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grofsen Theil voll Wunderlegenden waren, um das ganze Zauberwesen der Hierarchie mit dem entsprechenden Aberglauben zu unterhalten. Der protestantische Gegensatz und die allgemeine höhere Bildung hat das ermäfsigt. Der Unterschied ist geblieben, dafs im katholischen Cultus das Wesentliche die Messe, in der protestantischen Kirche die Predigt ist. Nicht als wenn die Macht des Wortes in der katholischen Kirche unbekannt wäre, sie hat grofse kirchliche Redner gehabt, die es verstanden das Herz eines Volkes zu bewegen, die Jesuiten haben noch unlängst selbst in Städte vorherrschend protestantischer Bevölkerung ihre gewandten Prediger ausgesandt: aber wo es nicht eben durch die Nachbarschaft des protestantischen Gegensatzes zu einer regelmäfsigen Sonntagspredigt gekommen ist, da erscheint die Predigt nur als Sache des einzelnen Talentes, der hohen Feste und der Fastenzeit. In den drei grofsen Pfarrkirchen des Papstes ist gar keine Kanzel angebracht, die Päpste haben längst aufgehört zu predigen, und es war grofse Verwunderung, als Pius IX., der mit sehr kräftiger Stimme zu reden versteht, in der Zeit als der Jubel eines alles hoffenden Volkes ihn noch trug, einmal die Kanzel seines Freundes Ventura bestieg, um mit kurzen Worten der römischen Bevölkerung für ihre herzlichen Neujahrwünsche zu danken. Die Synode von Trient ermahnt die Bischöfe fleifsig zu predigen, oder doch geschickte Prediger zu berufen: der deutsche Episcopat hat erst in Folge der Revolution von seiner fürstlichen Höhe herabgestürzt angefangen beides zu thun.

In die 6 Fastenwochen drängt sich das Predigtwesen des Katholicismus übervoll zusammen. Da werden in die grossen Städte zumal romanischer Länder, wie zur Saison unmittelbar vorher berühmte Sängerinnen, berühmte Prediger berufen, die von den Jesuiten und Dominicanern, auch von den Capuzinern immer noch geliefert werden. Die Predigt bildet dann einen abgeschlofsnen, durch nichts eingeleiteten, durch keinen Gemeindegesang, keinen Segenspruch beschlossnen Gottesdienst, zu dem man kommt und nach dem man auch davongeht. In manchen grofsen, hochgewölbten Kirchen ist über die Kanzel hin nach den gegenüberstehenden Säulen ein Schall-Vorhang

gespannt, unter welchem sich auf einigen Bänken und selbsthinzugetragenen Rohrstühlen, die man in Paris das Stück für einen Sou miethet, in Rom von einer Art Kirchenbettlerin erhält, die Zuhörer sammeln. Von einer ganzen theilnehmenden, die Kirche füllenden Gemeinde ist da nicht die Rede. Der Fastenprediger besteigt täglich die Kanzel, mufs also die grofse Anzahl Predigten vorher fertig, oder doch durchdacht haben. Es sind nicht vorzugsweise Busspredigten, sie gehen auf mannichfache Seiten des religiösen und alltäglichen Lebens ein. Nach der in Rom üblichen Predigtweise wird ein bestimmter Schrifttext nicht zu Grunde gelegt, doch fehlt es meist nicht an Bibelstellen, welche nach der Vulgate angeführt, doch insgemein auch in die Volkssprache übertragen werden. Allbekannt ist das Carême, die Sammlung französischer Fastenpredigten Massillons, dieses herzenskundigen Predigers, zu dem Ludwig XIV., als er ihn zum erstenmal gehört hatte, sagte: »Ich habe in meiner Capelle einige Prediger gehört, mit denen ich sehr zufrieden war: aber euch anhörend bin ich unzufrieden geworden mit mir selbst. «<

Ich habe während der letzten Fasten fast täglich den Pater Romanini in der Dominicanerkirche [sopra Minerva] mit Theilnahme, nicht selten mit Erbauung gehört. Es kann nicht anders sein, als dafs die Beredtsamkeit eines begabten Predigers, der die Bedürfnisse einer bestimmten Gemeinde nicht kennt, ja der eine solche gar nicht vor sich sieht, zumal bei der Lebendigkeit eines südlichen Volkes, in ihrem Überspringen von den mildesten Molltönen zu den Donnern des Gerichts dem Nordländer etwas theatralisch vorkommt, und dieses tritt ganz unbefangen hervor. So ist es üblich, vor dem rhetorisch gesteigerten Schlufstheile eine Pause zu machen, in welcher Almosen für Arme, auch hier durch den leidigen Klingelbeutel gesammelt und die Predigt des nächsten Tags angekündigt wird, etwa in der Art: »Morgen werde ich von den Thränen der heiligen Magdalene reden, findet euch recht zahlreich ein, Signori [obwohl meist Frauen zugegen sind], es wird euch nicht gereuen, denn es wird aufserordentlich interessant werden. «

Daneben werden um die Weihnachtszeit in der Francis

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canerkirche auf dem Capitol Kinder aufgestellt, die zu Ehren des Christkindes förmliche Predigten declamiren, und die Jesuiten halten zuweilen am Sonntage zur Vesper ControversDisputationen, bei denen der Gottlose oder der Protestant sich möglichst dumm anstellt.

Die geringe Feierlichkeit der Predigt ist dadurch bedingt, ja entschuldigt, dafs sich die ganze Cultus-Verpflichtung in die Messe zusammenfafst, die jeder Priester täglich lesen, jeder Gläubige täglich hören soll. Nennt der Heidelberger Katechismus die römische Messe eine Verleugnung des Leidens Christi und einen Götzendienst, 32) indem er von seinem an sich berechtigten dogmatischen Standpunkte aus die Anbetung der Hostie verurtheilt so wird ein minder rohes Urtheil über die religiöse Bedeutung eines Cultus sich doch in dessen eigne gläu– bige Voraussetzung hinein versetzen müssen. Ich habe nicht gering gedacht von der Messe als Cultus-Bestandtheil [S. 464]. Dennoch auch für den katholischen Standpunkt, sobald er zum bestimmten Gedanken kommt, ist die Messe nur ein Gedächtnifs an den Opfertod des sterbenden Christus und die Anschauung seiner Gegenwart, diese durch die Phantasie vermittelt, das sinnliche Auge sieht doch nur die Hostie. Wie berechtigt und bedeutungsvoll dieser Gedanke innerhalb des Christenthums sei, ist es doch nur der eine grundlegende Gedanke gegenüber all' dem reichen Inhalte christlicher Lehre und Liebe, wie die Predigt auf dem Grunde göttlichen Wortes sie verkünden soll mit der nimmer endenden Anwendung auf die tausendfachen Beziehungen des wirklichen Lebens. Die natürliche Folge kann schwerlich ausbleiben, dafs dem Priester bei dieser alltäglichen Wiederholung derselben heiligen Formeln, nur mit dem eingelegten Wechsel in Bezug auf die Feier des Tagesheiligen, das Gefühl für den ungeheuern Inhalt nach dem Dogma seiner Kirche sich abstumpft, und für den Laien, der jenen Wechsel meist

32) So nach hergebrachter altreformirter Ausdrucksweise. Genauer nur das Fundament der Messe, das worauf sie ruht. Cat. Heidelb. Qu. 80 Missae fundamentum nihil aliud est, quam abnegatio unius sacrificii et passionis Christi et execranda idololatria. Letzteres auf besondern Befehl des frommen Kurfürsten Friedrich III. »addiret.« Vrgl. S. 484.

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nicht einmal bemerkt, nur das allgemeine Gefühl der Andacht, leicht nur ein sehr dumpfes Fühlen und Sinnen übrigbleibt. Dazu hat das Hin- und Hergehn des Priesters und der Chorknaben am Altare, dieses einzelne Knixen und Kniebeugen zwar alles ursprünglich einen allegorischen Sinn, aber diese Allegorien sind entstanden in ziemlich geschmacklosen Zeiten, und im Laufe der Zeiten bei mancherlei gezwungener Erklärung dem Laien fast unverständlich geworden. Christus hat das Abendmahl, das doch etwas noch ganz andres ist als eine Messe, nicht zum Mittelpunkte, nur zum schmerzlich erhebenden Höhenpunkte seines Lebens gemacht, und die Apostel haben Diaconen eingesetzt, um frei zu sein für den Dienst am göttlichen Worte. Wir dürfen der Kirche auch darin das Recht der geschichtlichen Entwicklung nicht absprechen, aber die Vorstellung, dafs Christus vor den Aposteln, diese vor den ersten Gemeinden Messe gelesen hätten, ist so ganz undenkbar, dafs man gestehn muss, hier hat nicht eine Entwicklung, sondern eine Neuerung und Verkehrung stattgefunden. Wird entgegnet, dafs durch die Predigt als Mittelpunkt des protestantischen Cultus die Kirche zur Schule und zum Hörsale gemacht wird, so hat auch unser Herr selbst Schule gehalten; geopfert hat er unsers Wissens nicht, aufser sich selbst, und das mag jeder Geistliche ihm nachthun, in stiller Aufopferung seines ganzen Lebens, und wenn es durch geschichtliche Verhältnisse geboten ist, auch durch das Opfer von Gut und Blut, das ist die rechte Nachfolge Jesu. In der protestantischen Kirche mag zuviel gepredigt werden und die Herrlichkeit göttlichen Wortes sich mitunter zu gar gebrechlicher Individualität herablassen müssen: dennoch ist hier eine unleugbare gerade von der geistigen Entwicklung geforderte Rückkehr zur apostolischen Sitte geschehn. Freilich dürfte leichter sein und eher durch eine bestimmte Abrichtung erreichbar, mit Anstand eine Messe zu lesen, als eine erbauliche Predigt zu halten: aber die intellectuelle und sittliche Tüchtigkeit eines Pfarrers wird auch in der katholischen Kirche nicht ohne Nachtheil für die Gemeinde entbehrt, und wie der katholische Cultus erst in der Pracht und Kunstherrlichkeit eines reichen Kirchenwesens sich wahrhaft entfaltet, so nimmt er sich

in mancher Dorfkirche, deren Schmuck ein grobgeschnitztes, bunt bemaltes, mit grellen Florbändern ausgeputztes Marienbild ist, und deren Altardienst abgesehn vom guten Willen des Priesters durch einen schmutzigen, ungefügen Chorknaben bestritten wird, übel genug aus, während eine einfache biblische Predigt durch die Herrlichkeit und den Segen des göttlichen Worts auch die ärmste Scheuer zum ehrwürdigen Tempel weiht.

Hiernach könnte die Priesterpflicht des täglichen Mefsopfers als nur eine Abschwächung der Gedächtnifsfeier sehr wohl in andre Pflichten der Seelsorge aufgehn, die gewifs gesegneter an den Lebenden, als durch Seelmessen an den Todten geübt wird. Freilich werden die Messen auch noch zum täglichen Brote für arme Priester, die ohne bestimmtes Amt geweiht sind, oder durch dasselbe nicht ernährt werden. Über die bestellten und bezahlten Messen wird in der neuern äufserlich wohl geordneten Kirche genau Buch geführt, und da jeder Priester täglich nur eine Messe lesen darf, übertragen geistliche Corporationén und die geistlichen Löwen des Tags, die mit mehr Messbestellungen betraut sind, als sie bestreiten können, eine bestimmte Anzahl jenen Armen; in Frankreich besorgen meist die Buchhändler gegen bestimmten Rabatt die Spedition. Die Jesuiten, als ihr Handlungshaus auf Martinique, das übrigens nicht mit Messen handelte, 1762 Bankerott gemacht hatte, erboten sich gegen die Gläubiger in Marseille den Betrag der Schuld in Messen für sie zu zahlen, doch hatten diese materialistischen Kaufleute, vielleicht Hugenotten oder Juden, keinen Sinn für ein solches Geschäft. Aber für die Proletarier des Priesterthums könnte wohl auf andre Weise aus den Palästen der Prälaten gesorgt werden.

Zu den Mifslichkeiten der Messe, ja des ganzen Cultus kommt noch die fremde todte Sprache. Die gewöhnliche Rechtfertigung derselben ist, dafs sich in dieser einen lateinischen Kirchensprache die Einheit der Kirche darstelle und jeder Priester an jedem katholischen Altar in allen Welttheilen Messe lesen könne. Dies mochte gelten, so lange das Geschäft der Priester eben nur in Messelesen bestand. Doch war immer ein Hauptgrund, wefshalb die päpstliche Kirche ihre alte Sprache

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