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§. 37.

II. Erfordernisse: Usus

Opinio necessitatis

Irrthum.

usus, mos.

I. Usus ). Nach der Natur der Sache ist das erste Erforderniss eines Gewohnheitsrechts die wirkliche Anwendung, die Handhabung eines Satzes, Dies ist vorhanden, wenn ein Satz so zur Anwendung gelangt, dass man sagen kann, er sei im Gebrauche. Auf das Vorhandensein einer Uebung hat man also bei Beurtheilung der Frage, ob ein Gewohnheitsrecht vorliege, sein nächstes Augenmerk zu richten. Dabei ist offenbar festzuhalten, dass das Recht nicht durch die blosse Gewohnheit entsteht, diese vielmehr einerseits den Beweis für die Existenz eines Grundes bildet, ein Product der Ueberzeugung ist, andrerseits ein äusserer Grund der Ueberzeugung somit der Bildung des Gewohnheitsrechts selbst ist, dass man folglich aus der Existenz einer nachgewiesenen Gewohnheit auf das Vorhandensein des Rechtssatzes selbst schliessen müsse 2). Die Uebung eines Satzes setzt, um als Grundlage und Erkenntnissmittel des Gewohnheitsrechts zu dienen, offenbar voraus: 1) dass diejenigen Handlungen, actus, aus denen die Uebung hervorgeht, sich in ihrem Resultate als Folge einer Anschauung der Handelnden ergeben, welche auf einen innern Drang zum Handeln, eine gewisse opinio necessitatis schliessen lässt, 2) dass diese Ueberzeugung sich als die des betreffenden Kreises, als gemeinsame Rechtsanschauung ergebe. Beide Erfordernisse liegen in der Natur der Sache, sind auch bereits in der Glosse, wenngleich in falscher Auffassung, angenommen. Was die opinio necessitatis betrifft, so zeigt sich jene Ueberzeugung offenbar, sobald der Akt selbst oder die Umstände die Vermuthung oder Gewissheit hervorbringen, der Handelnde habe nicht aus Zufall, Liberalität, Connivenz, kurz aus einem Grunde gehandelt, welcher auf keine Bestimmung durch eine Ueberzeugung schliessen lässt. Es kommt hier also auf die Umstände u. s. f. an. Gewiss ist aber die rechtliche Ueber

1) Eine Widerlegung der ältern Theorie unter deren Nachweis seit der Glosse gibt für das röm. Recht Puchta a. a. O. II. S. 30-32., 33-39., 39-49., 79-93., wobei jedoch das §. 36. Anm. 55 Gesagte im Auge zu halten ist.

2) Ich brauche kaum hervorzuheben, dass ich nur auf kirchliche Gewohnheiten Rücksicht nehme. Der grosse Fehler der Aeltern liegt gerade in dem Zusammenwerfen kirchlicher und weltlicher Gewohnheiten. Dies hatte eine Uebertragung der Aussprüche der römischen Juristen, welche zumeist nur das Privatrecht im Auge haben und für das spätere römische Recht, wie die andren allgemeinen über Entstehung des Rechts aus der voluntas populi u. dergl. Redensarten sind, in einer unpassenden Abstraction zur Folge. Hieraus flossen dann manche rein theoretische Sätze, welche dem Geiste des Kirchenrechts schnurstraks widersprechen, was übrigens den Aeltern bei ihrer einmal hergebrachten Methode nicht in den Sinn kam. Man kann deshalb in der That sagen, dass praktisch kaum eine Theorie so absolut ohne allen Einfluss auf das Leben gewesen sei, als die über das Gewohnheitsrecht.

zeugung zu vermuthen 3), so dass die gegentheilige Annahme positive Anhaltspunkte in den Umständen u. s. w. erfordert. Keineswegs setzt diese Ueberzeugung voraus, dass der Handelnde geglaubt habe, er müsse so handeln; denn den Charakter der Absolutheit und Unmöglichkeit des Andersseins haben die wenigsten Rechtssätze) überhaupt, kaum aber ein gewohnheitsrechtlicher (der im Kirchenrechte dafür gilt) 3). Für das Vorhandensein dieser opinio kann die öftere Wiederholung des Aktes unter verschiedenen Umständen und aus verschiedenen Veranlassungen den besten Anhalt liefern. Zu der Vermuthung, dass diese opinio Beweggrund der Handlung war, gehört aber offenbar ein Handeln, das sich als eignes und freithätiges herausstellt. Wird ein Akt vorgenommen unter dem Einflusse äussern oder moralischen Zwanges, auf Befehl in Folge eines richterlichen Urtheiles, so kommt offenbar nicht die äussere Handlung, sondern nur jenes Motiv, nemlich die zwingende Handlung, das Urtheil u. s. f. als Akt der Uebung in Betracht ®). Fraglich ist, ob der Irrthum des Handelnden die Fähigkeit des auf ihm beruhenden Aktes, zum Nachweise des Gewohnheitsrechts zu dienen, aus

3) Dafür kann man sich wohl auf Grundsätze, wie sie reg. jur. 57. in VIto ausspricht, sowie auf die Sätze des Privatrechts rücksichtlich der Ersitzung, wie sie z. B. C. 6. 15. X. de privil. V. 33., c. 25. X. de V. S. V. 40. und andre enthalten, berufen.

4) Vgl. auch Puchta a. a. O. II. S. 36 fg.

5) Die Glosse ad c. 5. D. I. v. institutum, dann ad c. 7. D. VIII. v. »consuetudinem“, fasst diese opinio so auf: ut aliquid dicatur consuetudo, plures vices non sufficiunt, nisi institutum sit, quod illud pro consuetudine amodo servetur"; es müsse geschehen sein ,,eo animo, ut in posterum fieret etiamsi suo jure id faceret", eo animo, ut credant se jus habere, et in posterum illud intenderent facere." Denn, so folgert sie weiter, wenn auch der Richter mehrmalen etwas angenommen hat, so ist doch deshalb in Zukunft nicht ebenso zu urtheilen, quia non exemplis sed legibus est judicandum.“ Der Grund dieser falschen Auffassung liegt, wie die Worte ergeben und Puchta, der zugleich die Theorie für das Civilrecht widerlegt, bereits hervorhebt, darin, dass die Glosse Gewohnheitsrecht mit statutarischem Rechte identificirt und auf solche Art, indem die Gewohnheit auf Grund der also beschaffenen Akte als statutum tacitum erscheint, dem von ihr citirten Satze in 1. nemo 13. C. de sent. et interloc. (7. 45.) zu genügen scheint. Das ist freilich der Fall, wenn nicht der Rechtssatz in der Gewohnheit, sondern diese allein als das Verpflichtende angesehen wird. Die Theorie der Glosse wird von den Meisten festgehalten. Vgl. z. B. für die früheste Zeit Innocent. IV. h. t. in rubrica n. 4., für die spätere Pirhing n. 24. 28. u. A.

Man führt hier gewöhnlich noch weiter an, dass ohne diesen Willen eine tacita conventio populi nicht angenommen werden könne, worin sich wieder jene Theorie der Statuten deutlich zeigt. Zu begründen sucht man dies dann durch das Beispiel, dass die vom Volke ex devotione eingeführten Gewohnheiten, z. B. das Grüssen der Muttergottesbilder, Messehören an Werktagen u. s. f. nicht verpflichteten. Das ist gewiss der unstichhaltigste Grund; denn dies sind Dinge der reinen individuellen Freiheit, opera supererogationis, für deren Vornahme ein allgemeiner Rechtssatz sich ihrer Natur nach nicht bilden kann, so lange sie diesen Charakter haben.

6) Vgl. Puchta a. a. O. S. 38 fg.

schliesse). Die Glosse ) nebst den meisten Aeltern ) erklären schlechtweg gestützt auf 1. 39 D. de legibus die Abwesenheit des Irrthums für nothwendig, ohne jedoch auf die Sache näher einzugehen. Die Spätern haben durchweg folgende Theorie. Beruhen die Akte auf error oder ignorantia legis, so dass der Handelnde sich zu einer Handlung oder Unterlassung durch ein nicht existirendes Gesetz für verpflichtet hält, so kann hierdurch, weil die Akte, unfreiwillig sind, kein neues Recht (jus novum) eingeführt werden; es liegt also kein zur Herbeiführung einer consuetudo praeter legem nöthiger Wille, keine Verpflichtung zur Uebung vor, weil in Betreff der causa finalis et principalis agendi geirrt ist. Ebensowenig erzeugt ein solcher eine consuetudo contra legem. Denn weil das „Volk“ glaubt, es befolge das Gesetz, hat es nie den zu einer consuetudo contra legem nöthigen Willen, das Gesetz zu abrogiren. Eine Ausnahme lässt man aber zu für den Fall, dass der Irrthum nur die „accidentalia" betreffe, z. B. wenn das Volk nur darüber irre, dass ein bestehendes Gesetz eine Verpflichtung herbeiführe, während eine solche nicht vorliege 10). Diese Ansicht ist richtig, wenngleich der Grund falsch ist. Akte, welche beruhen auf einem Irrthum über die Existenz eines Rechtssatzes, dessen Nichtvorhandensein feststeht, sind weder Beweis eines Gewohnheitsrechtes, weil dies eben nur durch eine Uebung bewiesen wird, die sich auf einen Rechtssatz stützt, noch können sie unbedingt ein solches erzeugen, weil ihr Grund, solange der Irrthum evident ist, in der Meinung einer gesetzlichen Verpflichtung liegt. Indem jene Theorie davon ausgeht, dass durch die Gewohnheit allein der Rechtssatz werde, muss sie ihre Zuflucht nehmen zu der als falsch bewiesenen Voraussetzung, dass die Handelnden einen Rechtssatz begründen wollen. Sie dürfte consequent dem Irrthum gar keinen Einfluss einräumen; denn wenn durch die blossen Akte selbst der Rechtssatz geschaffen würde, so käme der Irrthum nicht in Betracht, weil ja trotz desselben eine Ueberzeugung vorläge und offenbar auch der Wille sich zu verpflichten 11). Ein weiterer Fehler jener Theorie liegt in der bereits gerügten Anschauung der Gewohnheit als Statut. Diese führt hier zu der freilich ihren Jüngern nicht zum Bewusstsein gekommenen Inkonsequenz, dass das Volk durch Beschluss (tacita conventio) ein Gesetz abrogiren könne. Da nun ein solches nicht vorliege, so könne sich auch eine consuetudo contra legem nicht bilden. Auch

7) S. Puchta S. 62 ff., der auf die Glosse des Corpus juris civilis und die romanistische Literatur eingeht.

8) ad c. Frustra 7. D. VIII. v. consuetudinem, „item quod non per errorem sit inducta ff. de leg. 1. quod non ratione, infra eod. c. consuetudo" [über diese 1. 39. D. de legibus s. Puchta S. 67 fg.); dasselbe ad c. ult. X. h. t. v. legitime sit praescripta.

9) Innocentius h. t. rubr. n. 4., Abbas eod. c. ult. n. 12.

10) Vgl. z. B. Laymann Jus. canon. h. t. c. ult. n. 10., Suarez de legibus l. 7. c. 12. n. 2 ff., Pirhing n. 25-26., Reiffenstuel n. 126. u. A.

11) Vgl. Puchta a. a. O. S. 67.

der zweite Punkt (die Ausnahme) jener Meinung hat einen richtigen Gedanken, denselben jedoch nicht zum klaren Bewusstsein gebracht 12). Es kann aus einer Gewohnheit ein Rechtssatz sich bilden, obwohl ihr Anfangs ein Irrthum zu Grunde lag. So lange freilich dieser Irrthum als solcher (z. B. dass ein Gesetz existire, dass ein existirendes Gesetz Etwas gebiete) Grund der Uebung ist, wird diese niemals Ausdruck eines Rechtssatzes. Aber was irr thümlich als Rechtssatz anfänglich angenommen wurde, das kann sich ja im Verlaufe als nützlich oder unter bestimmten Verhältnissen nothwendig herausstellen. Wird es nun deshalb geübt, so wird das Bewusstsein des Irrthums fortfallen, jedenfalls nicht in Betracht kommen, durch die Uebung also ein Rechtssatz sich bilden, der seine Kraft in der Natur des Rechts überhaupt findet und durch die Gewohnheit bethätigt 13).

II. Nunmehr erübrigt noch die Doppelfrage: wie viele Akte sind erforderlich, denen die geschilderte Beschaffenheit zukommt und von welchen Personen müssen sie geübt werden? genügen alle Akte unter der angegebenen Voraussetzung, oder müssen sie auch bestimmte äussere Merkmale an sich tragen?

Was die Anzahl der Akte betrifft 14), so hält die ältere Schule 15) zwei für genügend, wenn sie entweder in richterlichen Akten (sei es in Urtheilen oder Zurückweisungen von die Gewohnheit bestreitenden Anträgen) bestehen oder doch solche seien, in denen der Wille des Volks, eine Gewohnheit zu schaffen, sich ausspreche. Andre nehmen auch einen, wenn er lange Zeit hindurch fortgesetzt sei und diese Erfordernisse besitze, für genügend an 16). Bei

12) Vgl. Puchta a. a. O. S. 68 ff., der diesen Punkt zuerst erörtert und an Beispielen für das Civilrecht nachweist.

13) Ein solcher Irrthum liegt z. B. offenbar vor bei dem in §. 18. sub VI. dargestellten Satze, dass die päpstlichen Gesetze unter gewissen Voraussetzungen erst zwei Monate nach der Publikation unbedingt verpflichten; aber der Satz selbst ist vernünftig, weil ein fester Termin besser ist als vage Präsumtionen u. s. f. Gewissermaassen liegt auch dem Privileg der 100jährigen Präscriptionsfrist zu Gunsten der römischen Kirche ein Irrthum zu Grunde, weil man dies auf das römische Recht stützte, obwohl dies allgemein dasselbe aufgehoben hatte: mein System S. 475. Vgl. noch §. 41. (Annahme einer communis opinio. Puchta II. S. 75 ff.). 14) Für das röm. Recht, dessen Aussprüche in 1. 1. C. h. t. VIII. 53., ferner 1. 3. i. f. C. de episcop. audientia I. 4. u. Nov. XV. i. f. die Grundlage für die Meinung der Glosse und Späteren bilden 8. Puchta II. S. 79 ff. An die Meinung der röm. Glosse in Summa Cod. ad h. t. u. 1. 1. C. h. t. schliesst sich die canonische Glosse, Innoc. IV. u. s. w. an. 15) Innocenz IV. sagt in rubr. ad h. t. n. 1. „Cons. etiam inducitur 1° quia sic obtentum est sine contradictione. . 2o quod libelli querimoniarum que consuetudinem obstant non recipiantur, et si recipiebantur judicabantur secundum consuetudinem... 3° quod judicatum est consuetudinem esse cum questio esset an consuetudo esset nec ne.. et non sufficit altero istorum modorum tantum semel judicatum esse longo tempore sed bis ad minus judicatum vel factum esse debet...“ Vgl. Gloss. ad can. frustra v. consuetudinem u. ad

c. ult. X. h. t. v. legitime.

16) Abbas in c. ult. X. h. t. n. 17.

den Spätern) hat sich die Meinung Geltung verschafft, es sei dem Urtheil des Richters überlassen, zu prüfen, wie viele Akte im einzelnen Falle mit Rücksicht auf Ort und Personen hinreichten. Für diese Akte verlangte man dann Oeffentlichkeit (actus publici et notorii), damit sowohl der consensus populi als tacitus legislatoris erbracht werde. Dagegen brauchten diese Akte nicht in dem Sinne öffentliche zu sein, dass durch richterliches Urtheil die Existenz der Gewohnheit ausgesprochen werde; denn wenn erst ein Akt auf Grund eines solchen Urtheils als zur Bildung eines Gewohnheitsrechts fähig angenommen werde, könnte nie ein solches entstehen, indem der Richter nur nach dem Rechte, also bestehenden Sätzen gemäss, erkennen dürfe, folglich vor seinem Urtheile die Gewohnheit existiren müsse, auf die sich dieses stützen solle. Auch sei nicht nöthig, dass selbst eine die längste Zeit hindurch bestandene Uebung zu Streitigkeiten und richterlichen Entscheidungen führe 18). Diese Argumentation ist in der That ganz richtig, und da auch das positive Recht keinen Anhalt zur gegentheiligen Ansicht bietet 19), so ergibt sich, dass auch aus aussergerichtlichen Akten auf ein Gewohnheitsrecht geschlossen werden kann. Gleichwenig als gerichtliche Akte nothwendig sind, bedarf es öffentlicher, notorischer. Die Forderung solcher hat ihren Grund einmal darin, dass man auf die Uebung allein alles Gewicht legte. Dazu kommt, dass man ausgeht von der Annahme, alles Recht habe seine Kraft in dem Willen des Gesetzgebers. Solle nun der Wille des Volkes durch Gewohnheit Recht setzen können, so sei erforderlich des Gesetzgebers consensus tacitus; dieser aber liege nicht vor, ausser wenn ihm die Möglichkeit gegeben werde, die Akte erfahren zu können, was nur bei actus publici zutreffe.

III. In der That kommt es also nur darauf an, ob aus einer vorliegenden Anzahl von Akten sich auf einen darin ausgeprägten Rechtssatz schliessen lasse. Für diese Prüfung kommen ausser der bereits behandelten s. g. opinio necessitatis noch folgende in Betracht:

a) Der Umfang der Uebung. Um ein Gewohnheitsrecht einer einzelnen Kirche oder Diöcese u. s. f. anzunehmen, wird man den Nachweis von weniger Akten verlangen als für das einer Provinz, eines Landes. Denn während aus einigen Akten vielleicht der Nachweis für die einzelne Kirche erbracht wird, liegt darin noch keiner für die Diöcese. Hierfür bedarf es des Nachweises der Ueberzeugung (folglich auch von je so

17) Auf Grund von Bartol. in 1. 2. C. h. t. n. 12. n. 21. u. A.

non.

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18) Abbas 1. c. n. 16., Suarez 1. c. c. 11. n. 2 ff., Pirhing n. 23. 19) Für das Gegentheil berufen sich Einzelne auf c. 25. X. de V. S. V. 40. §. Sed dici Aber hier enthält der im Sinne gehabte Passus eine blosse Parteianführung, welche auf der Ansicht von der Nothwendigkeit des Anerkanntseins in contradictorio judicio ruhet; dieselbe hat auf die Entscheidung gar keinen Einfluss. Die Gloss. v. contr. jud. bleibt freilich bei ihr stehen, ist jedoch nicht klar.

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