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litik finden, durch welche er die Dinge bis zu dieser für Rom so vortheilhaften Lösung geführt habe.

Nun einen wie großen Antheil man der päpstlichen Politik und der Feigheit Johanns in unserer Frage beizumessen habe, wird sich eben dann am besten zeigen, wenn wir die Genesis des Actes in einem tieferen Zusammenhange mit den englischen Zuständen verfolgen.

Der Tag von Dover war das Resultat von Verwickelungen, die wie eine Kette ineinandergreifender Glieder die ganze Regierung Johanns erfüllen, und in welche er theils von Anfang an schon gestellt war, theils sich muthwillig stürzte. Diese Verwickelungen bestanden nicht bloß in der kirchlichen Streitfrage, sondern wurden gleichzeitig noch an zwei anderen Punkten herbeigeführt, nämlich durch den Streit mit dem Könige Philipp August von Frankreich und durch die bis zum vollen Riß sich steigernde Spannung zwischen Johann und dem englischen Volke.

1. Die Lage Englands.

Ein Reich, das einerseits die Insel Britannien andererseits den gallischen Continent umfassend, den Kanal zu beiden Seiten beherrschte; gänzliche Unterwerfung der Kirche unter den normannischenglischen Feudalstaat; schrankenlose Erhebung der Königsmacht und vollständig absolute Regierung über das gesammte Volk nach den Grundsäßen des römisch-byzantinischen Rechtes: das war das Ideal der ersten Plantagenets. Ich will gleich meinem Großvater in meinem Inselreiche König, apostolischer Legat, Patriarch, Kaiser und Alles sein," so hatte lezteres ausgesprochen der erste und zugleich größte Plantagenet, Heinrich II. (1154-89), welcher der englischen Krone einen größeren Theil von Frankreich zubrachte, als der französische König selbst im eigenen Reiche besaß. — Aber eben diesc weitausgreifende Politik des Hauses Plantagenet war es, die dasselbe mehr als einmal an den Rand des Verderbens brachte, indem sie die drei verhängnißvollen Fragen, welche der englische Thron seit Wilhelm I. sich geschaffen hatte, nämlich die kirchliche, die continentale, und die innere oder Verfassungsfrage in bedenklicher Weise verschärfte.

In Bezug auf die kirchlichen Ziele kam es noch unter Heinrich II., dem Sohne der Wittwe Kaisers Heinrich V., zum offenen Kampfe. Derselbe endete damit, daß der hochstrebende Gründer des Hauses

Plantagenet sich besiegt gab. Sein erster Nachfolger, der unruhige Richard Löwenherz (1189-99), ließ den Kampf mit der Kirche wohlweislich ruhen, stürzte sich aber in das Getriebe der continentalen Politik. Dadurch von England abgezogen und meist vom Reiche abwesend, schien er es fast nur zu besißen, um es auszusaugen. Doch wie groß die Unzufriedenheit im Innern auch war, wie sehr auch die auf die Consolidirung des Reiches nach innen zu, d. h. auf Regelung der unfertigen von Tag zu Tag unerträglicheren inneren Zustände gehende englisch- nationale Tendenz gegen ein ruheloses Ausgreifen nach Außen, oft selbst in Protesten gegen die verlangte Heerfolge über Meer, sich äußerte, zu einem offenen Kampfe gegen die Krone war es noch nicht gekommen.

Erst der dritte Plantagenet, Johann ohne Land (11991216), der, ohne groß und glänzend, wie sein Vater, ohne ritterlich und hochherzig zu sein, wie sein Bruder, an troßigem Stolze beiden gleich kam, an Rücksichtslosigkeit und Gewaltthätigkeit beide übertraf, erst dieser war es, der sich die übermenschliche Kraft zuzutrauen schien, jene drei großen Fragen zu gleicher Zeit zu lösen, unter deren einer allein sein Vater unterlegen war, in deren anderer sein Bruder wenigstens keinen Erfolg zu erringen vermocht hatte. Wenn jemals, so bedurfte der englische Thron gerade bei Johanns Regierungsantritte eines Mannes von umsichtiger Klugheit und zielbewußter Thatkraft, der mit den schwierigen Verhältnissen zu rechnen verstand, ohne der Krone etwas zu vergeben. Noch immer gab es in England zwei Völker, die sich seit der Schlacht bei Hastings nur näher kannten, um sich gegenseitig zu hassen, das angelsächsische und das normannische, jenes die unterdrückte Volksklasse, dieses der herrschende Feudal-Adel, beide aber voll Mißtrauen auf den König blickend, der, seit er aus dem Hause AnjouPlantagenet kam, weder Angelsachse noch Normanne, sondern Franzose war, und die lustigen Brüder des Poitou und der Gascogne an seinen Hof zog, wo sie die übermüthigen Günstlinge spielten. Man hatte ein zweifaches Gesetz, und der König kümmerte sich um das eine so wenig, als um das andere; in allen Klassen herrschte große Unzufriedenheit und Rathlosigkeit; man wollte Abhilfe, und selbst die normannischen Großen verlangten gleich dem Volke nach den Gesezen des letzten angelsächsichen guten Königs" Eduard (1042-66). Nicht besser waren die kirchlichen Zustände; ja sie boten

soviel Sonderbares und Verwickeltes, daß man sie wahrhaft einen gordischen Knoten nennen möchte. Hatte Wilhelm der Eroberer im Verein mit Lanfranc, ganz im Sinne Gregors VII., die vielfach unwissende und versumpfte angelsächsische Geistlichkeit von den bischöflichen Sizen verdrängt, 1) und dasselbe Verfahren bald darauf auch auf Aebte und mindere Prälaten angewendet, so mochte das für den Augenblick heilsam sein; aber es war nicht ohne bedenkliche Folgen. Nicht bloß legten sich sämmtliche normannische Könige das Recht bei, ihre Bischöfe zu ernennen; selbst der Verkauf geist= licher Stellen von Seiten der Könige wurde ganz offen betrieben, und die Verwaltung erledigter Bisthümer und Abteien wurde durch die Krone besorgt, in Folge dessen die geistlichen Pfründen oft viele Jahre unbesezt blieben; 2) die systematisch betriebene Ausbildung eines förmlichen Staatskirchenthums war im vollen Gange und durch die insulare Lage des Reiches nur erleichtert. Mochten Synoden und Investitur-Concordate (1107 und 1174) solche Mißbräuche auch abstellen, 3) mochten die Könige dergleichen Uebelstände selbst eingestehen und, wie Heinrich II. den Sagungen von Clarendon, den Eingriffen in die Freiheit der Kirche feierlich entsagen, es blieb doch alles beim Alten. 4) Nimmt man noch dazu jene Einrichtung, wonach die wichtigsten Staatsämter mit Vorliebe an Bischöfe vergeben wurden, und ebenso die Opposition selbst mancher Bischöfe

1) Coepit enim Lanfrancus, regis compatriota, praelatos Angliae pro simplicitate contemnere et idiotas vocare. Matthaei Parisii Historia minor (Rer. Brit. Scriptores n. 44) I, 14; Lingard, Gesch. Englands II, 37; Macaulay, Gesch. Englands I, 31. Die englischen Chronisten sind, wenn nicht ausdrücklich anderes bemerkt wird, durchgängig nach der neuen Ausgabe der gegenwärtig erscheinenden Rerum Britannicarum medii aevi Scriptores citirt. Dagegen war Rymers neue Edition nur im Auszuge des Syllabus zugänglich.

*) Bei Wilhelms II. Tode befanden sich 1 Erzbisthum, 4 Bisthümer und 11 Abteien in Händen des Königs, die alle verpachtet waren. Paris. min. I, 173. Unter Heinrich I. blieben die Bisthümer Norwich und Ely 3, Canterbury, Durham und Hereford gar 5 Jahre lang unbeseßt. Lingard II, 175. — Heinrich II. hatte in seinem 16. Regierungsjahre 1 Erzbisthum, 5 Bisthümer und 3 Abteien, im 19. 1 Erzbisthum, 5 Bisthümer und 6 Abteien, im 31. 1 Erzbisthum, 6 Bisthümer und 7 Abteien in Händen. Lingard II, 273.

8) Cf. Paris. min. I, 207.

4) Ibid. I, 387.

gegen das reiche, aber zum Theil auch verfallene Mönchthum, so begreift es sich leicht, daß die endliche Regelung der kirchlichen Ver= hältnisse in England zur Nothwendigkeit geworden war. Kein Wunder, wenn ihre Herbeiführung vom römischen Stuhle endlich einmal versucht wurde.

Was ferner die äußeren Verhältnisse Englands betrifft, so finden wir, daß dessen Machtstellung zur Zeit, als Johann den Thron bestieg, eher glänzend als ungünstig war; der ganze Westen Frankreichs gehörte ja zur Krone Englands; diese selbst war neben der kaiserlichen unstreitig die glänzendste Krone Europas. Indeß sie verlangte ein wachsames Auge und einen entschlossenen, kriegerischen Helden. Auf dem Throne Frankreichs saß Philipp August (1180-1223), der in seinen Kämpfen mit Richard Löwenherz bewiesen hatte, daß er mit dem festen Entschlusse König geworden sei, Frankreich groß und mächtig zu machen, sowie die Vasallenherrschaft, und besonders Englands Uebermacht auf dem Continente zu brechen.

Das war also das Erbe, das Johann antrat, als er nach Richard Löwenherz die Regierung übernahm: Im Innern Mißtrauen, Unzufriedenheit und verworrene Zustände, Krieg nach Außen. Johann war nicht der Mann, welcher solcher Lage gewachsen gewesen wäre. Schon von früher wegen seiner Verrätherei gegen Richard und seines Bündnisses mit dem Erbfeinde Philipp von der ganzen Nation verabscheut, ja sogar auf dem Reichstage zu Nottingham aller Ansprüche auf die Krone verlustig erklärt, 1) vermochte er nur mit Mühe den Weg zum Throne, nie aber zum Herzen des Volkes zu finden. Seinem ganzen Wesen nach war Johann eine niedrige und gemein angelegte Persönlichkeit, seinem Aeußern nach klein und ziemlich beleibt, in seinem ganzen Auftreten, selbst in seiner Kleidung, weniger königlich, denn wüst und derb gleich dem gemeinen Soldaten; er war ein finsterer, mißtrauischer Mann, ein stolzer, despotischer Character, ein Meister der Verstellung, der weder Achtung noch Vertrauen, geschweige denn Zuneigung einflößte und mehr auf seine Söldner und fremde Abenteurer, als auf seine Unterthanen baute. Sinnlichen Genüssen nicht bloß im Umgange mit Frauen, sondern auch in Speise und Trank bis zum Uebermaß

1) Lingard III, 5; Paris. min. II, 80; Annales de Margan (R. B. SS. n. 36) p. 24.

ergeben, war er ohne andauernde Thatkraft, leidenschaftlich und voll Unruhe, in seinen Entschlüssen ein Mann des Augenblicks, gleich seinem Vater ängstlich zitternd vor Kampf und Schlacht, aber prahlerisch in Worten und, wie alle Plantagenets, ein Meister der Rede; ein ächter Sohn seines Hauses mit allen Fehlern seines Vaters und Bruders ohne ihre Tugenden, mit allen Tendenzen seines Geschlechtes; was aber ihm besonders eigenthümlich ist: ein Mann, der unbesonnen sich Gefahren schuf, sorglos mit ihnen spielte, ja mit höhnendem Uebermuthe sich von ihnen umstricken ließ, bis er weder vor noch rückwärts konnte, und dann der Rathlosigkeit und Verzweiflung sich in die Arme warf. 1)

In die Hände dieses Königs waren nun die Geschicke Englands gelegt. Unaufhaltsam drängten jene drei brennenden Fragen ihrer Entscheidung zu. Es fragt sich, inwiefern gerade Johann selbst jene drei Krisen, in die das Haus Plantagenet theils naturgemäß gekommen war, theils freiwillig sich gestürzt hatte, zu einer raschen Entscheidung rief, so zwar, daß sie alle drei zugleich mit ihrer ganzen erdrückenden Wucht über ihn hereinbrachen und ihn zermalmten. Hauptsächlich von diesem Gesichtspunkt aus scheint uns der Schritt Johanns zu Dover beurtheilt werden zu müssen.

Kaum hatte Johann den Thron bestiegen, als Philipp von Frankreich schon den Krieg begann, und noch ehe Johann als Herzog der Normandie gekrönt war, hatte Philipp schon einen Theil derselben besezt und trat offen als Beschüßer Arthurs, des andern Kronprätendenten von England, auf. 2) Doch Johanns Sache stand jezt in Frankreich beffer, als je. Ein zahlreiches Heer war ihm zu

1) Vorstehende Characteristik gründet sich auf Johanns Regierungshandlungen, sowie auf die Angaben des ehemaligen Hofmeisters Johanns Giraldus, Coggeshale's, Coventry's u. A. Eine sehr eingehende und maßvoll gehaltene Characteristik bei Lappenberg-Pauli, Gesch. Englands III. 472-479. Vgl. Hurter, Innocenz der Dritte II, 679.

2) Paris. min. II, 79; Rogerus de Hoveden, Chronicon III. (R. B. SS. n. 58) p. 450. Arthur war der Sohn Gottfrieds von Bretagne, des älteren, 1186 verstorbenen, Bruders von Johann, und von Richard anfangs zum Thronerben eingeseßt. Wegen seiner Unmündigkeit hatte ihn seine Mutter Constanze unter Philipps Schuß gestellt. Anjou, Maine und Touraine wandten sich sogleich ihm zu.

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