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von ihnen zu fordern, als etwa wenn sie matt und willenlos auf dem Sterbebette liegen. Wiederum die protestantische Kirche hat ihrer Natur nach nicht die Angst um das Heil einer Seele wegen ihrer kirchlichen Zugehörigkeit, dafs sie Land und Meer durchzöge um einen Proselyten zu machen. Daher nach den grofsen Massenbewegungen des 16. Jahrhunderts der Katholicismus mehr und vornehmere Convertiten gewonnen hat als die evangelische Kirche, in die sich meist nur Mönche und Priester retten, die durch ihre Stellung zum Geltendmachen ihrer Überzeugung gedrängt, dadurch äufserlich bedrängt, durch ihren Übertritt doch zugleich das Opfer ihrer ganzen Lebensstellung bringen.

Aber wie vordem eine leichtsinnige Geschichtsbetrachtung die Siege der Reformation daraus erklärte, dafs sie den Fürsten Kirchengüter, den Priestern Weiber, dem Volke Freiheit geboten habe, so ist es noch ein stehender Vorwurf, dass der Pfad zur protestantischen Kirche breit und bequem sei, wie der Weg zur Hölle, weil sie den sinnlichen Menschen von so manchen lästigen Verpflichtungen losspreche. Schon Erasmus scherzte, sein Herz sei katholisch, sein Magen lutherisch. Aber etwa abgesehn von Priestercölibat und Unlösbarkeit der Ehe hat doch auch die Hierarchie diese Macht theils verloren, theils aus Klugheit aufgegeben jene kirchliche Gesetzlichkeit durchzusetzen; es ist schon lange her, dafs in Polen denen, welche die Fasten brechen, die Zähne nicht mehr ausgebrochen werden. Dagegen ist die römische Kirche für die Masse des Volks und für alle bequeme Geister doch sehr bequem, indem sie eine vermeintlich sichere Bürgschaft für ihre Seligkeit übernimmt, wenn sie nur die kirchlichen Glaubenssatzungen, ohne sich mit Nachdenken über sie viel zu bemühn, in Bausch und Bogen gelten lassen, und einige harmlose Gebräuche vollziehn oder doch an sich vollziehn lassen. Für die meisten Menschen ist die Last der Freiheit im Reiche des Geistes schwerer zu tragen als die Last der Unfreiheit, denn es ist viel bequemer fertiggemachte Meinungen aus der Hand des Priesters und einer geheiligten Tradition unabänderlich zu empfangen, als im Heiligthum des eignen Gewissens sie unter Sorgen und Kämpfen zu erwerben. Aber geht derzeit ein katholischer Zug durch manche Winkel der protestantischen Kirche, so auch eine protestantische Neigung durch ganze katholische Völker.

Übrigens scheinen die religiösen Principe nur in ihrer Jugend rasche grofse Eroberungen zu machen. Die Gränze der Jugend ist freilich für das Unsterbliche sehr unbestimmt. Das Christenthum

war ohngefähr so alt wie jetzt die protestantische Kirche nach ihrer äufserlichen Begründung, als es zwar nicht seine persönlich werthvollsten, doch seine gröfsten Erwerbungen von welthistorischer Bedeutung gemacht hat. Indefs wie die Verhältnisse sich geschichtlich festgestellt haben, ist weniger wahrscheinlich, dafs die bestehenden protestantischen Kirchen sich durch zahlreiche Übertritte ausbreiten, und schlechte Katholiken werden nicht leicht gute Protestanten, als dafs aus der katholischen Kirche selbst sich eine neue Gestalt des Kirchenthums herausarbeite, welche, wie sie auch sich nenne, doch immer eine reformirte und in der Protestation gegen die Unfehlbarkeit der Papstkirche protestirende Kirche sein wird. Der DeutschKatholicismus, der trotz seines trivialen Inhalts und der von uns nie verkannten Unbedeutendheit seiner Führer doch in Städten einer kirchlich gemischten Bevölkerung fast alles fortrifs, was die katholische Kirche da seit Jahrhunderten gewonnen hatte, war nur die vorzeitige Fehlgeburt und Caricatur dessen, was im Schoofse der Zukunft ruht.

In den letzten Jahrzehnten war der römische Katholicismus vielmehr begünstigt durch die politische Reaction und durch eine orthodoxe Restauration innerhalb der protestantischen Kirche. Jene hielt die kirchliche Kniebeugung vor einer unbedingten Auctorität für die beste Erziehung zum Unterthanenverstande und für die sicherste Bürgschaft des stummen Gehorsams: diese, indem sie eine vor Jahrhunderten festgestellte Glaubenssatzung als unabänderliches Gesetz behauptete, nur das Althergebrachte gelten liefs und alle Macht über die Kirche wieder in die Hand der Geistlichen legen wollte, wurde fortgetrieben über die Zeit der Reformation hinaus, die zuletzt doch auch als eine Neuerung erschien, zu einer unfehlbaren Kirche und Hierarchie. Wiefern aber die Pietät zum Altväter-· lichen es doch meist nicht zu diesem folgerechten Ziele kommen liefs, zeigte sich wenigstens die Richtung als eine dem alten Lutherthum gar fremdartige Zärtlichkeit für die katholische Kirche. Aus dem Munde dieser eifrigen Lutheraner vernahmen wir Äufserungen der Art: »die katholische Mutterkirche ist die Hälfte unsers eignen Selbst, von der wir alles haben, unser von uns getrenntes Fleisch und Blut, zu der daher möglichst früh zurückzukehren unser bewufstes Streben sein mufs; die katholische Kirche stürzen hiefse den Ast abhauen, auf dem wir sitzen; wo ein römisches Institut fällt, da fällt ein Stück Christenthum.« Reaction und kirchliche Restauration fühlten sich eng verbunden in der sogenannten Solidarität conservativer

Interessen, und wenn sie gemeinsam sagten: »>das ist die letzte Frage ob Kirche oder Revolution?« so hatte diese Kirche einen starken Geruch nach Weihrauch und Unfehlbarkeit. Dieser Phantasie des englischen und des noch verschämten deutschen Puseyismus mit ihrer Traditionskirche und Amtshierarchie wollte ich nebenbei zeigen, was wir am Ziele, auf das sie losgehn, finden würden; und sie werden mir's schlechten Dank wissen.

Beide, Reaction und kirchliche Restauration, scheinen für jetzt, und doch vielleicht nur für ein sehr kurzes Jetzt, in ihren Hauptländern gebrochen. Man könnte daher sagen, es sei ungrofsmüthig zu dieser Frist, da man selbst das Krachen des päpstlichen Stuhls vernommen haben will, einen Feldzug gegen die römische Kirche zu eröffnen. Allein noch immer ist sie eine Grofsmacht. Wir haben auf religiösem Gebiete schlimmere, aber nicht mächtigere Gegner als den Katholicismus. Auch ist nicht lange her, dafs Jesuiten-Missionen in deutschen Landen umherzogen zur Pflege der Gesinnung, die einst den dreifsigjährigen Krieg angeschürt hat, und bei der religiösen Freiheit, die wir fordern, werden diese unheildrohenden Gestalten noch oft auftauchen. Das Schwert eines Buchs, wär's auch weit schärfer geschliffen und mächtiger gehandhabt, ist fern davon den tausendjährigen Baum dieser Kirche fällen zu können, wie Winfried-Bonifacius die heilige Eiche bei Hofgeismar; mag auch an jenem Baume manches innerlich hohl sein, wie eine alte Weide, die fruchtbare Erde in ihrer Höhlung trägt und noch jeden Frühling frische Blätter und Zweige treibt. Die römische Hierarchie braucht solch ein Buch nur auf ihren Index verbotner Bücher zu setzen, *) und es bleibt von Millionen unberührt, während andre Millionen es ohnedem nicht lesen, da sie gar nicht Lust haben, sich in ihrer Ruhe stören zu lassen, und noch andre Millionen Katholiken lassen es ungelesen, da sie überhaupt nicht lesen können. Aber es ist auch nur Zufall oder prästabilirte Harmonie, dafs diese Polemik, welche zunächst durch Möhler veranlafst, vor Jahren noch im Angesichte der ungekränkten weltlichen Herrlichkeit des Papstthums beschlossen wurde, eben jetzt zu Tage kommt; und es dürfte nicht befremden, dals ein protestantischer Theolog gerade am Hauptsitze der katholischen Kirche von dem Gedanken ergriffen wurde dieses Buch zu

Durch die 5. Regel des Index ist schon verboten, ohne besondre Erlaubnifs irgendeine ketzerische [genau genommen auch katholische] Controversschrift in der Landessprache zu lesen, wennauch nicht wie den Mohamedanern bei Todesstrafe.

schreiben, wie es hier begonnen, dann in der lieben gelehrten Heimath fortgeführt, endlich in diesem Frühlinge hier vollendet worden ist.

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Möhlers Symbolik *) hat einige gründliche Gegenschriften hervorgerufen, **) doch lässt sich von keiner behaupten, dafs sie, sei's unter Protestanten sei's unter Katholiken, eine dem Werke Möhlers gleiche Bedeutung erlangt habe. Hatte Möhler vorzugsweise die Lehre der Reformatoren angegriffen, so vertheidigten diese Gegenschriften, die von Baur und Marheineke schienen wenigstens zu vertheidigen, was der Protestantismus in seiner Entwicklung doch nur nach seinem religiösen Inhalte als den damals naturgemässen und berechtigten Gegensatz zu vertheidigen oder als der menschlichen Schwachheit angehörig preiszugeben hat. Diese Entwicklung des Protestantismus, auf welche als von seiner ersten, reformatorischen Gestalt verschieden ich zuweilen hinweisen mufste, ist kein unter uns allgemein anerkanntes und bestimmt formulirtes Dogmensystem: aber es ist die aus den bewegenden Grundgedanken der Reformation nothwendig hervorgegangene und auf ihnen rubende christliche Weltanschauung, in welcher die mannichfachen Richtungen protestantischer Wissenschaft und Gemeindebewusstseins zusammengefafst sind und sich der katholischen Kirche gegenüber mit sicherm Gemeingefühl verbunden wissen,***) nur dafs zwei extreme Parteiungen, die der blofsen Freiheit und die der blofsen orthodoxen Unfreiheit, obwohl auch sie noch mit unsichtbaren Banden in dieses Gemeingefühl verschlungen, doch im Begriffe stehn sich als kleine Minoritäten abzutrennen.****) Schon in der Zeit seiner Kirchengrün

*) Symbolik, oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentl. Bekenntnifsschriften. Mainz 1832. Ich habe stets citirt nach der 6. Aufl. von 1843, welche von der 5., deren vollendeten Druck der Verfasser nicht mehr erlebt hat, nicht verschieden ist.

**) F. C. Baur, der Gegensatz des Kathol. u. Prot. nach den Principien u. Hauptdogmen. Tüb. 1833. 2. Aufl. 1836. [Dagg: Möhler, Neue Untersuchungen der Lehrgegensätze. Mainz 1834. 2. Aufl. 1836.] Marheineke, Recens. der Möhl. Symbolik [aus den Jahrbüchern für wiss. Kritik]. Berl. 1833. C. Imm. Nitzsch, Eine prot. Beantwortung der Symbolik Dr. Möhlers. Hamb. 1835. Auch die letzte unvollendete Schrift von E. Sartorius, Soli Deo Gloria! Vergleichende Würdigung ev. luth. u. römisch kath. Lehre. Stuttg. 1859 ist noch ein unmittelbarer Nachklang dieser Polemik.

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***) Ein Versuch dieses begriffsmäfsig auszusprechen : Die Entwicklung des Protestantismus von K. Hase. Leipz. 1855.

****) Diese Trennung ist in Deutschland bereits geschehn in den freien

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dung hat sich der Protestantismus durch ein tragisches Verhängniss und doch auch zur Entfaltung seines reichen Inhalts in zwei grofse kirchliche Genossenschaften getrennt, und ihre Union, wie die Zeit der Entwicklung sie mit sich gebracht hat, ist von einem Theile der Kirchengenossen nicht, von einem andern Theile doch in verschiedener Weise anerkannt: aber gegenüber der römischen Kirche sind wir doch, die wenigen Halb-Katholischen ausgenommen, Alle unirt.

Ich habe im Geisterkampfe mit Möhler diesen zarten edlen Geist immer hochgeachtet. Ohnedem verbindet mich seinem Andenken eine liebe Jugenderinnerung. Wir waren zusammen in Tübingen Privatdocenten, beide voll jugendlicher Ideale und haben manchen Samstag Abend im Ballhause hinter einem Schoppen Neckarwein beisammengesessen, nicht ohne kirchliches Gefecht, von einander angezogen und abgestofsen. Er trug sich zu der Zeit noch mit Hoffnungen für seine Kirche, die er nachmals wohl aufgegeben hat. Man erzählte sich, wie unter katholischen Geistlichen sich Klage erhob über Möhlers Heterodoxie, da habe ein alter Pfarrer gesagt: »Nun, so ein junger gelehrter Herr darf wohl ein wenig anders glauben als wir Alten; er wird später auch schon darauf kommen.<< So ist es geschehn. Er würde, nachdem einmal seine Kränklichkeit ihn dem academischen Lehrstuhl entrissen hatte, jetzt ruhmvoll unter den geehrtesten Bischöfen Deutschlands stehn, wenn ihn der Herr nicht früh hinweggerufen hätte.

Ich habe viel unter Katholiken gelebt, manche gute fromme Menschen unter ihnen gefunden, und von den höchsten Würdenträgern der Kirche bis zum vereinsamten Landpfarrer manches Wohlwollende von ihnen erfahren. Mein liebster Jugendfreund ist zu dieser Kirche übergetreten und hat auch da eine würdige Bestimmung gefunden, jetzt hochverdient um Schulen und Wohlthätigkeitsanstalten Pfarrer der schönsten gothischen Kirche, welche König Ludwig erbaut hat. Es ist mir ein tiefes Leid gewesen dieser Übertritt, und doch haben wir es vermocht über den Abgrund hin, der sich dadurch zwischen uns aufthat, so oft sich's fügte, einander die Hände zu reichen und zu drücken.

Ein alter Historiker wird ohnedem die Kirche des Papstes in ihrer geschichtlichen Bedeutung nicht geringachten, und erscheint

Gemeinden einerseits, in den lutherischen Separatisten des Breslauer Oberkirchencollegiums andererseits, soweit sie beiden Theils nicht bloss durch äufsere Gewaltthat ursprünglich abgetrennt sind.

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