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dieser Seite der Gewohnheit, wie schon oben bemerkt wurde, nur die Vergleichung mit einem Geseze an, indem sie sagen, das könne Gegenstand einer Gewohnheit sein, was Gegenstand eines Gesezes sein könne. Reiffenstuel sagt über diese Erklärung nicht ganz mit Unrecht, daß sie einen dunklen Ausdruck mit einem andern gleich dunklen zu beleuchten suche. 1) Nicht wenige Kanonisten halten die Gewohnheiten für rationabel, welche weder gegen das Naturrecht, noch gegen das positive göttliche Gesez verstoßen. Diese Begriffsbestimmung läßt jedoch in der einfachen Form, wie sie gegeben ward, eine zu laxe Auffassung zu, indem Manches, was von der Kirche ausdrücklich als Mißbrauch und Unsitte erklärt wurde, wenigstens nicht direkt gegen das Naturrecht oder das positive göttliche Gesez verstößt. Deshalb erweitern andere die zulegt gegebene Erklärung und ziehen in sie verschiedene Merkmale hinein, um eine vernunft= gemäße Gewohnheit von der irrationablen zu unterscheiden. So 3. B. sagt Reiffenstuel 2): „Ea consuetudo generatim loquendo est irrationabilis, quae vel juri naturali aut divino adversatur, vel a jure canonico reprobatur, vel peccandi licentiam aut occasionem praebet, vel alia ratione communi utilitati perniciosa est; quae vero in nullo horum deficit, censetur rationabilis. 3) Phillips sucht diese Erklärung auf einen möglichst kurzen Ausdruck zu bringen. 4) Er geht von dem Sinne aus, den das Wort ratio sehr oft in den Quellen des kanonischen Rechtes hat, nach welchem unter demselben jene höchste göttliche Vernunft zu verstehen ist, welche mit dem in dem göttlichen Geseze zu den Menschen ausgesprochenen Willen Gottes eines ist." Rationabel ist ihm darnach dasjenige, was mit dem göttlichen Geseße, welches aus der Naturordnung hervorleuchtet oder durch positive Offenbarung uns mitgetheilt ist, und mit den Principien, welche auf dem Wege vernünftiger Schlußfolgerung aus diesem göttlichen Geseze zu ents

1) Haec responsio, quamvis ceteroquin sit bona, videtur explicare rationabilitatem consuetudinis per aeque obscurum; illico enim redit quaestio, quaenam lex generatim censenda sit rationabilis. L. c. n. 33.

2) Tit. De consuetudine n. 34.

*) Vgl. Pichler, 1. c. n. 7 (oben n. 18); Schmalzgruber, 1. c. n. 7. 4) Kirchenrecht a. a. D. §. 166 S. 755 ff.

nehmen sind, übereinstimmt. Mit andern Worten, eine Gewohnheit ist dann rationabel, wenn sie dem göttlichen Geseze weder unmittelbar noch mittelbar widerspricht. Der Versuch, welchen Phillips macht, alle verschiedenen Elemente, welche Reiffenstuel und andere in ihre Erklärungen zusammengetragen, in der seinigen wiederzufinden, scheint ihm auch wirklich gelungen zu sein.

20. Das Gesagte wird genügen, um über die Gewohnheiten gegen das Konzil von Trient ein sicheres Urtheil zu ermöglichen, und es wären damit wohl auch viele derselben von dem Vorwurfe der Frrationabilität und des Mißbrauches gereinigt. Die Gefeße gegen den Konkubinat der Kleriker, welche das Tridentinum neu einschärfte und mit weiteren Strafen sanktionirte (Sig. 25 Kap. 14), richten sich gegen ein Verderbniß, gegen Uebertretung des Naturgesezes, der göttlichen und kirchlichen Gebote. Uebertretungen derselben könnten, wären sie auch noch so allgemein, den Charakter gesetzmäßiger Gewohnheiten nie annehmen. Die Residenzpflicht der Bischöfe und ordentlichen Seelsorger wurde vor dem Tridentinum mannigfach außer Acht gelassen. Wenngleich es sich nicht leicht bestimmen läßt, in wie weit diese Vernachlässigung gegen das Naturgesez, gemäß welchem man an die durch eine Art von Kontrakt übernommene Verpflichtung gebunden ist, oder gegen das göttliche Gebot, welches den Hirten befiehlt auf ihre Herde Acht zu haben, verstößt, so führte doch die damals eingerissene losere Praxis zu vielen Unordnungen, zum Verfall der Kirchendisziplin, zu einer bedenklichen Abnahme des christlichen Lebens und des katholischen Glaubens unter dem Volke. Eine rechtmäßige Gewohnheit bestand auch in dieser Hinsicht nicht, und wird sich auch, wenigstens in größerem Umfange, wohl nicht bilden können. Wenn hingegen das Trienter Konzil z. B. festgestellt hat (Sig. 22 Kap. 9), daß alljährlich dem Bischofe über die Vermögensverwaltung aller zur Diözese gehörigen auch der Kapitels-Kirchen Rechenschaft abgelegt werden soll, so ist dieses Gesetz gewiß sehr heilsam. Aber wofern etwa eine Kapitelskirche durch Präskription oder alle diese Kirchen einer Diözese durch präskribirende Gewohnheit sich das Recht erwürben, diese Rechenschaft nur bei der kanonischen Visitation, wenngleich diese seltener als jedes Jahr stattfände, abzulegen, so könnte eine solche Gewohnheit sicher noch nicht Mißbrauch genannt werden, da ja durch die Ueberwachung des Kapitels über die Vermögensverwaltung

hinreichend dem Eintritte etwaiger Uebelstände vorgebeugt ist. Dasselbe läßt sich von der Abhaltung der Diözesan- und Provinzialsynoden sagen. Sie sind allerdings, wenn sie in der rechten Weise gehalten werden, mächtige Hebel zur Aufrechterhaltung und Hebung der kirchlichen Disziplin unter dem Klerus und den Gläubigen; aber daß die Vortheile, welche die Kirche durch sie anstrebt, auf feine andere Weise können erreicht werden, und durch ihre Nichtabhaltung dem positiven Verfalle der Kirchenzucht Eingang verschafft werde, läßt sich wohl nicht behaupten. Um so weniger könnte man z. B. die Gewohnheit als Mißbrauch erklären, gemäß welcher die Synoden nicht nach Ablauf des vom Tridentinum vorgeschriebenen Termins von einem Jahr für die Diözesan-, von drei Jahren für die Provinzialsynoden, stattfänden, sondern erst nach längeren Zwischen= räumen, wie dreier Jahre für die Diözesan-, und zehn Jahre für die Provinzialsynoden. Und doch wäre die leßtere Praxis auch gegen die ausdrückliche Tridentinische Bestimmung. Es geht aus den angeführten Prinzipien hervor, daß man ganze Reihen von Trienter Dekreten angeben kann, deren Derogirung auf dem Wege der Gewohnheit oder der Präskription als Verderbniß zu bezeichnen, offenbar gegen die allgemeine und wohlbegründete Anschauung der Kirchenrechtslehre wäre. Gewiß war die ausgedehnte Exemtion vieler Kathedral- und Kollegialkapitel von der bischöflichen Jurisdiktion vor dem Tridentinum die Quelle mancher Uebelstände, aber daß einzelne Kapitel in einzelnen Punkten, in denen sie das Tridentinum wieder der Gerechtsame des Bischofs unterstellt hat, gegen diese präskribiren könnten, ohne daß die Gefahr einer Unsitte sich einstellte, läßt sich auch nicht bestreiten. Dasselbe gilt in noch höherem Grade von den religiösen Orden betreffs jener Dinge, in welchen ihre Exemtion von der bischöflichen Jurisdiktion durch das Tridentinum eingeschränkt wurde.

21. Wenngleich nun auch zugegeben werden muß, daß Mißbrauch und Verderbniß ein Gesez nie aufheben können, troßdem daß sie allgemein in einem Lande oder in einer Diözese, sogar seit unvordenklichen Zeiten sind, so verfehlen doch die Kanonisten nicht zu bemerken, daß eine und dieselbe Gepflogenheit unter gewissen Umständen Mißbrauch, unter andern löbliche Praxis sein könne. Sie stellen nämlich die Frage, ob Gebräuche, welche authentisch als Verderbnisse gebrandmarkt sind, nie Gesezeskraft erlangen können;

und antworten dann auf diese Frage, es sei das dann möglich, wenn durch die geänderten Umstände die betreffenden Gewohnheiten den Charakter eines Mißbrauches verlieren. Suarez 1) nennt diese Ansicht, indem er auf Covarruvias 2) und Sanchez ) verweiset, welche viele Auktoren citiren, eine allgemeine. Er wirft die Frage auf, ob es von der Regel, daß einem Geseze durch eine entgegenstehende Gewohnheit könne derogirt werden, auch Ausnahmen gebe. Nachdem er dann sich dahin ausgesprochen, daß nicht nur die irritirenden Geseze durch eine konträre Gewohnheit können aufgehoben werden, eine Ansicht, an welcher jezt nach der oben (S. 450) citirten Stelle des Breves Pius VII. an den Kurfürsten Karl von Dalberg über die Gewohnheit gegen das Tridentinische cap. Tametsi nicht mehr gezweifelt werden kann sondern auch jene Bestimmungen, bezüglich deren der Papst ausdrücklich die Bildung kon= trärer Gewohnheiten verboten hat, gibt er zu, daß wenn ein Gebrauch authentisch als verderblich gekennzeichnet ist, er dem Gesetze gegenüber aller Rechtskraft entbehre. Wofern jedoch, sezt er hinzu, die Umstände sich derartig ändern, daß der Mißbrauch diesen Charakter verliere, trete die allgemeine Regel wieder ein, daß eine Gewohnheit dem ihr entgegenstehenden Geseze derogiren könne. 4) Der innere Grund dieser letteren Behauptung liegt auf der Handund wird von den Kanonisten an den betreffenden Stellen gebracht. Wenn das, was als Mißbrauch verboten und aller Rechtskraft baar erklärt ist, rationable Gewohnheit, ja vielleicht sehr löbliche Praxis wird, so fällt diese eben nicht mehr unter das Verbot oder die

1) L. c. c. XIX. n. 23.

2) Variarum resolutionum 1. III. c. XIII. n. 4.

8) De matrimonis 1. VII. c. IV. n. 14: Frequens ac verissima sententia habet, quoties lex reprobat consuetudinem ut iniquam et ipsi etiam futurae derogat, posse ex nova causa induci consuetudinem adversas eam legem. Quippe nova causa tollit iniquitatem, quae inesse videbatur consuetudini eo tempore, quo lex ipsam ut iniquam reprobavit. Für diese Ansicht citirt er dann mehr als zwanzig Auktoren.

4) Saepe contingit, ut consuetudo, quae uno tempore erat rationabilis. in alio non sit; ergo idem e contrario potest contingere; ergo si id contingat in aliqua consuetudine reprobata per legem, non obstante reprobatione desineret esse irrationabilis... ergo jam tunc poterit illa lex abrogari tali consuetudine. Suarez 1. c.

authentische Erklärung, da diese nur von Mißbräuchen reden; sie fällt vielmehr unter die rationabeln Gewohnheiten, denen das cap. fin. De consuetudine die Kraft beilegt, Geseze aufzuheben, wenn sie nur in der gehörigen Weise verjährt sind.

Weisen wir die Möglichkeit einer solchen Veränderung von Umständen, die einen Mißbrauch in eine rationabele Gewohnheit umgestaltet, an einem konkreten Beispiele nach. Eine der ersten, ja die vornehmste Aufgabe der Kapitel, sowohl der Kathedral- als Kollegiatkirchen ist das gemeinschaftliche Chorgebet. Tritt hierin Nachlässigkeit ein, so leidet darunter nicht nur der öffentliche Gottesdienst, welcher durch die würdige Abbetung oder den Gesang des täglichen Offiziums und die feierliche Darbringung des heiligen Meßopfers sehr gefördert wird; es wird durch die Vernachlässigung des Chores dem Müssiggange der Kapitularen und damit den verschiedensten Uebertretungen der kirchlichen Disziplin Vorschub geleistet. Man kann es sonach als Mißbrauch bezeichnen, der das Gesetz der täglichen Verrichtung des Chorgebetes nicht aufheben kann, wenn dieses vernachlässigt wird. Wenn sich aber die Umstände so geändert haben, wie es z. B. in Deutschland betreffs der Kathedralund Metropolitankapitel durchgängig der Fall ist, daß die Kapitularen mit anderweitigen Arbeiten, wie mit der Verwaltung der umfangreichen Diözesen, welche weder vom Bischofe allein, noch von Nicht-Kapitularen mit dem wünschenswerthen Erfolge geführt werden kann, so überhäuft sind, daß die Pflicht des Chorgebetes neben diesen nicht erfüllt werden kann, so ist die Gewohnheit, je nach den Umständen einen nur geringen Theil desselben zu persolviren, wohl nicht mehr Mißbrauch zu nennen. Die Uebelstände, welche sonst durch die Vernachlässigung des Chorgebetes herbeigeführt werden, find nun nicht mehr zu befürchten; der gänzliche oder theilweise Mangel eines feierlichen Gottesdienstes, um auch diesen Umstand nicht außer Acht zu lassen, wird durch andere Vortheile aufgewogen. Demnach wäre, falls nichts anderes im Wege stünde, diese Gewohnheit fähig, das Gesez, dem sie widerspricht, außer Kraft zu seßen.

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