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Träger das Christenthum (freilich nicht das zur Gestaltlosigkeit verflachte und zur Farblosigkeit verschwommene) oder für die Finsterniß, für das mit der Materie zusammengekoppelte Leben sich erkläre; mit dem Hinken zwischen beiden (so lange und so laut als duftige Blüthe hoher Lebensweisheit angepriesen) wird sich je länger desto weniger durchkommen lassen".

So sagt Hurter. Auf welche Seite er sich gestellt hat, wird aus seiner Schrift Jedem klar werden, der sie mit Aufmerksamkeit liest; klar wird Jedem werden, daß er die Würde, die der Geschichte und dem Geschichtschreiber ziemt, nicht kenne oder doch nicht bewahrt habe. Man mag es verzeihlich finden, daß er von Elisabeth, der Königin von England, sagt: "Graf Leicester reichte ihr das Hemd, wenn sie im Bette lag", denn er sette diese Stelle doch nur unter die Anmerkungen; aber was soll man denken, wenn man folgende Stelle in der Geschichtserzählung selbst liest: "Als Georg Scherer den Erzherzog 1575 auf seiner Reise nach dem Küstenlande begleitete, ward er in einem kleinen Orte mit Andern des Gefolges dem lutherischen Prädikanten in die Herberge gelegt. Mit diesem kam er darauf zu sprechen, wie Luther den Satz aufstelle: wenn die Frau ihrem Manne die eheliche Pflicht nicht gewähren wolle, folle er hiezu die Magd rufen. Scherer schlug des Hausherrn Zweifel hierüber damit nieder, daß er demselben in Luthers Schriften die entsprechende Stelle nachwies. Damit bewirkte er, daß dieser treue Schüler noch am gleichen Abend den Rath des Meisters befolgte, also, daß das Hofgesinde am frühen Morgen die Magd in unverkennbarer Andeutung des Vorgegangenen aus des Pfarrers Schlafkammer hervorgehen sah, die über der unwillkommenen Entdeckung in solche Bestürzung gerieth, daß sie sich, so lange jenes noch dort verweilte, nicht mehr blicken ließ. I. S. 552.

Hat Hurter bei dem Niederschreiben dieser Erzählung nicht gefürchtet, die keuschen Ohren und Augen der Leser zu beleidigen, oder rechnete er vielleicht anf deren Beifall? Welche sonderbare Ansicht hat Hurter von der Geschichtschreibung!

II.

Kirchenfreiheit und Kirchenherrschaft in der Geschichte.

Bon

3. C. Bluntschli.

F. Laurent, l'église et l'état; le moyen âge. Bruxelles, 1848. La réforme. Bruxelles 1860.

F. Laurent,

Etudes sur l'histoire de l'humanité. La papauté et l'empire. Bruxelles et Leipzig 1860.

Seit ungefähr zwanzig Jahren sehen wir überall in Deutschland kirchlich-politische Parteien sich bilden, welche im Stillen sich ausbreiten, einen spürbaren Einfluß auf die Gesetzgebung und auf die Praxis gewinnen und ernste Kämpfe mit dem modernen Staate wagen. Obwohl sie anfangs von der Mehrzahl der Gebildeten ignorirt und von Vielen verachtet werden, finden sie doch bald in allen Schichten der Bevölkerung Anhänger und Freunde. In den höchsten Kreisen der Höfe und der Regierungen erhalten sie mächtige Gönner.

Achtung der Neligion und kirchliche Freiheit sind die Losungsworte, die sie auf ihre Fahnen schreiben. Die Vereinsfreiheit der neueren Zeit benutzen sie in ausgedehntem Maße und mit großem Ge

schick. Sie stützen sich zugleich auf die alten Maximen und auf die neuen Grundrechte; und verstehen es, die fromme Geschäftigkeit der Frauen und den Ehrgeiz der Männer, die aufopfernde Hingebung der einen und die herrschsüchtige Berechnung der andern auf ihre Ziele hinzulenken. Ueber alle Erwartung gelingen ihnen erste Erfolge, und jeder Erfolg wird zu einer Vorstufe gesteigerter Ansprüche. Schon keimen unter ihnen Hoffnungen auf, daß die revolutionsmüden Völker ihrer Führung zufallen und der gedemüthigte Staat an sich selber verzweifelnd der Erneuerung der kirchlichen Herrschaft sich ergeben

werde.

Aehnliche Erscheinungen zeigen sich in allen deutschen Ländern, aber den höchsten Aufschwung haben diese kirchlich-politischen Parteien in den größten deutschen Staaten in den letzten Fünfzigerjahren genommen. Der König von Preußen und der Kaiser von Oesterreich schienen ihnen vorzüglich gewogen und in der Allianz mit ihnen eine Stärkung der eigenen Autorität zu suchen. Wir beobachten ihr Wachsthum in protestantischen und in katholischen Völkern; aber mächtiger und nachhaltiger erweist sich die katholisch- kirchliche, die sogenannte ultramontane Partei. Da die Reformation die alte Kirchenherrschaft gebrochen und die moderne Staatsherrschaft vorbereitet hat, so gerathen die protestantischen Parteien der Art in Widerspruch mit der Geschichte und mit den Vorbildern ihrer Confeffien, und das macht sie schwach und unsicher. Die ultramontane Partei aber der neuen Zeit kennt diesen Widerspruch nicht. Im Gegentheil: in den großen Päpsten des Mittelalters und in der früheren Weltherrschaft der katholischen Kirche findet sie das ideale Vorbild, das sie zu ihrem Streben begeistert. Der festgegliederte breite Organismus ihrer Kirche und die hergebrachten Ordensverbindungen geben ihr einen sichern Holt und weit umher reale Hülfe. Wenn sie in einem Lande ins Gedränge kommt und geschlagen wird, so darf sie auf Billigung und Unterstüßung in andern Ländern rechnen und die dortige Niederlage kann hier zu neuem Siege führen.

Ihren größten äußerlichen Triumph hat diese Partei in Desterreich gefeiert, als der Kaiser Franz Joseph mit dem Papste Pius IX. im August 1855 das Konkordat abschloß. Seitdem es eine moderne Staatenentwicklung gibt, hatte niemals der Staat sich

so demüthig, niemals so ergeben der kirchlichen Autorität gezeigt. Erst dieses folgenschwere Ereigniß wirkte wie ein derber Schlag auf die öffentliche Meinung. Nun bemerkte man, wie hoch schon die Ansprüche der kirchlich-politischen Parteien gestiegen seien, welche Macht sie bereits ergriffen haben. Man fragte sich wieder: Wo stehen, wohin gehen wir? Von diesem Augenblicke an beginnt eine Wendung. Die Restauration hatte ihren Höhepunkt erreicht und ihre Grenze ge= funden. Bis dahin schritt sie erobernd vorwärts, nun muß sie die angefochtene Stellung vertheidigen. Die Konkordate von Würtemberg und Baden mit dem heiligen Stuhl sind nur abgeschwächte und er mäßigte Nachbildungen des österreichischen Konkordats, und selbst diese matten Copien erblassen völlig und werden verworfen, sobald sie an das Sonnenlicht der öffentlichen Verhandlung gezogen und der Abstimmung der Volksvertretung unterbreitet werden.

Unzweifelhaft ist der Grundcharakter des XIX. Jahrhunderts mehr politisch als religiös. Die Rechtsideen der persönlichen und der nationalen Freiheit üben in unserer Zeit eine viel größere Gewalt über die europäischen Völker aus, als alle kirchlichen Streit. fragen, und mindestens eine eben so große, als im XVI. Jahrhundert die Lehre von der Glaubenskraft und der Gnadenwahl. Das Blut der heutigen Menschen pulsirt heftiger, wenn ihre Staatsverfassung als wenn das Dogma der Transsubstantion angegriffen wird, und sie sind rascher entschloffen, für den Ruhm ihres Vaterlandes als für die Ehre der unbefleckten Empfängniß in den Kampf zu gehen. Das Parlament findet allgemeinere Theilnahme als die Synode. Die Berichte und das Raisonement der politischen Presse haben eine viel massenhaftere Verbreitung als die Ermahnungen und Mittheilungen der kirchlichen Blätter. Auch die kleineren Fürsten und Regierungen besitzen in ihren Ländern eine so intensive Macht, daß keine Drohung der Kirchenautorität sie zu erschüttern vermag, wenn sie ihren politischen Beruf erfüllen. Die großen Entdeckungen, deren sich unsere Zeit berühmt, und die das äußere Leben der Individuen und der Völker umgestalten, gehören sämmtlich nicht der Theologie sondern der Mechanik, der Physik, der Chemie an, die wie alle Naturwissenschaften schon seit Menschenaltern der kirchlichen Bevormundung entwachsen sind. In den mannigfaltigen Werken der Geschichte und der Philo

sophie, in jeder Wissenschaft überhaupt, in der gesammten Literatur und in der Kunst ist das Bewußtsein menschlicher Geistessreiheit mit einer Stärke lebendig geworden, die keine kirchliche Macht zu überwältigen vermag. Zwar ist die Gegenwart nicht arm auch an Werken der Barmherzigkeit und religiöser Liebe und Hingebung, aber sie ist dennoch viel reicher an weltlichen Tugenden, an gemeinnüßigen Arbeiten und Opfern, an politischen Thaten. Die moderne Wissenschaft und der moderne Staat sind demnach die Hauptmächte der Neuzeit, die fortwährend in riesenhaften Verhältnissen aus dem Individualgeist und aus dem Volksleben herauswachsen und täglich weitere Gebiete durchdringen und neue Werke hervorbringen, während die Religion und die Kirche ihre Ideale in früheren Jahrhunderten erblicken und mühsam den Höhen nachstreben, die sie vormals erstiegen hatten. Es ist charakteristisch für die heutige Denkweise, daß der Papst Pius IX. so lange von den Völkern gefeiert wurde, als sie von ihm die politische Befreiung Italiens hofften, und daß er sofort unpopulär wurde, als er anfing, die politische Entwicklung seines Vaterlandes den kirchlichen Ueberlieferungen und Neigungen des Papstthums unterzuordnen.

Aber weniger noch als ein einzelner Mensch kann sich ein Volk immer nur Einer Richtung ergeben. Die Vielseitigkeit seiner Natur verlangt nach Berücksichtigung der Gegensätze, die in ihm verbunden find. Von Zeit zu Zeit tritt das Bedürfniß eines Wechsels ein von Ruhe und Bewegung, von Arbeit und Genuß, von Geistesthätigkeit und gemüthlicher Hingabe. Wenn das Volk von den politischen Aufregungen ermüdet und unbefriedigt ist von den geringen Resultaten seiner Kämpfe, wenn die Reue über seine Haltung in seinem Herzen nagt und die Angst es ergreift, wenn es das Vertrauen verloren hat auf seine Führer, und seine Hoffnung auf die Zukunft in der dunkeln Noth der Gegenwart untergegangen ist: dann ist es auch in einem politisch bewegten Jahrhundert hungrig geworden nach den Tröstungen der heiligen Religion. Von dem Segen der Kirche erwartet es dann eine reinere Befriedigung. In Gott und in dem ewigen Dingen sucht es dann einen festeren Halt und eine stärkere Zuversicht. Um deß= willen folgen auf die politischen Revolutionen regelmäßig in kurzer Zeit religiöse Reactionen. Deßhalb auch war das Wachsthum der kirchlich-politischen Parteien in Deutschland besonders stark Historische Zeitschrift V. Band.

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