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übertriebenem Scharfsinn Dinge in das Werk des Dichters hineindeuten, die er sich gleich am Eingang (§ 2) ausdrücklich verbeten hat? Ed avvegna che la sua (di Beatrice) immagine, la quale continuamente meco stava, fosse baldanza d'amore a signoreggiarmi, tuttavia era di sì nobile virtù, che nulla volta sofferse che Amore mi reggesse senza il fedele consiglio della ragione, in quelle cose là dove cotal consiglio fosse utile a udire. E però che soprastare alle passioni ed atti di tanta gioventudine pare alcuno parlare fabuloso, mi partirò da esse." Was heißt das anderes als: Es mag euch unglaublich scheinen, aber niemals hat die Vernunft meine Sinnlichkeit aufkommen lassen. Reden wir darum von einem Kampf zwischen Sinnlichkeit und Liebe nicht. Reden wir von höheren Dingen.

Einen richtigen Grundgedanken aber wird man in der Auffassung Cesareos und Azzolinas dennoch anerkennen müssen. Azzolina hat mit scharfem Auge beobachtet, wie von den einzelnen Vertretern des „neuen Stiles" fast jeder wieder in anderer Weise die Idee mit dem Körper, das Allgemeine mit dem Individuellen in seiner geliebten Herrin verbindet, wie der Eine über der symbolisierten Idee die symbolisierende Frau, der andere über dem lebendigen Weib den abstrakten Gedanken, den sie bezeichnen sollte, beinahe vergißt. Demgemäß schmecken von diesen Dichtungen die einen noch mehr nach der Erde, die anderen mehr nach den Himmeln, und man kann in diesem Sinne wohl von einer mehr oder weniger sinnlich oder übersinnlich empfundenen Dichtung im neuen Stile" reden. Derartige Unterschiede, die zweifellos vorhanden sind und von Azzolina in feine Nüancen abgestuft werden, fallen aber nicht mehr unter die Betrachtung des philosophischen Gehaltes der Dichtung; sie können nur durch ästhetische Interpretation und Einzelanalyse festgestellt werden. Mit anderen Worten: die Sinnlichkeit jener übersinnlichen Dichtung

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liegt in der Form und nicht im Inhalt. Nun kann ja freilich bei den immer flüssigen Beziehungen zwischen Form und Inhalt der Fall eintreten, daß der sinnliche Beigeschmack der Form stark genug wird, um auch den Inhalt zu ergreifen. Und auf diesem Wege kommt es dann von neuem zu einem Kampf von Sinnlichkeit und Vernunft. Damit tritt man aber auch schon aus der Dichtung des dolce stil nuovo heraus und gelangt zu Petrarca. Erst Petrarca hat mit Bewußtsein diesen zweiten Kampf von Sinnenwelt und Vernunft, von Schönheit und Reflexion zum eigentlichen Gegenstande seiner Kunst erhoben. Cino da Pistoia, der letzte Sänger des neuen Stiles, bezeichnet den Übergang.

Das Erkenntnisproblem.

Nach all dem Gesagten kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Liebesdichtung des dolce stil nuovo prinzipiell symbolisch zu deuten ist. Ich sage prinzipiell, denn überall da, wo die Frau noch keine symbolische Geltung hat, ist's noch der alte Stil. Wer diese Definition nicht festhält, wird nie zur Klarheit kommen. Nun sind die Dichter freilich selten Männer von Prinzipien, und es gibt wohl keinen einzigen Vertreter des neuen Stiles unter ihnen, der sich nicht auch im alten dann und wann gefallen hätte. Solche Ausnahmen festzustellen ist Sache der Einzelkritik. Der Literarhistoriker, dessen Gegenstand in letzter Linie immer die Form ist und nicht die Philosophie, kann darum ohne Bedenken eine weitere Definition, ja sogar die sehr weitherzige von Vittorio Cian gelten lassen: „Der stil nuovo umfaßt (ohne die Einschränkung jenes dolce, das Dante aus wohlberechtigten Opportunitätsrücksichten gesetzt hat) die ganze neue und originelle Dichtung, nicht die erotische Lyrik allein." 1

Die symbolische Wertung der Frauenminne bildet zwar die wesentliche, aber doch nicht die einzige Seite an der Dichtung des neuen Stiles. Vor allem ist die Art, wie der zu symbolisierende Gedanke von den Dichtern aufgefaßt und ausgedrückt wird, eine zweifache: eine

1 Cian, I contatti letterari italo-provenzali

S. 16.

vorwiegend verstandesmäßige und scholastische und eine vorwiegend gefühlsmäßige und mystische.

Trat man mit wissenschaftlichem Geist an die Sache heran, so ward man bald gewahr, daß das Verfahren, wonach die früheren Dichter das Entstehen der Liebe zu erklären suchten, nicht mehr genügen konnte. Man hatte ja nunmehr in der aristotelischen Psychologie und Erkenntnislehre eine Fülle neuer Werkzeuge gefunden, um der Frage auf den Leib zu rücken. Die Troubadours und die Sizilianer vermochten den Vorgang des Verliebens nur zu schildern, nicht zu erklären, wie Gaspary richtig bemerkt. Das wird nun mit einem Schlage anders. Auch hier wieder ist Guinicelli der führende Geist. Als echter Dichter nimmt er seine Zuflucht zu einem Gleichnis, und als gründlicher Denker wählt er ein solches, das zu seinem Gegenstande eine tiefere als nur bildliche Verwandtschaft hat:

Splende in la Intelligenza dello cielo

Dio creator, più ch'a 'nostri occhi il Sole:
Quella 'ntende il suo fattor oltra'l velo;

Lo ciel volgendo, a lui ubidir tôle,

E consegue al primero

Del giusto Dio beato compimento.

Così dar dovrìa il vero

La bella donna, che negli occhi splende,

Del suo gentil talento,

Chi mai di lui ubidir non sí disprende.

Das Tertium Comparationis ist hier das Erkenntnisvermögen, das in gleicher Weise in dem Liebhaber wie im Himmelsgewölbe wohnt, und der Akt des Erkennens, der in gleicher Weise bei beiden das liebende Hinstreben, den Gehorsam" erzeugt. Die früheren Dichter legten das Hauptgewicht auf die sinnliche Wahrnehmung durchs Auge, die neuen legen es auf das innere Verständnis. An Stelle der physiologischen ist die psychologische, an Stelle der sensualistischen die idealistische Erklärung von

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Erkenntnis und Minne getreten. Dasselbe bestätigt uns Guido Cavalcanti in seiner bekannten

Kanzone:

theoretischen

(Amore) Ven da veduta forma che s'intende,
Che prende nel possibile intellecto,

Come in subiecto, loco e dimoranza.

Nun war bekanntlich die Erkenntnistheorie in der Scholastik eines der strittigsten Gebiete. Besonders das Verhältnis des möglichen Verstandes (intellectus possibilis) zum tätigen (intellectus agens) hatte, da es von Aristoteles im unklaren gelassen war, zu zwei entgegengesetzten Auffassungen Anlaß gegeben.

Averroes und die Averroisten lehren1, daß der mög liche sowohl wie der tätige Verstand von der individuellen Seele des Menschen getrennt existiere. Dem Menschen eigen ist nur der sogenannte passive oder hylische Verstand, das was die Scholastiker als vis aestimativa bezeichnen und was dem Tiere in ähnlicher Weise zukommt. Der tätige Verstand aber ist getrennte Substanz: eine Universalintelligenz und zwar die niederste in dem sphärischen Stufenreiche der Intelligenzen. Sie strömt aus der Mondsphäre herab auf die Menschheit und kann darum die sublunare Intelligenz genannt werden. In der Mitte zwischen dem jedem Menschen eigenen hylischen oder passiven Verstand und dem keinem Menschen eigenen tätigen Universalverstand liegt der mögliche Verstand. Er ist kein selbständiges Prinzip, keine Substanz, er entsteht vorübergehend und gelegentlich, sooft sich im Menschen der passive mit dem aktiven Verstand zum Erkenntnisprozeß vereinigt. Mit anderen Worten: das logische und abstraktive Erkennen erfolgt nicht innen. im Gehirn des Menschen, sondern gleichsam von außen her und steht zu der individuellen Menschenseele nicht

1 Näheres und die einschlägige Literatur bei ÜberwegHeinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie, 2. Teil, 8. Aufl., Berlin 1898, S. 221 ff.

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