrengten Studiums der Schrift, der Väter, der Kirchengeschichte es in dieser Hinsicht bedarf, oder endlich das furchtbare Gewicht der Verantwortung gering anschlägt, das bei einer konziliarischen Entscheidung besonders in dogmatischen Dingen und vor allem in der gegenwärtigen Frage auf uns zurückfällt, wird uns zürnen können, wenn wir mit Rücksicht 1. auf unser zweifelloses konziliarisches Recht, 2. auf die notwendige Wahrung der Freiheit und Wahrheit des Konzils, die bei Verweigerung der für die Vorbereitung erforderlichen Zeit ganz hinfällig würden, 3. auf die außerordentliche Wichtigkeit der Frage, endlich 4. zur Vermeidung trauriger Spaltungen und schädlicher Ärgernisse bitten und

1 C. V. 973 d sqq. · Das Postulat ist von sechs ungarischen Bischöfen unterschrieben, scheint aber in irgend einer Beziehung zum Bischof v. Ketteler zu stehen. Wenigstens nennt es der Erzbischof von Gran in seiner Sammlung der Postulate,die Vorstellung des Bischofs Ketteler von Mainz'.

Gesinnung d. Minoritätsbischöfe. Postulat um Aufschub d. Verhandlung.

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fordern, daß . . . . die Erörterung einer derartigen Frage bis zu dem Zeitpunkte verschoben werde, da die Väter, alle und einzeln, nach vorausgegangener genauer und eifriger Prüfung gebührend vorbereitet sind, um ihre Pflicht im Konzil zu erfüllen.' Geschehe dies nicht, so wollen die Unterzeichner hiermit ihr Gewissen von aller Schuld entlastet und die Verantwortlichkeit auf die Urheber des überstürzten Vorangehens abgeladen haben.

Demgegenüber konnte man allerdings mit Recht fragen: Wann wird denn überhaupt die Zeit kommen, daß die Definitionsgegner sich für genügend vorbereitet erklären, um an die Debatte über die Unfehlbarkeit herantreten zu können? Welcher Zeitraum ist noch erfordert, wenn jener nicht genügt, der ihnen bisher schon geboten war? Die Frage über die Unfehlbarkeit des Papstes gehört keineswegs zu den schwierigen Fragen der Theologie. Schon die ersten theologischen Studien, die man bei jedem Bischofe vorauszusetzen hat, mußten darüber genügende Klarheit bringen. Dann aber hatte diese eine Frage seit ein paar Jahren geradezu im Vordergrunde der theologischen Diskussion gestanden, und jeder Bischof wußte, wie notwendig gerade für ihn ein gründliches Studium derselben sei, weil sie vielfach als der Hauptgegenstand der Verhandlungen des bevorstehenden Konzils bezeichnet wurde. Seit dem Beginne der Verhandlungen beherrschte sie tatsächlich das ganze Konzil. Wenn sich ein Bischof während dieser ganzen Zeit noch nicht ausreichend darüber orientiert hatte, so war wohl überhaupt nicht zu erwarten, daß er in absehbarer Frist zu einer genügenden Aufklärung gelangen werde. Das Postulat macht denn auch den Eindruck, als ob es, wie viele andere Schritte der Minorität, nur den Zweck gehabt hätte, die Behandlung der Unfehlbarkeitsfrage so weit hinauszuschieben, daß sie schließlich gar nicht auf die Tagesordnung kam. Wenigstens stand die Minorität in dem Rufe, diesen Zweck zu verfolgen. Die Majoritätsbischöfe waren z. B. nach den Aufzeichnungen eines ihrer Mitglieder gerade deshalb ungehalten darüber, daß der Termin für die Abgabe der Bemerkungen zum Unfehlbarkeitsschema wieder hinausgeschoben wurde,,weil sie wußten, daß der Bischof von Orléans, der Erzbischof von Paris und die andern Bischöfe der Gegenpartei den Kardinal Bilio aus keinem andern Grunde zu jener Verlängerung bewogen hatten als in der Absicht, Zeit hinzubringen und so die Definition unmöglich zu machen' 1.

1 Diarium: Quae de definitione Infallibilitatis acta sunt, n. 25.

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