nischen Dekrete kommen, oder dass sie, falls sie diese erlangen sollten, zum Aufgeben eines Kirchentums vorgehen werden, das sich auf das am 18. Juli 1870 fabrizierte Dogma stützt, muss nach menschlichem Ermessen vorläufig aufgegeben werden. Das hätte eintreffen können, wäre nach meiner Ansicht eingetreten, wenn nach dem Juli 1870 diejenigen sich an die Spitze gestellt hätten, welche Stellung und Macht hatten, die Kirche zu schützen gegen die römische Vergewaltigung, wenn die katholischen Fürsten offen mit ihrer Person eintraten und ihren Schutz der alten Religion zuwandten. Es ist nicht geschehen; die Massen werden nur gewonnen werden, wenn Ereignisse eintreten sollten, die sich heute nicht voraussehen lassen, und wenn in der altkatholischen Gemeinschaft Geistliche der Mission im Geiste und nach dem Beispiele des Apostels Paulus lebend sie hinreissen. Heute kann man auf diese zukünftige Möglichkeit seine Rechnung nicht stellen, sondern muss alles thun, um die altkatholische Gemeinschaft als den lebendigen und thätigen organischen Protest gegen die Vergewaltigung zu erhalten und zu stärken. Von diesem Gesichtspunkte aus ist nach meiner persönlichen Überzeugung der ganze Schwerpunkt zu legen auf die innerliche religiöse Erstarkung der einzelnen Gemeinschaften, welche bereits bestehen oder sich bilden werden, weil diese überall die Stützpunkte bilden müssen. Und da scheint mir viel besser zu sein, dass man die Hoffnung, durch die Ausführung des badischen und preussischen Gesetzes besondere Erfolge zu erzielen, fahren lasse. Ob man eine evangelische, staatliche oder bisher nur zum katholischen Gottesdienst benutzte Kirche erhalte, ist gleichgültig. Eine Überweisung nach dem Gesetze nützt nicht viel und Ansuchen darum wären meines Erachtens zu unterlassen. Auch scheint mir richtig zu sein, Zustände zu beheben, welche keinen Nutzen bringen. Unter den thatsächlich bestehenden Verhältnissen halte ich für das Erstarken der Gemeinschaften einzig wirksam und nötig, dass jeder Geistliche, jeder Vorstand, jeder Altkatholik an seinem Platze alles thue, was in seinen Kräften steht, um der Welt zu beweisen, dass ihm die altkatholische Sache eine Sache des Herzens, der Überzeugung und des Gewissens ist. Dazu gehört Opferfreudigkeit und Hintansetzen jeder egoistischen Rücksicht. Es haben nicht bloss die äusseren Hemnisse störend eingewirkt, es ist auch im Innern mancher Fehler begangen und gar vieles durch Passivität und die Abwesenheit wirklicher Missions thätigkeit verschuldet worden. Was den Altkatholicismus hervorgerufen hat, ihn allein halten, stark machen und zum Siege führen kann, ist die Überzeugung, die aus dem Glauben und dem Gewissen kommt. Der Abgang aller, die von diesem Beweggrunde nicht geleitet sind, schadet nach meiner Ansicht nicht, sondern wird grossen Nutzen schaffen. Die altkatho v. Schulte, Altkatholicismus. 43 lische Kirche muss sich bewusst werden, dass sie durch ein wirklich echt christliches, katholisches, kirchliches Gemeindeleben dem Ziele entgegen geht, alle zu gewinnen, welchen am Herzen liegt, die katholische Religion auf der apostolischen Grundlage rein zu erhalten. Das römische Kirchenwesen schreitet immer mehr voran in der Veräusserlichung. Der Herz-Jesu- und Marien Kultus hat bereits zu Erscheinungen in Schriften u. s. w. geführt, die an heidnische Zustände erinnern, dessen Steigerung führt zum Abgrunde; die Thatsache, dass durch päpstliches Dekret der Kirche Jesu Christi, in dem der Glaube den eingeborenen Sohn Gottes sieht, in dem Nährvater Christi, dem h. Josef, welchen die h. Schrift nur einigemale erwähnt, ein Patron gegeben wurde, der Geist, welcher sich in der päpstlichen Erhebung des Alfons Liguori zum Kirchenlehrer und in der förm lichen Erklärung der Philosophic und Theologie des Thomas von Aquino als Kirchenlehre ausprägt, steht im unlösbaren Gegensatze zur altchristlichen Anschauung; das vom Papste in feierlichster Weise verkündete Prinzip der Unversöhnlichkeit des päpstlichen Kirchentums mit dem Fortschritte und der modernen Civilisation, die feierlichste päpstliche Verdammung aller jener Grundsätze, auf denen die heutige Gesellschaft aufgebaut ist, insbesondere der Gewissens- und Glaubensfreiheit, welche die alte Kirche als Ausgangspunkt nahm, die Verdammung von Staatsgesetzen und Staatsverfassungen und der Grundsatz, dass die Kirche auch in rechtlichen Dingen über dem Staate stehe, dass die Könige, Fürsten und Völker unter dem Papste stehen1), das am 18. Juli 1870 von Pius IX. als ein von Gott geoffenbartes verkündete Dogma, dass der Papst unfehlbar alles definieren könne, was sich auf den Glauben und die Sitten bezieht, diese Grundlagen der päpstlichen Kirche führen in ihren Konsequenzen zu dem unerbittlichsten Kampfe des römischen Kirchentums mit der staatlichen Gesellschaft; die Herrschaft, welche der Aberglaube 2) erlangt hat, ist schreckenerregend. Das Resultat wird sein, dass die Masse der Gebildeten dem Unglauben und Indifferentismus, die Volksmasse dem blossen Formdienste, von dem zum Aberglauben und Unglauben nur ein Schritt ist, zugeführt wird. Die Zustände der Länder, in denen das römische Kirchentum am üppigsten blüht: Frankreich, Irland, Spanien, bieten lebendige Beläge. Indifferentismus, Aberglaube und Unglaube kommt den zerstörenden sozialen Strömungen gleicherweise zu gute. Ist einmal der Boden völlig 1) Der Syllabus vom 8. Dezember 1864 mit den darin angeführten päpstlichen Enzykliken u. s. w. enthält diese und andre damit im Zusammenhange stehenden Sätze. Meine Schrift „Die Macht der römischen Päpste" liefert die Einzelnheiten. 2) Ein Hinweis auf die Schrift von Fr. Heinr. Reusch, Die deutschen Bischöfe und der Aberglaube. Eine Denkschrift. Bonn, 1879, genügt. untergraben, so hält auch die blosse Gewalt den Verfall nicht auf. Wer nicht für den Augenblick arbeitet und dem,,après nous le déluge“ nicht huldigt, muss bei Zeiten und konsequent durch Handlungen und Einrichtungen Grundsätzen entgegen arbeiten, welche seinen eignen Untergang herbei zu führen vermögen. Handelt ein Staat in diesem Geiste, so wahrt er nur sein eigenstes Interesse. Der Altkatholicismus hat für den einen Teil der Gesellschaft die Aufgabe, das erhaltende Element zu bleiben; möge er sich dessen immer mehr bewusst werden. Seine Zeit wird kommen. Man braucht kein Prophet zu sein, um es offen auszusprechen, dass der Kampf zwischen dem Staate und der römischen Hierarchie in absehbarer Zeit viel heftiger entbrennen wird, als in den Jahren 1871 bis 1878, und zwar desto früher, je mehr die Staaten verkennen, dass falsche und gefährliche Grundsätze, welche die Massen ergreifen, zum Kampf auf Leben und Tod führen 1). Er wird zur vollen Trennung von Kirche und Staat führen. Tritt diese in den alten Staaten Europa's, insbesondere im Deutschen Reiche ein, so wird — mit der Wirkung ausserhalb dieser habe ich mich nicht zu befassen die Macht der römischen Hierarchie zerbrechen. Diese kann in den alten Staaten sich in ihrer bisherigen Stellung nur durch den Arm des Staates behaupten; wird dieser ihr mit dem Schatze der Privilegien und allen Folgen auf dem Gebiete des privaten und öffentlichen Rechts entzogen, dann fällt das auf den Papst aufgebaute Kirchentum zusammen, hört die Einheit des römischen Kirchentums auf. Je mehr die Regierungen die päpstliche Kirche und den Ultramontanismus dadurch stützen, dass sie aus politischen Beweggründen der auf die völlige Unterwerfung des Staats und die schrankenlose Beherrschung der Gesellschaft hinstrebenden hierarchischen Macht Vorschub leisten, desto sicherer, wenn auch vielleicht langsamer, wird es zu jenem Ausgange kommen. Wer nicht den Zerfall, nicht die Schwächung des Staats, sondern die Besserung innerhalb der Kirche und die Sicherung der Gesellschaft anstrebt, kann über den Weg nicht im Zweifel sein. 1) Die vom Fürsten Bismarck in der Reichstagssitzung vom 5. Dezember 1874 mitgeteilte Äusserung des Nuntius Meglia: „uns kann nichts helfen, als die Revolution", drückt die römische Hoffnung aus, durch den Zerfall zu siegen. Nachtrag zu Seite 587. (Durch Versehen ausgefallen.) 206 a. Neben der Synode als dem gesetzlichen Organ wurden Kongresse abgehalten ausser den zwei beschriebenen: in 3. Konstanz („Der vierte Altkatholiken-Kongress in Konstanz im J. 1873. Stenogr. Bericht." Konst. Konst. Verl. von Wilh. Meck 1873) vom 12. bis 14. Sept. 1873 unter dem Präsidium: v. Schulte, Prof. Cornelius, Landammann Keller von Aarau; es nahmen an den geschlossenen Sitzungen Altkatholiken teil aus Deutschland 236, Österreich-Ungarn 11, Belgien 1, Holland 3, England 2, Frankreich 2, Schweiz 27; sodann Gäste 34, aus Deutschland 12, Amerika 2, Frankreich 1, England 6, Italien 2, Russland 3, Schweden 1, Schweiz 7. Derselbe nahm die Synodal- und Gemeinde-Ordnung an. ... 4. Freiburg i. B. („Der vierte Altkatholiken-Kongress Bonn, Verl. von P. Neusser 1874) vom 6. bis 8. Sept. 1874. Präsidium: v. Schulte, Appellationsgerichtsrat Dr. Petri, Prof. Dr. Huber. 5. Breslau (Der fünfte u. s. w. Bonn daselbst) vom 22. bis 24. Sept. 1876. Präsidium: v. Schulte, Prof. Schmölders, Advokat-Anwalt Lützeler. 6. Mainz (Der sechste u. s. w. Bonn, daselbst) vom 28. bis 30. Sept. 1877. Präsidium: Schwarzmann, Präsident des badischen. Verwaltungsgerichtshofs, A.-A. Lützeler, Rechtsanw. Nidermaier. Ich war durch Krankheit an der Teilnahme verhindert. Präsidium: 7. Baden-Baden (Der siebente u. s. w. Baden-Baden. Hofbuchdr. von A. v. Hagen. 1880) vom 11. bis 14. Sept. 1880. v. Schulte, Justizrat Eilender, Oberbürgermeister Gönner. 8. Crefeld (Der achte u. s. w. Cref. Druck u. Verl. von Kramer u. Baum) vom 29. bis 31. August 1885. Präsidium: v. Schulte, R. A. Riffart, Prof. Laible. Es ist nicht unbedingt nötig, auf die Verhandlungen und Beschlüsse dieser Kongresse näher einzugehen, weil sie seit dem Freiburger für die Organisation ohne Entscheidung waren und der Raum zu näherer Erörterung fehlt. Von Gemeinden sind einzelne, insbesondere Schwetzingen, durch Ausfallen des betreffenden Blattes nicht erwähnt. Das sei hier mit dem Bemerken nachgeholt, dass die Berichte für die Synoden und das „Amtl. Kirchenblatt" stets die Angaben enthalten. Namen-, Orts-, Sach-, Wort-Verzeichnis. A. Aberglaube 674. (Die Zahlen verweisen auf die Seiten.) Aberle, Prof. 91. 96. Abgaben, kirchliche 120 f. 563 ff. Achenbach, Dr. 382. 475. 503. Acton, Lord 71. 262. 267. 339. Administratives Verfahren 452. des Klerus gegen Döllinger 205. Amerika: Beiträge aus 598. Kirche Attendorn 499. 573. Baden: evangelische Kirchen den -- evang. Kirchen von Altkath. be- Gemeinden 590. Baireuth 349. Balters weil 444. Baltzer, Prof. 98. 103. 105. 185 ff. Bardeleben, v., Oberpräs. 504 ff. Bauerband, Prof. 105. 111. 128. 153. Beckers, Prof. 189. Beckmann, Bischof 173. Begräbnis, kirchl. 624. Zahl 591. Beichtstuhl gegen Altkath benutzt Bender, Prof. 96. 103. Benennung von Geistlichen 538 ff. Berchtold, Prof. 189. 339. 430. Bernard, Pfarrer 347 ff. Beseler, G., Prof. 431. 495. - Kurator 154. 354. Beyschlag, Prof. 598. 657, Birlinger, Prof. 96. 127. Bischof: Anerkennung in Baden, Firmungen 581 ff. Stellung 577 ff. Ver. Bisping, Prof. 96. 171. |