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Siebentes Kapitel.

Der zweite Kongress in Köln und die Entwicklung bis zur
Bischofswahl.

I. Der Kongress.

117. Auf Anregung des Münchener Centralkomitees tagte am 17. März 1872 eine Versammlung in Bonn, an welcher Delegierte aus einer Reihe von Städten aus Preussen, der Komitees zu München und Heidelberg, aus Hessen u. s. w., im Ganzen an 90 Personen teilnahmen. Zum Präsidenten wurde Ober-Reg.-Rat Wülffing aus Köln, zum Vizepräs. App.-Ger.-Rat Dr. Petri aus Wiesbaden gewählt. Man beschloss im Monat September habe ein Kongress in Köln stattzufinden, dessen örtliche Vorbereitung dem dortigen Komitee, dessen sonstige Vorbereitung diesem und dem Münchener überlassen bleibe1). In Ausführung dessen beschloss man in einer am 1. April zu Bonn gehaltenen Sitzung des Centralkomitees drei Kommissionen zu wählen: für theologisch- kanonistische, juristisch-politische Fragen, Fragen der Organisation inkl. Beschaffung der Geldmittel.

118. Das Kölner Centralkomitee schrieb mit Aufruf vom 18. August den Kongress auf die Tage des 20. bis 22. Sept. aus (Rhein. Merk. S. 324 u. ö). An dem Kongresse nahmen Teil 350 altkatholische Delegirte und zwar: 305 aus 56 Orten in Preussen, 34 aus 16 Orten in Baiern, 3 aus 3 in Baden, 7 aus 4 in Österreich, 1 aus dem Elsass 2). Dazu kamen aus Holland 5 (Erzbischof Loos von Utrecht und 4 altkath. Pfarrer), Belgien 3, Frankreich 2, England 1, Italien 1. Ausserdem waren als Gäste zu den DelegiertenSitzungen zugelassen: in Deutschland wohnende 33, aus Amerika 6, Frankreich 2, Grossbritanien 24, Italien 3, Russland 2, Schweiz 1, Ungarn 1. Unter diesen 72 befanden sich: 21 deutsche evangelische Geistliche, 1 franz. protest. (Edm. de Pressensé); 3 russische Priester; 2 englische Bischöfe: Dr. Chr. Wordsworth Bisch. von Lincoln, Dr. Browne Bisch. v. Ely; 19 anglik. Geistliche, darunter Dr. Arthur P. Stanley Dechant v. Westminster; 1 amerikan. Bischof Dr. Wittingham, Bisch. von Maryland; 3 amerikan. Geist

1) Rhein. Merk. 1872 S. 127. „Die Verhandlungen des zweiten Altkatholiken-Congresses zu Köln." Officielle Ausgabe. Köln u. Leipz. 1872. S. I. Dieser Bericht enthält alles auf den Kölner Kongress Bezügliche. Hier kann selbstredend nur das absolut Nötige mitgeteilt werden. Der Rhein. Merkur 1872 Nr. 40 ff. referiert die Stimmen der Presse, die ultramontanen Schmähungen und viele interessante nicht im Berichte vorkommende Dinge.

2) Übrigens ist das Verzeichnis nicht vollständig, da z. B. die zwei Delegierten aus Hessen fehlen.

v. Schulte, Altkatholicismus.

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liche. Unter den evangel. Laien waren Bluntschli von Heidelberg, Kurator Beseler von Bonn u. a.

Von jenen Altkatholiken, die bis dahin namentlich durch Reden u. s. w. thätig gewesen waren, fehlte keiner, es nahmen von auswärtigen teil: Dr. v. Döllinger, Dr. Cornelius, Dr. Friedrich, Dr. Huber, Dr. Knoodt, Dr. Langen (Bonn), Dr. Reusch; Dr. Michelis, Dr. Reinkens, Dr. Weber, Stumpf, Dr. Gengler, Dr. Maassen; Dr. Petri u. s. w.

Zum Präsidenten wurde ich, zum ersten Vicepräsidenten Dr. Petri, zum zweiten Dr. Cornelius gewählt. Der 20. Sept. wurde begonnen mit der Einweihung der vom Magistrate eingeräumten Rathauskapelle durch Dr. Tangermann, der zugleich die Messe celebrierte; daselbst fand auch am 21. der Morgengottesdienst statt, während am 22. (Sonntag) in der Pantaleonskirche ein feierliches Hochamt mit Predigt gehalten wurde unter Absingen der C-Dur-Messe von Beethoven. Es wurden gehalten 4 geschlossene Sitzungen, drei jedesmal über vier Stunden dauernd, und 4 öffentliche Sitzungen von je 4 Stunden; in den letztern hielten ausser mir Reden: Huber, Hasenclever, Knoodt, van Vlooten, Michelis, Dr. Winkler (Schweiz), Friedrich, Maassen, Reinkens. Die öffentlichen Sitzungen im grossen Gürzenich-Saale zählten an 4000 Teilnehmer, es war nicht ein Fleckchen unbesetzt. Der Eindruck des Kongresses war ein gewaltiger. Wo war eine Versammlung gewesen, an der ein katholischer Bischof, drei anglikanische, Geistliche der russischen, englischen, protestantischen Kirche aus Europa und Amerika, Katholiken aus ganz Deutschland, Österreich, Holland u. s. w. teil genommen hatten? Konnte deutlicher sich manifestieren, dass die altkatholische Bewegung tiefen Boden im Volke gefasst, dass auch den andern christlichen Konfessionen durch sie der Gedanke einer wahren Annäherung der christlichen Kirchen realisierbar erscheine? Dies, der Austausch der Delegierten und die Beschlüsse selbst machen die grosse Wirkung erklärlich, welche die Bewegung nach dem Kongresse genommen hat.

Die Beschlüsse des Kongresses (abgedruckt Seite 25-39) beziehen sich I. auf die Organisation der Seelsorge. Die Vorlage der theologischen Kommission des Kölner Centralkomitees wurde auf das Referat von Reusch mit einer unwesentlichen Änderung und einer Auslassung angenommen.

Die Auslassung betraf folgenden Punkt. In 12 stand als c. in der Vorlage:

,,C. Für diejenigen Katholiken, welche Bedenken tragen sollten, nach den unter a und b ausgesprochenen Grundsätzen zu handeln, wird bemerkt, dass auch nach der lediglich zur Verhütung der sog. clandestinen Ehen getroffenen Tridentinischen Verordnung zur kirchlichen Gültigkeit der Ehe nur die Erklärung des Consenses in Gegenwart

des Pfarrers und zweier Zeugen erforderlich ist und die Einsegnung der so abgeschlossenen Ehe von jedem Priester vorgenommen werden. kann, sowie dass ganz unzweifelhaft die Assistenz des Pfarrers zur kirchlichen Gültigkeit der Ehe nicht erforderlich ist, wo sie rechtswidrig verweigert wird."

Prof. Maassen beantragte Streichung, weil eine ausdrückliche Billigung der Erklärung vor dem vatikanischen Pfarrer unstatthaft sei, da die vatikan. Bischöfe und Pfarrer nicht mehr Bischöfe und Pfarrer seien; wo die Erklärung zur bürgerlichen Gültigkeit vor dem „Pfarrer" nötig sei, wie in Österreich, sei sie natürlich unpräjudizierlich; lit b. und c. könne nicht zusammen stehen; die Streichung lasse gerade die prinzipielle Frage unentschieden, ob die vatik. Pfarrer noch solche seien, die Annahme entscheide sie zu Ungunsten unserer Stellung. Ihm traten bei Tangermann, Friedrich, Petri, ich. Gegen Maassen's Antrag sprachen Stumpf, dessen Gründe Döllinger acceptierte, Helmes, Michelis, Reinkens, Reusch. Die Streichung wurde mit allen gegen 61 Stimmen beschlossen (Verhandl. Seite 54). Eine eigentlich praktische Bedeutung hat die Sache gar nicht, dort, wo Civilehe galt, auch keine prinzipielle.

Zu den 14 §§ der Vorlage wurde noch als 15. ein von mir gestellter Antrag die Bischofswahl betreffend - niemand sprach gegen die Sache, nur Wülffing wollte den Zeitpunkt der Wahl sofort durch den Kongress festgesetzt haben angenommen.

Während die ersten 14 Paragraphen eine Durchführung der zu München aufgestellten Grundsätze enthielten, lenkte der letztere die Bewegung auf das Ziel, ohne welches sie überhaupt nicht haltbar war, nämlich die Herstellung der nach katholischen Grundsätzen fundamentalen Institution des Episkopats, womit dann zugleich das verfassungsmässige Organ der Synode ermöglicht war. Es ist wohl nicht überflüssig, zu bemerken, dass keiner der drei Herren, die noch in München gegen die Gemeindebildung gesprochen, gegen diesen oder einen der vorhergehenden Punkte sprach, sondern dass Döllinger, Cornelius und Stumpf für alle 15 Paragraphen positiv gestimmt haben.

In diese sog. „Bischofs-Kommission" wurden gewählt: Prof. Dr. Friedrich, Sanitätsrat Dr. Hasenclever, Prof. Dr. Maassen, Prof. Dr. Michelis, Prof. Dr. Reusch, Prof. Dr. v. Schulte, Oberregierungsrat Wulffing.

II. Der bezüglich des Verhältnisses zu den andern Konfessionen von der theologischen Kommission, als deren Referent Reinkens auftrat, gestellte Antrag wurde einstimmig angenommen.

Zu Mitgliedern der Kommission wurden gewählt: v. Döllinger, Friedrich, Langen, Lutterbeck, Michaud, Michelis, Reinkens, Reusch, Rottels, v. Schulte. Dieselbe konstituierte

sich am 23. Sept. und wählte v. Döllinger zum Vorsitzenden, Friedrich zum Schriftführer.

Unzweifelhaft enthält dieser Beschluss den ersten greifbaren Versuch, der nicht von wenigen Personen ausgeht, eine wirkliche Annäherung der christlichen Kirche herbeizuführen.

III. Die Rechte der Altkatholiken waren von der juristischpolitischen Kommission in einem Antrage formuliert worden, dessen Verfasser, App.-Ger.-Rat Rottels ihn als Referent vertrat; er wurde mit einem vom Referenten gebilligten, vom Bezirksrichter Reuthner gestellten Zusatze zu I. 3., einstimmig angenommen.

IV. Zur Sicherung der Organisation der Bewegung hatte die Kommission einen Antrag gestellt, welcher vom Referenten C. Zohlen vertreten mit einer Abänderung angenommen wurde.

V. Der von Dr. Petri und Dr. Friedrich gestellte Antrag betreffs der Civilehe (unter IV) wurde,,fast einstimmig" angenommen, nachdem er, ursprünglich als Amendement zu den unter Nr. III aufgeführten Anträgen gestellt, zurückgezogen wurde. Insbesondere trat Maassen für denselben jetzt ein (Verhandlungen S. 108 fg.).

VI. Ein von Rechtsanwalt Schmitt ursprünglich als Amendement zu den Anträgen unter III. gestellter, dann aber als solches zurückgezogener der Referent Rottels erklärte, dass er nicht in diese Anträge passe, wohl aber als selbstständiger - Antrag (Nr. V) wurde angenommen.

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Montags den 23. September fand eine Besprechung mit den anwesenden Mitgliedern der bischöflichen Kirchen Amerikas und Englands und der russischen Kirche statt, wobei die Mitglieder der Unionskommission und andere zugegen waren. Die Verhandlungen wurden, um sie allen verständlich zu machen, teils von Döllinger in englischer, teils von mir in französischer Sprache geleitet.

Die Aufnahme, welche der Kongress in der Presse seitens der verschiedenen evangelischen Richtungen, sowie in der italienischen fand, war im ganzen eine sehr gute1). Hervorgehoben zu werden verdient insbesondere die warme Anerkennung der altkatholischen Bewegung auf der Versammlung der „Gläubigen Union" zu Halle zur Zeit des Kölner Kongresses (Merkur 1872 Seite 378, Friedberg Aktenst. die altkath. Bew. betr. S. 9) und die Adresse des „Evangelischen Bundes" aus Genf vom 30. Sept. 1872 (abgedr. Merkur S. 382 fg.) an Döllinger und mich, welche 30 Unterschriften von Schweizern, 9 aus England, 8 aus Frankreich, je 1 aus Holland, Italien und Belgien, 2 aus Amerika trägt; sie war allgemein beschlossen, konnte aber nur von den noch anwesenden unterzeichnet werden.

1) Siehe die Referate im „Deutsch. Merkur" 1872 S. 393, 397, 405 fg., 413 fg., 465 fg.

II. Die Entwicklung des Gemeindelebens vom Kölner Kongress bis zur Bischofswahl (Oktober 1872 bis Juni 1873).

120. Preussen. In Bonn wurde am 19. Januar 1873 die erste Messe in der Schlosskapelle gehalten von Prof. Knoodt, die Predigt von Prof. Reusch. Diese beiden und Prof. Langen hielten. seitdem ununterbrochen den Gottesdienst. Ein im Anfang des J. 1872 an den Kultusminister eingereichtes Gesuch um Gestattung der Mitbenutzung der Gymnasialkirche war ohne Antwort geblieben. Um aber den Gottesdienst zu ermöglichen, wandten sich die drei genannten und Prof. Hilgers an den Kurator und das evangelische Presbyterium um den Mitgebrauch der im Eigentum der Universität stehenden Schlosskapelle, welche mit Kab.-Ordre vom J. 1817 der evang. Gemeinde zum Gebrauche eingeräumt war. Nachdem das Presbyterium sich einhellig dafür ausgesprochen und der König seine Zustimmung erteilt hatte, wies der Minister Falk mit Erlass vom 24. Dez. 1872 G. 39041 in demselben heisst es:,,Ein öffentliches Interesse, welches eine ablehnende Haltung der Staatsregierung gegenüber der altkatholischen Bewegung in dortiger Stadt erfordere oder rechtfertigen würde, liegt nicht vor" — den Kurator an, im Einverständnis mit dem Presbyterium das Erforderliche vorzukehren. Es fand eine Verhandlung statt zwischen Pfarrer Krabb, Dr. Brassert und Dr. Bluhme als Delegierten des Presbyteriums und Prof. Reusch, welche zur Feststellung der Modalitäten führte. Am 10. Januar 1873 teilte der Kurator dem Senate diese Regelung mit und fügte bei: die ministerielle Verfügung behalte das Recht der Universität vor, die den Altkatholiken erteilte Vergünstigung zu jeder Zeit zu widerrufen. Das Presbyterium legte grossen Wert darauf, dass dasselbe Recht auch der Gemeinde vorbehalten würde. Ohne die Zustimmung der Gemeinde, welche sich im Besitz der Kapelle befindet, würde die Mitbenutzung derselben zu gottesdienstlichen Funktionen nicht haben eingeräumt werden können" [der König hätte das unfraglich gekonnt, so gut er die Benutzung zurücknehmen kann], woraus dann folgt, dass die Gemeinde auch befugt ist, die Konzession nur unter einer modifizierten Zeitbestimmung zu erteilen. Da nun von einem Widerrufungsrecht der Gemeinde selbstverständlich nur so lange die Rede sein kann, als sie sich im Besitz der Kapelle befindet, so erschien es für das Recht und das Interesse der Universität durchaus unpräjudizierlich, auch ein Recht der Gemeinde anzuerkennen, selbstständig die den Altkatholiken von ihrem rechtlichen Standpunkt aus erteilte Befugnis zurückzuziehen. Überdies sind beiderseits alle Rechte ausdrücklich vorbehalten" 1).

1) Über den Gottesdienst Merkur 1873 S. 14. 29.

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