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windet, sich zur freien geistigen Herrscherin der alten Welt macht und neue Völker, die Begründer der mittelalterlichen Welt, mit ihrem Glauben und Leben durchdringt.

Innsbruck.

Grisar S. J.

Hinkmars von Rheims kanonistisches Gutachten über die Ehescheidung des Königs Lothar II. Von Dr. Max Sdralek. Freiburg, Herder. 1881. VI. 199 S.

Eine mit großem Fleiß und umfassender Belesenheit gearbeitete Studie über eine der bedeutendsten Schriften des Erzb. Hinkmar von Rheims. Der Ehescheidungsproceß König Lothars II. gehört überhaupt zu den lehrreichsten Thatsachen nicht blos des 9. Jahrhunderts, sondern selbst des ganzen Mittelalters, indem es sich dabei um Fragen handelte, deren Lösung nicht nur für jene Zeit, sondern auch für spätere Jahrhunderte von der größten Wichtigkeit geworden. Die Heiligkeit und Unauflöslichkeit des ehelichen Bandes, die Anerkennung der höchsten Autorität des apostolischen Stuhles in Sachen des Glaubens und der Moral, und die Stellung weltlicher Fürsten zu dieser Autorität in Allem, was das Sittengeset betrifft, kam bei jenem Processe zur Sprache und ward principiell neuerdings entschieden. Eine der meistgenannten Schriften aber, welche in der Angelegenheit Lothar's und Theutberga's erschienen, war Hinkmars Gutachten über dieselbe, oder vielmehr dessen Antwort auf 23 Fragen oder Bedenken, welche ihm bezüglich der geforderten Ehescheidung vorgelegt wurden. Nicht nur das servile und schmähliche Vorgehen der beiden Erzbischöfe von Köln und Trier und einiger anderer Bischöfe und Aebte aus dem Reiche Lothars auf den beiden Aachener Synoden von 860, auch jenes Gutachten des Erzbischofs von Rheims beweist die unentbehrliche Nothwendigkeit und das Wohlthätige einer höchsten Autorität in der Kirche. In der oben erwähnten Schrift bespricht nun der Verfasser in der Einleitung (1. Theil) die Zeit der Abfassung und Veröffentlichung des Gutachtens, die er gegen manche andere Historiker in das Jahr 860 sezt, dann die Veranlassung und Motive zur Abfassung, so wie die Bedeutung desselben, und ergeht sich zuletzt noch in einer allge= meinen Kritik der Schrift Hinkmars, die gerade nicht zu Gunsten des Rheimser Erzbischofs ausfällt: „Erstaunliche Oberflächlichkeit

in Auffassung des Rechtsinhalts seiner Autoritäten", und nicht unabsichtliche Verstümmelung einer Rechtsquelle, welche dadurch als Beleg für die vorgefaßte Rechtsansicht brauchbar gemacht wird", sind Vorwürfe, welche in der That dem Urtheile Hinkmars wenig Ehre machen, und seine Glaubwürdigkeit in kein vortheilhaftes Licht stellen (S. 20.). Es leidet aber das Gutachten auch noch an anderen Mängeln, welche wohl zum Theil auf Rechnung der Zeitverhältnisse selber kommen. Zwar hält Hinkmar die Unschuld der Gattin Lothars unentwegt aufrecht, und tritt der Behauptung der lotharischen Partei, als sei der König über Gesetz und Gericht erhaben und Gott allein Verantwortung schuldig, mit aller Entschiedenheit, und vielleicht selbst zu scharf entgegen; bezüglich der Ordalien oder Gottesurtheile aber, und bezüglich der Competenz weltlicher Gerichte in Sachen des ehelichen Bandes huldigt er Ansichten, welche wohl in den Zeit- und Ortsverhältnissen ihre Entschuldigung finden, von der Kirche jedoch als irrig zurückgewiesen worden sind. Der lothringische Adel nämlich trat der formlosen Verstoßzung der Königin entgegen und zwang Lothar, die Angelegenheit im Jahre 858 zur ordnungsmäßigen Entscheidung im Königsgericht zu bringen. Theutberga leugnete das Verbrechen, dessen sie beschuldigt wurde, und der glückliche Ausgang der Heißwasserprobe (judicium aquae ferventis) bewies die Unschuld der Königin; denn da hiebei ohne Betrug oder ohne ein Wunder eine Verlegung dessen, der im Namen der Königin die Probe bestand, erfolgen mußte, und da, worüber beide Parteien einig sind, in dem gegebenen Fall kein Betrug stattgefunden hat, so wird man, meint Dr. Sdralek, annehmen müssen, daß hier ein Wundereffect vorLiege als Zeugniß der Unschuld der Angeklagten (S. 41.). Da jedoch bei Wiederaufnahme des Processes gegen die Königin behauptet wurde, daß Gottesurtheile, als menschliche Erfindungen, bei denen durch böse Zauberkünfte oft das Unrecht die Oberhand erhält, auf keinen Glauben und keine Achtung Anspruch machen könnten..." so ward an Hinkmar auch eine Frage bezüglich der beiden gerichtlichen Beweismittel, Eid und Gottesurtheil gestellt, und die Antwort des Erzbischofs ist eine vollständige Apologie der Ordalien, und zwar „die einzige theologische Apologie, welche uns erhalten ist“ (S. 42.). Hinkmar huldigte damit den falschen Anschauungen seiner Zeit und seines Volkes.

Was dann die Competenz des weltlichen Gerichtes in Sachen der Ehe betrifft, so spricht sich zwar Hinkmar entschieden gegen eine Wiederaufnahme des lotharischen Processes aus, da die Königin durch das Gottesurtheil für immer von aller Schuld frei gesprochen sei, und verwirft mit Recht das Vorgehen der Aachener Synoden; aber er geht weiter, indem er der Synode überhaupt die Competenz in dem Eheproceß abspricht“ (S. 86.). Wir können nun dem Herrn Verfasser der angezeigten Schrift in diesem einfachen Referate nicht durch das ganze III. Capitel (S. 93-125) folgen, müffen aber gestehen, daß uns §. 25 weniger befriedigt hat. Derselbe bespricht nämlich die Stellung des Papstes Nikolaus I. zu den von Hinkmar geltend gemachten Ansichten bezüglich der Ehegerichtsbarkeit im fränkischen Reiche. „Seine Ablehnung des Civilgerichtes im Proceß Theutberga's, sagt Dr. Sdralek, ist keine principielle Verwerfung der weltlichen Gerichtsbarkeit in Ehesachen". Daß die Päpste sich oft genöthigt sahen, selbst in ihrer eigensten Rechtssphäre den Umständen und Zeitverhältnissen Rechnung zu tragen, und auch manche Nachsicht üben konnten, wo und so lange die weltliche Gesetzgebung mit der kirchlichen im Einklang stand, mag leicht zugegeben werden. S. bemerkt auch, das Vorgehen des Papstes in der Angelegenheit Lothar's laffe nicht auf eine Anerkennung der Civilgerichtsbarkeit in Eheangelegenheiten schließen. Er bekennt sich offen zu den bezüglichen Bestimmungen des Trienter Concils. Wir hätten aber gewünscht, daß die principielle Seite jenes Auftretens mit größerer Klarheit dargestellt worden wäre. Es würde überhaupt, um dies gleich hier beizufügen, das Buch Manches gewonnen haben, wenn der Verf. gewiffe theoretische Säße des Kirchenrechtes, die bei befferen Canonisten allgemein angenommen sind, mit mehr Entschiedenheit zur Beurtheilung und Sichtung seines sehr fleißig gesammelten Details verwendet hätte. So aber mangeln allzusehr die allgemeinen Gesichtspunkte des jus publicum ecclesiasticum, die doch damals nicht unbekannt waren und die schon deßhalb zur richtigen Beleuchtung der Thatsachen unentbehrlich find. Wundern muß man sich, daß S. von einer „theokratischen Universalmonarchie" Gregors VII. spricht und Nikolaus I. mit diesem Papste hinsichtlich der Grundsäße über die Kirchengewalt in Gegensat bringt (177). Die Stelle in dem 2. Abseßungsdecrete Gregors VII. gegen Heinrich IV. schreibt keineswegs dem Papste die Macht zu,

„auf Erden Kaiserthümer, Königreiche... und aller Menschen Befizungen nach Verdienst einem jeden zu nehmen und zu geben.“ Auch wich Gregor VII. nicht von der durch Lothar II. ausgesprochenen Theorie über die beiden Gewalten ab. — Es ist nicht ohne beschränkende Erklärung zuzugeben, daß noch um die Mitte des neunten Jahrhunderts die Geistlichen (im fränkischen Reiche) in Strafsachen den weltlichen Gerichten" unterstanden (98).

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Nach diesen Bemerkungen wollen wir nur noch in Kürze den Hauptinhalt der 5 Capitel geben, in welche der II. Theil der interessanten Studie zerfällt. Das 1. Capitel behandelt Lothars Eheprozeß vor dem Forum des weltlichen Gerichts a. 858" und Hinkmars Ansichten über Gottesurtheile. Das 2. Capitel trägt die Ueberschrift: Die theatralischen' Synodalgerichte zu Aachen im Jahre 860, die ersten Acte der ,tragoedia Guntharii et Theutgaudi". Die beiden in §. 12 und 14 geschilderten Scenen werfen einen dunklen Schatten. auf die Rechtspflege serviler Hofbischöfe und erfahren in §. 13 und 15 eine wohl verdiente Kritik; sie erinnern stark an verwandte Vorgänge in England unter Heinrich VIII. Im 3. Capitel wird nach Hinkmar die Frage beantwortet: „Welches Gericht ist in der Eheangelegenheit competent"? H. vertritt die Ansicht: Das Civilgericht ist auch das zur Vornahme einer eventuellen Ehescheidung competente Gericht, doch soll der Bischof darum wissen“ (§. 22), und die Geseße, nach welchen das Gericht zu verfahren hat, sollen leges christianae sein (§. 21.) „Ist Lothars Ehe mit Theutberga lösbar"? fragt das 4. Capitel. Hinkmar erklärt nun zwar, daß eine christliche und gesetzlich geschloffene Ehe unauflöslich sei, und nur eine Ehescheidung bei fortdauerndem ehelichen Bande eintreten könne entweder im Falle eines Ehebruches, oder wenn beide Gatten mit gegenseitiger Zustimmung zeitweilig oder für immer Enthaltsamkeit üben wollen. In merkwürdiger und überraschender Weise aber hält Hinkmar eine Ehe für null und nichtig, wenn einer der contrahirenden Theile vor der Ehe Incest begangen hätte, weil derselbe dadurch überhaupt das Recht verloren hat, eine legitime Ehe zu schließen (S. 133 ff.). Könnte der Theutberga ein solches Verbrechen nachgewiesen werden, so wäre die Ehe mit Lothar null und nichtig, und wenn auch Hinkmar den Umgang Lothars mit Waldrada vor ausgesprochener gerichtlicher Scheidung für Ehebruch erklärt, so gestattet er doch eine

Berehelichung mit ihr nach dem richterlichen Ausspruch und nach geleisteter Buße für den begangenen Ehebruch (§. 27.). Das 5. Capitel endlich behandelt noch „das Gutachten Hinkmars über die ihm nach dem Friedensschluß von Koblenz (Juni 860) zugegangenen, das divortium betreffenden Fragen". Ein Anhang zu diesem Capitel bespricht dann „Hinkmars Stellung zu den Erklärungsversuchen der lotharischen Ehehändel“. Ein III. Theil, der übrigens sammt einem Anhang nur 11 Seiten umfaßt, ents hält „Hinkmars Gutachten über das adulterium der Gräfin Engeltrud", der Gemahlin eines gewissen Grafen Loso und dadurch mit Hukbert und Theutberga verschwägert. Im Anhang wird „der,conventus episcoporum oder die sogenannte synodus incerti in Gallia loci, welcher Hinkmar sein Gutachten,,Quidam beato etc.* über eine die Gräfin Engeltrud betreffende Frage Günthers vorgelegt hat“, als „eine (November) Session der Synode von Toush a. 860" erklärt.

Innsbruck.

Kobler S. J.

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