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Fundament dieser Theorie richtig, dann müssen in logischer Consequenz einerseits alle eingegoffenen Tugenden zu den Gaben gehören, und darf andererseits sich unter den Gaben keine einzige finden, welche nicht auch eine eingegoffene Tugend ist. Diese logischen Folgerungen stimmen aber nicht mit der positiven Traditionslehre. Denn Leztere rechnet einestheils nicht alle eingegoffenen Tugenden zu den Gaben, sondern nur sieben; und sie kennt anderntheils wenigstens Eine Gabe, welche nicht eine eingegossene Tugend ist, nämlich die Furcht. Mit Recht fordert Thomas, daß die Theorie einen genügenden Erklärungsgrund für diese beiden auffallenden Thatsachen beibringe; meint aber, daß derselben die Auffindung eines solchen unmöglich, oder wie er es mit attischer Höflichkeit ausdrückt, eine nicht kleine Schwierigkeit sein dürfte: ,sed ei remanet non minor difficultas."

Dieser Nachweis hat nun der negativen Gabentheorie den Anspruch auf weitere Beachtung entzogen und damit zugleich die Noth= wendigkeit dargethan, eine objectiv reelle Verschiedenheit zwischen Gaben und Tugenden anzunehmen. Die Wahrheit kann demnach nur auf Seiten einer affirmativen Gabentheorie liegen, das heißt einer solchen, welche einen derartigen Unterschied behauptet. Obgleich hiermit die positive Theorie in ihrer allgemeinen Tendenz als allein richtig erprobt ist, so bleibt doch die nächste Frage noch ungelöst. Wir finden uns nämlich jezt vor die weitere Frage gestellt: Was ist aber der eigentliche Unterscheidungspunkt, welcher die objective Verschiedenheit von Tugenden und Gaben begründet ?

Jm nächstfolgenden Textabschnitte theilt uns Thomas mit, daß die Anhänger der affirmativen Gabentheorie in der Antwort auf diese weitere Frage wiederum von einander abweichen, indem mehrere verschiedene Lösungen versucht worden seien. Bevor er uns mit ihnen im Einzelnen bekannt macht, spricht er über dieselben sein Gesammturtheil aus: es lautet ungünstig, aus dem Grunde, weil die von ihnen aufgestellten Unterscheidungspunkte die Bedingungen nicht erfüllen, welche das entscheidende Criterium eines genügenden Unterscheidungspunktes bilden. Er schreibt: „Unde alii dixerunt, dona a virtutibus esse distinguenda; sed non assignaverunt convenientem distinctionis causam, quae scilicet ita communis esset virtutibus, quod nullo modo donis, aut e converso."

Diese Stelle ist besonders wichtig, weil sie das Criterium

formulirt, an welchem der heilige Lehrer die Haltbarkeit der vorgeschlagenen Lösungen prüft. Damit nämlich eine Lösung unserer Frage als stichhaltig gelten könne, wird hier verlangt, daß sie einen Unterscheidungsgrund bezeichne, welcher völlig genüge (Conveniens distinctionis causa); er genüge aber nur dann, wenn einerseits das behauptete Tugendmerkmal zwar allen Tugenden gemeinsam sei, aber auf keine Weise den Gaben zukomme, und wenn andererseits der angegebene Gabencharacter sich wirklich in allen Gaben vorfinde, jedoch auf keine Weise in den Tugenden. Dieses Criterium ist nicht bloß deutlich formulirt, sondern auch den Gesezen richtigen Denkens völlig gemäß, wie jeder Logiker gerne zuge= stehen wird.

Im Folgenden führt der Aquinate die verschiedenen positiven Theorien im Einzelnen vor: zuerst gibt er jedesmal den Inhalt der Ansicht sammt ihrer Begründung; dann wendet er auf sie obiges Criterium an, und zeigt so ihre Unzulänglichkeit.

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Die erste positive Theorie. Considerantes enim aliqui, quod inter septem dona quatuor pertinent ad rationem, scilicet sapientia, scientia, intellectus et consilium, et tria ad vim appetitivam, scilicet fortitudo, pietas et timor, posuerunt quod dona perficiebant liberum arbitrium, secundum quod est facultas rationis, virtutes vero secundum quod est facultas voluntatis, quia invenerunt duas solas virtutes in ratione vel intellectu, scilicet fidem et prudentiam, alias vero in vi appetitiva vel affectiva. Oporteret autem, si haec distinctio esset conveniens, quod omnes virtutes essent in vi appetitiva, et omnia dona in ratione."

Nach der hier berichteten ersten Meinung sind sowohl Tugenden als Gaben solche Eigenschaften des Geistes, welche den freien Vernunftwillen (liberum arbitrium) zu rechtem Handeln vervollkommnen; der freie Vernunftwille wurzelt sowohl in der Vernunftpotenz als in dem Willensvermögen; der Unterscheidungspunkt wird nun darin gesucht, daß die Gaben die Vernunftpotenz, die Tugenden aber das Willensvermögen vervollkommnen sollen. Als Fundament dieser Auffassung wird angegeben, daß, wie die Namen zeigen, die meisten Gaben dem Verstande als Subject inhäriren, die meisten Tugenden dem Willen.

Wäre dieser Unterscheidungsgrund genügend, so müßten, gemäß

dem oben aufgestellten Criterium, nicht nur die meisten, sondern alle Tugenden ohne Ausnahme in dem Begehrungsvermögen, und umgekehrt alle Gaben ohne Unterschied in der Vernunftpotenz ihren wesentlichen Siz haben. Da dies aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist, so erweist sich diese Theorie als hinfällig.

Die zweite positive Theorie scheint veranlaßt worden zu sein, durch einen Ausspruch des Hl. Gregorius. Quidam vero considerantes, quod Gregorius dicit in 2 Moral. cap. 26 ante med., quod donum Spiritus sancti, quod in mente sibi subjecta format prudentiam, temperantiam, justitiam et fortitudinem, eamdem mentem munit contra singula tentamenta per septem dona, dixerunt, quod virtutes ordinantur ad bene operandum, dona vero ad resistendum tentationibus. Sed nec ista distinctio sufficit, quia etiam virtutes tentationibus resistunt inducentibus ad peccata, quae contrariantur virtutibus; unumquodque enim resistit naturaliter suo contrario; quod praecipue patet de charitate, de qua dicitur Cant. 8, 7: Aquae multae non potuerunt extinguere charitatem.“

Die hier recensirte Meinung will den Wesensunterschied darin finden, daß die Tugenden bestimmt seien für richtiges Handeln, und die Gaben für den Widerstand gegen Versuchungen. Die Stelle aus Gregor, die zu ihrer Begründung angeführt wird, beanstandet Thomas nicht, wohl aber den daraus gefolgerten Unterscheidungsgrund. Denn dieser erweist sich bei Anwendung des oben aufge= stellten Criteriums als ungenügend; was hier als charakteristisches Merkmal der Gaben bezeichnet wird, kommt ebenfalls den Tugen= den zu: auch sie sind bestimmt, den Versuchungen zur Sünde zu widerstehen, wie der Text genauer nachweist.

Die dritte positive Theorie. „Alii vero considerantes quod ista dona traduntur in Scriptura, secundum quod fuerunt in Christo, ut patet Isa. 11, dixerunt, quod virtutes ordinantur simpliciter ad bene operandum; sed dona ordinantur ad hoc, ut per ea conformemur Christo, praecipue quantum ad ea, quae passus est, quia in passione ejus praecipue hujusmodi dona resplenduerunt. Sed hoc etiam non videtur esse sufficiens, quia ipse Dominus praecipue nos inducit ad sui conformitatem secundum humilitatem et mansuetudinem, Matth. 11, 29; Discite a me, quia mitis sum et humilis corde, et

secundum charitatem, Joan. 15, 12: Diligatis invicem, sicut dilexi vos. Et hac etiam virtutes praecipue in passione Christi resplenduerunt."

Wenn der Prophet Isaias in der Stelle 11, 2 die sieben Gaben des hl. Geistes nennt, so thut er es bekanntlich in der Beschreibung des kommenden Messias: Die Gaben sind ihm besondere Merkmale Christi. Dieser Umstand wurde Veranlassung und Fundament der dritten Ansicht, welche behauptete, die Tugenden hätten ihren Zweck einfachhin in richtigem Handeln, die Gaben fänden ihre Bestimmung in unserer Gleichförmigkeit mit Christus, und zwar hauptsächlich mit dem leidenden Christus, weil sie namentlich in seinem Leiden hervorleuchteten.

Dieser Unterscheidungsgrund verräth offenbar einigen Scharfsinn; allein er kann die Anwendung des Criteriums nicht bestehen. Der Heiland selbst, so zeigen die beigebrachten Bibelstellen, fordert uns auf, uns ihm auf specielle Weise gleichförmig zu machen durch die Tugenden der Demuth, der Sanftmuth und der Liebe; und auch diese Tugenden strahlten in seinem Leiden mit erhöhtem Glanze. Was also hier als der eigentliche Wesensunterschied der Gaben bezeichnet wurde, kommt in Wirklichkeit auch den Tugenden zu.

III. Die Ansicht des hl. Thomas.

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Wir kommen jezt zum dritten und wichtigsten Theile des Corpus, in welchem der Aquinate seine eigene Theorie ausspricht, erklärt und begründet. Wir unterscheiden dabei 1. die Gewinnung des leitenden Grundgedankens und dessen spekulative Entfaltung, 2. die Anwendung der gewonnenen Säße auf die Lehre von den Gaben und Tugenden. Den leitenden Grundgedanken entnimmt Thomas der hl. Schrift: Et ideo ad distinguendum dona a virtutibus debemus sequi modum loquendi Scripturae, in qua nobis traduntur non quidem sub nomine donorum, sed magis sub nomine spirituum. Sic enim dicitur Isai. 11, 2: Requiescet super eum spiritus sapientiae et intellectus." Der hl. Lehrer richtet also seinen Blick auf dieselbe Stelle des Propheten Isaias, welche die zuleht genannte Theorie zum Ausgangspunkte ihrer Deduktionen machte, und er entdeckt den bemerkenswerthen Umstand, daß das inspirirte Buch den Gaben nicht diesen jezt traditionellen Namen beilegt, sondern die ganz verschiedene Benennung „Ge i

ster"; eben diese mit dem Ansehen des Wortes Gottes bekleidete Bezeichnung macht er nun zur Quelle aller seiner Erörterungen, wozu er sicher berechtigt ist. Denn geht aus der Beschaffenheit eines Textes der hl. Schrift klar hervor, daß vom Auktor ein ganz ungewöhnliches Gewicht auf einen darin enthaltenen Ausdruck gelegt wird, so hat dieses Wort ein Recht auf eine besonders sorgsame und genaue Berücksichtigung, da ja dies wohl immer ein sicheres Zeichen ist, daß auch die Wortauswahl unter dem speziellen Einflusse des inspirirenden Geistes Gottes getroffen wurde. Und in diesem Falle wird ein Argument aus der Redeform der hl. Schrift eine mehr als gewöhnliche Beweiskraft besißen. Die vom hl. Thomas benutzte Stelle des Isaias bietet nun auffällige Anzeichen für die Absicht des Schreibers, die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Ausdruck Geist" als die hier gewählte Benennung für die Gaben zu lenken. Denn im Texte der lateinischen Vulgata und genau so im Hebräischen wird das Wort „Geist" (spiritus, ruach) als Bezeichnung für die Gaben viermal gesezt. Die sechs ersten Gaben werden nämlich paarweise aufgeführt, und bei jedem Paare wird das Wort Geist wiederholt; die siebente Gabe aber, für welche kein Paarglied mehr übrig ist, erhält für sich allein die nun zum vierten Male wiederholte Benennung „Geist".

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Der englische Lehrer hat mithin ein theologisch ganz solides Fundament, wenn er sich berechtigt glaubt, das scripturistische Wort „Geist“, welches im Bibelterte gewiß nicht ohne Grund in so auffallender Weise als Benennung der Gaben betont und wiederholt wird, zum Ausgangspunkte und zur Stüße seiner Theorie machen zu können. Nach seiner Anschauung will das bedeutsame Bibelwort die Idee zum Ausdruck bringen, daß die sieben unter diesem Namen aufgeführten Dinge in uns sind durch göttliche Inspiration. Ex quibus verbis manifeste datur intelligi, quod ista septem enumerantur ibi, secundum quod sunt in nobis ab inspiratione divina." Im lateinischen Texte der Summa springt die logische Berechtigung dieses Schluffes bedeutend schärfer in die Augen als im Deutschen, wo wir eines völlig passenden Wortes entbehren, welches einerseits auf gleiche Weise von der Wurzel „Geist" abgeleitet ist, wie inspiratio von spiritus, und andererseits auch die ganze Bedeutung des lateinischen inspiratio besigt. Der Thomasische Originaltext hat etwas unge

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