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einzumischen. Man gewahrte in dem Lehensverhältnisse Englands nur einen Bund der Krone zur Unterdrückung der Freiheit, zur Knechtung des Volkes. Als man Ludwig von Frankreich (als Gemahl der Blanca von Castilien) gegen Johann ohne Land auf den englischen Thron berief, da trat natürlich die römische Lehensherrlichkeit hiegegen auf. Die lebhaften Auseinandersetzungen, welche bei dieser Gelegenheit zwischen Rom und dem französischen Hofe über den Rechtstitel auf England zu Lyon im Frühjahre 1216 stattfanden, waren ohne Schuld des Papstes dazu angethan, die allgemeine Verwirrung und den Aerger der in Opposition gegen ihren König befindlichen englischen Barone über das Lehensverhältniß zum apostolischen Stuhle noch größer zu machen. Nicht nur in England sondern auch in Frankreich wurde jezt Sturm geläutet gegen die Abhängigkeit Englands vom Papste. Es spotteten die Franzosen in klug berechnender Weise über das „päpstliche Zinsreich", über die römische Steuerprovinz", 1) über den König, der gar kein König mehr sei, 2) und alle seine Edlen zu Aftervasallen und Hintersassen gemacht habe. Es fluchten die englischen Barone dem Könige, seiner Zweideutigkeit und seinen Ränken; sie schmähten ihn, daß er aus einem freien Könige ein zinspflichtiger Vasall ge= worden und damit sie selbst erniedrigt habe, daß er in seinem eigenen Reiche Nichts mehr bewilligen dürfe, ohne erst den Herrn in Rom gefragt zu haben; es äußerte sich der Zorn der Barone gegen den Papst, der einen solchen König vertheidigte. Und nun suchte man Alles hervor, was gegen das Lehensverhältniß vorgebracht werden konnte, nun fing man an, in dem Schritte Johanns nur erbärmliche Verzweiflung, nur abscheuliche Falschheit, nur Schimpf und Schande zu sehen, und aller seiner Verbrechen größtes ward, quod ancillaverit regnum, quod invenit liberum. 3) Solcher Weise gerieth das Lehensverhältniß in immer feindseligeren Gegensaß zunächst gegen einen großen Bestandtheil, dann gegen die allgemeinen Anschauungen der englischen Nation, um so mehr als die päpstliche

1) Cf. Guil. Britonis Phil. 9: Hoc regnum Anglorum decoravit honore, hoc generi praedulce suo decus addidit, ut sint reddere constricti Romanis rite tributum, privati sceptro cum libertatis honore (Bouquet XVII.).

2) Vgl. Paris. maj. 611.

3) Chron. Andrense 565 (Bouquet XVIII); Paris. maj. 1. c.

Oberlehensherrlichkeit noch lange den beständigen und festen Wall bildete, hinter dem die Könige immer wieder ihre absolutistischen Gelüste zu schüßen wußten.

Unter solchen Zeitverhältnissen, wo Protest über Protest reifte gegen die Geldsummen, die von England nach Rom floßen, gegen die eingerissenen kirchlichen Mißbräuche, und gegen die päpstliche Lehensherrschaft, die man (schon 1245) im Bunde mit Kaiser Friedrich II. selbst mit Gewalt brechen wollte, unter solchen Zeitverhältnissen schrieb Parisius seine Chroniken als ein Vorkämpfer dieser antipäpstlichen Bewegung. Er war gewissermaßen ein Vorläufer Wycliffs, und bildete fortan allein die authentisch geltende und überreiche Quelle auch für alle späteren Feinde der römischen Lehensherrlichkeit. Aus seinem Werke gingen die Schmähungen gegen dieselbe in die Compilationen späterer Chronisten und in die Bearbeitungen der Geschichtsschreiber über. Und so wurde und blieb das, was Johann zu Dover gethan, zu einem Monstrum gestempelt. Er stand in seinem ganzem Leben nirgends schimpflicher, erbärmlicher und verabscheuenswerther da, als damals, wo er sich Innocenz dem III. als Vasall unterwarf.

Allein bei Beurtheilung historischer Handlungen ist nicht der Maßstab späterer einseitiger Bestrebungen anzulegen. Wir müssen darauf bestehen: Damals als Johann sich so unterwarf, lag in dieser Handlung noch nicht etwas so sehr Auffallendes oder Ungewöhnliches. Es war bei dem König ein durch den Drang der Umstände gebotenes einfaches Schußsuchen bei einer Macht, die noch späterhin auch für viele andere Fürsten die lezte wirksame Zuflucht in äußerster Bedrängniß war, und deren Einfluß auf England bis dahin sicher ein sehr wohlthätiger gewesen war. Wenn auch eine Verringerung des Ansehens der englischen Krone darin lag, so hatte dieser Act doch Nichts Entehrendes oder gar Schimpfliches. Es war sogar, wenn man will, ein „patriotischer“ Act; denn nur dadurch, daß England als „Eigenthum des hl. Petrus“, und insofern als geheiligt und unantastbar hingestellt wurde, schien es unter den obwaltenden Umständen vor der Schmach bewahrt werden zu können, eine französische Provinz zu werden. 1) Es war auch ein kluger Act, 2) inpem der französische König auf ebendem1) Vgl. Pauli 470.

2) Coventry 210: Prudenter sane sibi et suis providens etc. Zeitschrift für tathol. Theologie. VI. Jahrg.

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selben Wege bekämpft wurde, auf welchem er in den Besitz von England zu kommen hoffte, als Diener und Vollstrecker der päpstlichen Befehle, und indem man nicht anstand, im Namen ebenderselben Auctorität das weiter zu behalten, was man bisher frei besaß, in deren Namen Philipp August zu erlangen sann, worauf er früher keine Rechte hatte.

Wenn daher, vielleicht mehr als gebührlich, die Verzweiflung Johanns betont wird, die allerdings seinem Charakter ganz entsprechen würde, so dürfte man doch auch noch mit ebensoviel Berechtigung als maßgebend für den Entschluß von Dover etwas Anderes hervorheben, was nicht minder Johanns Charakter ent spricht, nämlich das Streben, seinen Gegner zu überlisten. 1) Es mußte fürwahr für einen Johann ein Genuß sein, dem französischen Könige das, was er so gierig ersehnte, in dem Augenblicke, wo er gleichsam schon danach langte, unter der Hand hinwegzuziehen, ja ihn vielleicht noch obendrein in Conflict mit der Kirche zu bringen. 2)

Gewiß also, daß Johann in eine solche Zwangslage kommen konnte, das war seine Schuld; aber als er einmal in ihr sich befand, war es sicher nicht die schimpflichste und schlechteste Handlung, die er in seinem Leben verübte, daß er den Papst zu seinem Lehensherrn erklärte.

Aber wie man auch immer die Sache auffaffen mag, es ist ferner zu beachten, was ebenfalls schon Berington hervorgehoben hat: Es war nicht der König allein, der die Handlung vollzog, und den der Vorwurf träfe; es war die Unterwerfung ein authentischer Act der Nation, vollzogen nach reiflicher Ueberlegung und mit der größten Feierlichkeit. Es waren zugegen Ver treter Irlands sowohl als der Großrichter von England und überhaupt der ganze Reichsrath der Krone. Es waren anwesend alle Großen des Reiches, soweit sie sich damals nicht außer Landes befanden. Es war Zeuge das ganze unter den Waffen versammelte englische Volk. Und Alle haben wenigstens äußerlich, das Volk und jene Großen, die an der Erhaltung Johanns ein Interesse hatten, oder die, wenn sie schon Johann nicht geneigt waren, doch

1) Cf. Chron. de Melsa I, 390: Rex malens tranquilla calliditate quam militari tumultu regis Francorum apparatus in irritum revocare. *) Cf. Raynaldus 1213 Glossa: Qua arte Joannes periculum evaserit.

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soviel Patriotismus“ besaßen, um die angestammte Dynastie dem Capetinger vorzuziehen, sicher auch innerlich, dem Acte beigestimmt, in welchem man die gemeinsame Rettung aus gemeinsamer Gefahr erkannte. Man war einverstanden, weiterhin unter einem Könige zu leben, der Vasall des römischen Stuhles geworden war; denn man brach sogleich jede Verbindung mit Frankreich, wenn auch vielleicht nicht alle Hinneigung zu Frankreichs König ab. Und darum muß man mit Recht die Unterzeichner der genanten Schenkung als Repräsentanten der öffentlichen Meinung der Nation ansehen, zumal da der König ausdrücklich erklärt, diese Uebergabe geschehe communi consilio baronum, auf den allgemeinen Rath der Barone (S. 401). 1) Die Schlagwörter von der mangelnden Zustimmung der Barone" und von der Unrechtmäßigkeit und Ungiltigkeit der „durch Johann“ ge= schehenen Uebertragung des Reiches als eines Lehens an den apostolischen Stuhl erfand man freilich schon im Jahre 1216, damals als man in England um jeden Preis der weltlichen Abhängigkeit von Rom ledig zu werden, in Frankreich aber zu beweisen versuchte, daß das englische Reich kein Lehen der Kirche sei. Wenn man die Briefe Philipps II. an den Papst und Ludwigs an den Abt von Canterbury in dieser Angelegenheit liest, 2) so wird man zu= geben müssen, daß jene Schlagwörter ursprünglich von französischen Hofjuristen ausgegangen seien, daß sie aber leichtbegreiflicher Weise in England gierig aufgegriffen wurden. Wie denn auch nicht? Waren ja gerade die Wortführer der damals gegen den König und den Papst in England tobenden Bewegung Jene, welche während

1) Vgl. Cathrein, die engl. Verfassung S. 20.

*) Ersteren führt Parisius an als Antwort König Philipps von Frankreich auf die Bitte des Papstes, er möge England, da es päpstliches Lehen sei, durch seinen Sohn nicht angreifen lassen. Er lautet im Auszuge: Regnum Angliae patrimonium Petri nunquam fuit, nec est, nec erit, quia nullus rex vel princeps potest dare regnum suum sine assensu baronum suorum. (Hier konnten doch wohl nur jene Barone gemeint sein, welche während der Tage von Dover im Exile lebten). Tunc quoque, berichtet Parisius weiter, magnates omnes uno ore clamare coeperunt, quod pro isto articulo starent usque ad mortem, ne videlicet rex vel principes per solam voluntatem suam posset regnum dare vel tributarium facere, unde nobiles efficiuntur servi. Bei ihm begründet Ludwig von Frankreich sein Recht

der Tage von Dover sei es in Schottland oder in Frankreich als Flüchtlinge und Geächtete weilten; und diese konnten allerdings mit gutem Gewissen sagen, daß, was zu Dover geschehen, und was Johann auf dem Throne erhielt, ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung, ja gegen ihre eigentlichen Wünsche und Interessen geschehen sei. Und gleichwohl hatten auch sie, die Barone der Opposition, im J. 1215 nicht nur die Schritte Johanns von Dover an bis zum Homagium in St. Paul nachträglich anerkannt, sondern es sich sogar zum Verdienste angerechnet, den König dazu gedrängt zu haben, indem sie, um den Papst für sich zu gewinnen, durch ihre Vertreter in Rom erklären ließen, daß der König der Kirche und der Oberherrlichkeit des römischen Stuhles sich unterworfen habe non sponte, nec ex devotione, imo ex timore, et per eos coactus. 1) Auch zehn Jahre später wieder, als unter Honorius III. die Gemüther in England ruhiger geworden waren, erkannte man allgemein das Lehensverhältniß zum römischen Stuhle als zu Recht bestehend an, indem gegen eine neue von Rom aus postulirte kirchliche Steuer das auch von den weltlichen Großen besuchte Londoner Concil vom 13. April 1226 sich auf das Lehensverhältniß berief und auf den Zins, den jenem zufolge ohnehin das Land entrichte. ?)

Die Verbindung Englands als eines Vasallenstaates mit dem römischen Stuhle wurde, Dank der Mißregierung der Plantagenets und der dadurch hauptsächlich hervorgerufenen Unzufriedenheit einer starken englischen Partei mit Rom, nur zu einem Theile ein Glück für England. Sie hat Johann nicht dauernd gerettet und England nur eine Dynastie erhalten, an der es nichts verloren hätte. Aber sie hat eben dadurch, daß der Thron wenigstens noch eine Zeit

auf die englische Krone mit folgender merkwürdigen Argumenta tion: Johann habe das Reich ohne Zustimmung der Barone nicht an den Papst übertragen können, wohl aber habe er durch jenen Act allerdings für seine eigene Person der Krone freiwillig entsagt; es sei demnach von jenem Augenblicke an das Reich erledigt gewesen, und er somit rechtmäßig gewählt worden „ratione uxoris suae“. Man vgl. Ludwigs betreffendes Schreiben an den Abt von Canterbury bei Pauli

S. 463.

1) In dem Schreiben W. Mauclercs an Johann vom 12. Februar 1215 bei Rymer I, 184. *) Coventry II, 279.

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