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VIII. Kritik der Ansicht des hl. Thomas.

Soll die Lehre des hl. Thomas über den Wesenscharakter der Gaben sich als richtig erweisen, so ist erforderlich, daß das von ihm angegebene Wesensmerkmal der Gaben allen Gaben ohne Ausnahme, aber keiner Tugendklasse zukomme, und daß ebenso das den Tugenden beigelegte Kennzeichen sich in den Gaben nicht finde. Das ist das Kriterium, das er selbst am Anfang seiner Erörterung angak in den Worten:

,Alii dixerunt dona a virtutibus esse distinguenda; sed non assignaverunt convenientem distinctionis causam, quae scilicet ita esset communis virtutibus, quod nullo modo donis, aut e converso“.

Die Ansicht des englischen Lehrers nun kann gemäß den vorausgeschickten Untersuchungen so kurz hingestellt werden: der Gabenact kommt zu Stande durch das directe und physische Einwirken Gottes auf das mit dem Gabenhabitus ausgestattete Seelenvermögen, während die Tugendacte bewirkt werden in Folge der freien Selbstbestimmung des Menschen durch seine eigene Vernunft. Kann nun das hier aufgestellte Gabenmerkmal von keiner Tugend mit Recht beansprucht werden? Das scheint hinsichtlich der übernatürlichen Tugenden in Widerspruch zu stehen mit der katholischen Lehre von der anregenden und der mitwirkenden Gnade. Denn nach dieser regt Gott zuerst durch die unwillkürlichen Acte der gratia excitans Verstand und Willen des Menschen übernatürlich an; dadurch wenigstens moralisch bewegt, bringt dann der Mensch durch eigene freie Thätigkeit, aber zusammen mit der mitwirkenden Gnade, den übernatürlichen Tugendact hervor. Zum Zustandekommen desselben wirken also, abgesehen von dem mehr indirekten Einflusse der vorhergehenden anregenden Gnade, zwei direkt und physisch bewegende Ursachen; nämlich der Vernunftwille des Menschen und der physische Einfluß Gottes in seiner Gnade. Wie löst sich diese Schwierigkeit? Wir können selbstverständlich nicht annehmen, daß Thomas bei der Aufstellung des Gabenmerkmales die katholische Lehre von der anregenden und mitwirkenden Gnade aus dem Auge verlor; er vergaß keineswegs, daß Gott auch in den übernatürlichen Tugendacten auf physische und directe Weise mitwirkt. Wenn er also trozdem als den unterscheidenden Charakter

der Gaben dies festseßt, daß ihre Acte durch die directe und physische Bewegung Gottes hervorgebracht werden, so können und müssen wir daraus schließen, daß er damit den Gabenacten ein solches Wirken Gottes zuschreiben wollte, welches wesentlich verschieden ist von jener göttlichen Thätigkeit, die wir auch in den übernatürlichen Tugend acten finden. Da aber auf beiden Seiten das physische und unmittelbare Einfließen Gottes auf den menschlichen Act vorhanden ist, so kann die wesentliche Verschiedenheit nur in dem Verhältnisse des Wirkens Gottes zu der Thätigkeit des Menschen gesucht werden.

Bei der Tugend besteht dieses Verhältniß bekanntlich darin, daß der Mensch durch Selbstbestimmung, mit Ueberlegung und Freiheit, mit der Gnade mitwirkt; bei der Gabe also muß dieses Verhältniß ein wesentlich anderes werden, was nur dadurch ge= schehen kann, daß die Mitwirkung des Menschen, insofern sie in freier Selbstbestimmung besteht, wegfällt; daß mithin Gott der alleinige Beweger" das heißt Verursacher des Gabenactes sei, und daß folgerichtig dieser Act für den Menschen, obgleich noch immerhin vital, doch unüberlegt und unwillkürlich wird. Nur wenn wir auf diese Weise das von Thomas aufgestellte Gabenmerkmal verstehen, bleibt es ein ausschließliches Eigenthum der Gabenacte, das von keiner Tugendclasse beansprucht werden kann. Wir müssen also schließen, daß nach der Auffassung der Summa die Gabenacte unüberlegt und unwillkürlich sind.

Kann nun auch umgekehrt behauptet werden, daß der als den Tugenden wesentlich angegebene Charakter in den Gabenacten vermißt werde? Als Tugendcharakter ist von Thomas hingestellt worden, daß der Tugendact durch die vernünftige Selbstbestimmung des Menschen hervorgebracht wird. Wären nun die Gabenacte von Seite des Menschen überlegt und willkürlich und frei, dann könnte und müßte auch von ihnen ausgesagt werden, daß die eigene vernünftige Selbstbestimmung ihre Ursache ist, und so würde das angegebene Merkmal aufhören, den Tugenden allein eigenthümlich zu sein. Erst dann, wenn wir annehmen, daß die Summa die Acte der Gaben für unfrei und unwillkürlich ansehe, wird der aufgestellte Tugendcharakter in Wahrheit ein ausschließliches Eigenthum der Tugenden, und kommt den Gaben in keiner, Weise zu. Wir gelangen also wieder zum nämlichen Schlusse, nämlich daß

nach der Ansicht des hl. Lehrers die Acte der Gaben unüberlegt und unwillkürlich sind.

Thomas war sich dieser Consequenz wohl bewußt; er betrachtete die Lehre von der Unwillkürlichkeit der Gabenacte als einen wesentlichen Punkt seiner Theorie. Dies geht, wie es scheint, mit ziemlicher Gewißheit daraus hervor, daß er selbst 1. an andern Stellen der Summa genau diese Lehre mit den klarsten Worten ausspricht; 2. ausdrücklich sagt, er habe diese Lehre niedergelegt in dem uns hier vorliegenden ersten Artikel der Frage 68.

Einen Text, welcher diese beiden Punkte zugleich beweist, finden wir in 2. 2. qu. 52. a. 2. ad 1. Was den Gedankenzusammenhang dieser Stelle betrifft, so ist gemäß der Ueberschrift des Artikels Gegenstand der Untersuchung die Frage, ob die Gabe des Rathes wirklich der Tugend der Klugheit entspreche. Die erste Objection verneint dieses, und sucht das Gegentheil durch folgendes Argument darzuthun. Die Klugheit hat, nach früher Gesagtem, drei Hauptacte: berathen, beurtheilen, befehlen. Unter diesen ist der Act des Berathens der unterste. Die Gaben sind nun, so wurde bereits festgestellt, höher als die Tugenden. Da aber nach einem bekannten Axiome das Niedrigere das Höhere berührt nicht mit seinem Untersten, sondern mit seinem Obersten, so scheint gefolgert werden zu müssen, daß die der Klugheitstugend entsprechende höhere Gabe nicht Rath sein kann, sondern entweder Befehl oder doch wenigstens Urtheil. Soweit die scharfsinnige Schwierigkeit. Die Antwort lautet: „Ad primum ergo dicendum, quod judicare et praecipere non est moti, sed moventis. Et quia in donis Spiritus sancti mens humana non se habet ut movens, sed magis ut mota, ut supra dictum est articulo praec. et 1. 2. quaest. 68 art. 1, inde est, quod non fuit conveniens quod donum correspondens prudentiae praeceptum diceretur vel judicium, sed consilium, per quod potest significari motio mentis consiliatae ab alio consiliante". Der Sinn ist klar. Urtheilen und Befehlen drücken an und für sich eine Thätigkeit des Bewegenden und nicht des Bewegten aus. In den Gaben des hl. Geistes aber verhält fich der menschliche Geist nicht als das Bewegende, sondern als das Bewegte; und somit wäre es nicht passend gewesen, die der Klugheitstugend analoge Gabe Befehl oder Urtheil zu benennen.

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Mit dem Ausdruck Rath" jedoch kann auch die Bewegung eines Geistes bezeichnet werden, welcher von einem Rathgeber einen Rath empfängt und somit nur von einem Andern bewegt wird; der Name Rath paßt also für jene Gabe, welche der Tugend der Klugheit entspricht.

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In der hier von Thomas gegebenen Lösung kommt es uns hauptsächlich auf die folgenden Worte an: „In donis Spiritus sancti mens humana non se habet ut movens, magis ut mota, ut supra dictum est art. praec. et 1. 2. quaest. 68 art. 1". Durch diesen Ausspruch werden die beiden oben angegebenen Punkte bewiesen. Denn Erstens sagt der Heilige hier ausdrücklich, daß die Gabenacte nicht durch die freie Selbstbestimmung des Menschen, sondern durch die Bewegung des Hl. Geistes hervorgebracht werden. Der Wortlaut des Textes läßt keinen andern Sinn zu. Würde der Text auf das lettere affirmative Glied sich beschränken, so könnte mar allenfalls noch einigen Zweifel haben. Allein die Hinzufügung des negativen Passus: „In donis Spiritus sancti mens humana non se habet ut movens und der damit geschaffene scharfe Gegensay schließt jedes vernünftige Bedenken aus.

Derselbe Sinn wird auch gefordert von dem Zusammenhange unseres Sazes mit der ganzen Antwort auf die bezügliche Ob= jection. Der Heilige hatte gesagt: „Iudicare et praecipere non est moti, sed moventis", Urtheilen und Befehlen sind Acte der Selbstbestimmung des Menschen; da er nun diesen Acten als Gegensaß die Gabenacte gegenüberstellt, so folgt, daß er leztere nicht als Acte der menschlichen Selbstbestimmung ansieht, sondern als unüberlegt und unfreiwillig.

Wir wollen zum Vergleiche auch noch eine Stelle der Summa beibringen, in welcher ganz dieselben positiven und negativen Ausdrücke wie hier gebraucht werden zu dem unzweifelhaft sichern Zwecke, durch sie die Unwillkürlichkeit der dort berührten Acte auszusprechen. Die wichtige Stelle ist in 1. 2. qu. 111. a. 2. corp. Thomas will dort den Unterschied zwischen gratia operans und cooperans erklären, und zugleich erläutern, weshalb diese zwei Arten von Gnade die angeführte gegensägliche Benennung erhalten haben. Gratia operans ist wie bekannt die Thomasische Bezeichnung für die anregende oder zuvorkommende Gnade,

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welche wir jetzt gewöhnlich gratia excitans nennen. Es heißt nun in der citirten Stelle: In illo ergo effectu, in quo mens nostra est mota, et non movens, solus autem Deus movens, operatio Deo attribuitur, et secundum hoc dicitur gratia operans". Der ,effectus", von welchem der Text redet, ist, wie der Zusamenhang zeigt, der menschliche Act. Bei der gratia operans ist dieser Act dem Menschen unwillkürlich, weil Gott allein ihn absichtlich erregt. Diese Unwillkürlichkeit drückt nun der Heilige in den Worten aus: ,mens nostra est mota, et non movens, solus autem Deus movens". Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß diese Worte den ausdrücklichen Sinn haben sollen: der Act ist für den Menschen unwillkürlich und unüberlegt. Denn dem hier beschriebenen Acte wird im nächstfolgenden Sage als Gegentheil gegenübergestellt der Act der mitwirkenden Gnade, welcher für den Menschen überlegt und willkürlich ist, obgleich auch zu ihm Gott durch die Gnade mitwirkt; und die Willkürlichkeit dieses Actes wird beschrieben durch die Aussage: mens nostra et movet et movetur". Nichts kann also sicherer sein, als daß Thomas in den vorausgegangenen gegensätzlichen Worten die Unwillkürlichkeit jener Acte ausdrücken wollte, welche von der anregenden Gnade allein bewirkt werden.

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Sehen wir nun diesem Ausspruche den fraglichen Saz unseres Beweises zur Seite, welcher lautete: „In donis Spiritus sancti mens humana non se habet ut movens, sed magis ut mota“. Jeder sieht gleich auch ohne weitern Nachweis, daß die beiden Stellen in allem Wesentlichen identisch sind. Es findet sich freilich in dem leztern Texte statt des einfachen sed das zusammengesetzte sed magis; allein dieses ändert den Sinn nicht. Denn das dem sed beigefügte magis soll die adversative Kraft der Partikel nicht abschwächen, sondern nur noch verstärken; es ist dies ein stehender Sprachgebrauch der Summa, in welcher der lateinische Ausdruck sed magis constant dem deutschen „sondern vielmehr" entspricht, nicht aber dem etwas abgeschwächten „sondern mehr“. Beide Texte stimmen also im Wesentlichen überein und daraus muß nothwendig gefolgert werden, daß Thomas an der angezogenen Stelle 2. 2. qu. 52. a. 2. ad 1. wirklich die Unwillkürlichkeit der Gabenacte im Menschen lehren wolle.

Die genannte Stelle ist uns aber doppelt wichtig, weil außer

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