Der Altkatholicismus. Geschichte seiner Entwicklung, inneren Gestaltung und rechtlichen Stellung in Deutschland. Aus den Akten und andern authentischen Quellen dargestellt von Dr. Joh. Friedrich von Schulte, Geheimem Justizrate und ordentlichem Professor der Rechte in Bonn. Vorwort. Zweck dieses Buches ist: eine auf Akten, andre Schriftstücke und Urkunden gestützte Darstellung der Bildung des Altkatholicismus und seiner Stellung in Deutschland zu geben, welche jeden verständnisvollen Leser, mag er altkatholisch, römisch oder evangelisch sein, in die Lage setzt, sich ein wirkliches Urteil zu bilden. Es soll für die Geschichte festgestellt werden, was geschehen ist und wie es geschehen ist. Von selbst ergab sich die durch die einzelnen Bücher und Kapitel angedeutete Scheidung. Die förmliche Gestaltung des Altkatholicismus wurde nötig und erfolgte, weil auch die deutschen Bischöfe der Konzils-Minderheit gegen ihre in Rom bekundete Überzeugung sich der von Pius IX. am 18. Juli 1870 vollbrachten Gewaltthat unterwarfen und die am alten Glauben Haltenden zu verfolgen begannen. Die in Rom bekundete Überzeugung, das auch nach dem 18. Juli fortgesetzte Halten an dieser bei verschiedenen Bischöfen, die in Rom ausgesprochenen Befürchtungen und Erklärungen, wie allmählig die Überzeugung aufgegeben wurde, wie dann verfahren wurde, ist im ersten Buche, ersten bis vierten Kapitel gezeigt worden im Zusammenhange mit den Versuchen, dieses traurige Ergebnis zu verhindern. Hierzu bedurfte es der Mitteilung der abgedruckten Briefe und Erklärungen. Soweit diese nicht bereits veröffentlicht sind, kann nichts darauf ankommen, ob diese Schriftstücke in der Absicht der Veröffentlichung gemacht sind, oder an einzelne Personen gerichtet waren. Denn die Bischöfe als solche haben weder auf dem Konzil noch überhaupt in Sachen der Religion die Stellung von Privatpersonen; die im Juli 1870 von mir angeregte Erklärung, das in gleicher Absicht in Nürnberg, Königswinter und Bonn Unternommene war selbstredend nicht begonnen, um für eine kleine Anzahl von Personen interessante heimliche Notizen zu sammeln; es handelt sich in dieser für die ganze katholische Menschheit, die Kirche, die Gesellschaft wichtigen Ange legenheit überhaupt weder um private Interessen, noch um Heimlich- ', Es war unerlässlich, die innere Berechtigung und Wahrheit der In den Kapiteln 6 bis 8 des ersten Buchs wird die Geschichte Das zweite Burh enthält die Geschichte der rechtlichen Stellung, welche der Altkatholicismus in Preussen, Baden, Hessen erlangt hat und der Behandlung, welche ihm seitens der Regierungen dieser Staaten und von Baiern und Österreich zu Teil wurde. In demselben sind zahlreiche Aktenstücke bald ganz, bald in einzelnen Stücken wörtlich abgedruckt, bald nur inhaltlich angeführt; von denselben sind meines Wissens nur die wenigen auf Seite 442, 463, 469, 473, 486, 563 stehenden schon anderwärts veröffentlicht; wo, ist regelmässig angeführt. Alle im K. 6-8 B. I und im Buch II mitgeteilten, bisher nicht veröffentlichten Aktenstücke standen mir zur Verfügung; die von altkatholischer Seite ausgegangenen, weil ich sie selbst verfasst und abgesandt habe, oder dabei thätig war, beziehungsweise deren Kenntnis erlangt habe als zweiter Vorsitzender der Synodalrepräsentanz; die anderen, soweit ich nicht selbst Empfänger war, in dieser angegebenen Eigenschaft. Da alle Aktenstücke zu meiner unmittelbaren Kenntnis kommen, bedurfte ich keiner Erlaubnis sie abzuschreiben. Keins dieser Aktenstücke ist auf Heimlichkeit berechnet. Zu der Veröffentlichung in der erfolgten Weise hielt ich mich für berechtigt aus folgenden Gründen. Nur dadurch wird es möglich, die wirkliche Entwicklung klar zu legen. So gut die Regierungen sich für berechtigt erachten, ihre diplomatischen Briefe u. s. w., Erlasse, interne amtliche Vorgänge - ein sprechendes Beispiel ist S. 535 angeführt aus Zweckmässigkeitsgründen öffentlich bekannt zu machen, mit demselben Rechte muss dies dem andern Teile gestattet sein. Ausser dem in dem Buche niedergelegten Stoffe ist noch ein reicher vorhanden, aus welchem bewiesen werden könnte, dass eine schwere Schädigung durch die Behandlung der Personen eingetreten ist. Es kann der Nachweis erbracht werden, dass altkatholische Lehrer an höheren Schulen, namentlich Gymnasien, Bewerber um andre Ämter aus dem Grunde nicht befördert oder nicht berücksichtigt wurden, weil sie Altkatholiken waren, und dass dies in einzelnen Fällen ausdrücklich erklärt wurde. Ich habe aber das diese Seite darstellende und ausgearbeite Kapitel nicht aufgenommen, weil ich das bloss Persönliche vermeiden wollte und der Ansicht bin, dass die lediglich auf das Recht gestützte Darstellung des zweiten Buchs genügt, um einerseits die Regierungen von dem Verdachte besonderen Wohlwollens für die Altkatholiken zu entlasten, andrerseits zu beweisen, dass diesen auch nicht einmal das überall voll, in manchen Fällen gar nicht geworden ist, was das Gesetz zuspricht. Aus demselben Grunde habe ich unterlassen zu zeigen, wie gegenüber dem Bischof Reinkens diejenigen Rücksichten, welche man bis 1871 überall und seit 1881 bezw. 1883 gegenüber den römischen Bischöfen |