Sayfadaki görseller
PDF
ePub

Bewußtseins über sich selbst die Schaamröthe über das im Spiegel vorgehaltene Bild aufstieg und das Bedürfniß kam, dem Publikum zu erklären: so sind wir nicht. Es ist mit Unrecht Sitte geworden, Friedrichs des Großen Antimachiavell zurückzustellen; er ist ein höchst schäzbares Document des seiner Blößen sich schämenden Königthums, ein herrliches Gegenstück des über sich selbst reflectirenden aufgeklärten Despotismus zu der naiven Fürstenselbstsucht der Machiavellischen Exemplare, ein feierliches Memento an den sittlichen Beruf der Großen aus dem Munde des Größesten, damit sie durch Pflichterfüllung den Florentiner Republikaner mit seinen Insinuationen Lügen straften. Aber, wie natürlich, konnte gerade ein so tiefgehen= des Sichbetheiligen eines im Innersten verwundeten Gemüths am We= nigsten zu einer auch nur halbwegs objectiven Auffassung des Mannes, der es doch so ganz nur objectiv meinte, befähigen: es ist wahrhaftig noch eher Wahrheit in der moralischen Interpretation des principe als des Buchs der Republikaner bei den Alfieri und Rousseau, als in der moralischen Verurtheilung des „Lasterlehrers“ durch den großen König; sie haben sich wenigstens die Mühe gegeben, in die übrigen Schriften des Autors hineinzusehen und dort seine gutdemokratische Gesinnung herauszulesen.

Ueber ein abstractes Reflectiren konnte sich das Urtheil erst erheben, als mit diesem Jahrhundert der geschichtliche Sinn aufging und gerade im vorliegenden Fall an dem neuentdeckten Briefwechsel Machiavellis sich nähren konnte. Indem zu demselben noch das immer gründlichere Bewußtsein von der Selbstständigkeit des politischen Gebiets gegenüber anderen Gebieten, besonders dem ethischen, hinzukam, wurde die Wissenschaft mit der moralischen Seite der Frage fertig. Man erkannte theils, was wackere deutsche Forscher, wie H. Conring und J. F. Christ ein Jahrhundert oder noch länger zuvor geahnt hatten, daß die Staatskunst sich nicht von moralischen Erwägungen abhängig zu machen hat, theils, daß die Predigt der Immoralität durch Zeit, Volk und persönliche Laufbahn des Predi= gers erklärbar werde, und räumte so mit der Arbeit auf, den alten Anstoß nicht beseitigend, aber vermindernd. Um so mehr konnte, nachdem eine so lange die Aufmerksamkeit fesselnde Nebenseite an dem merkwürdigen Manne beleuchtet war, endlich die Hauptseite, die

er darbietet, seine politische Gesammtstellung, betrachtet werden. Jezt konnte erst der ganze Mann organisch aufgefaßt, seine anscheinend unvereinbaren Werke in Einklang gebracht, sein staatsmännisches und patriotisches Gewissen in einer über sich fargebliebenen Persön= lichkeit zusammengeschaut werden.

Es würde nichts mehr zu thun übrig sein, wenn nicht diese biographische Behandlung der Machiavelli-Frage unter dem Einflusse eines Zeitvorurtheils, einer deutschen Doctrin, leiden würde, welche die Auffassung des Mannes insofern alterirt, als sie eine ungehörige Vermischung des Theoretikers und des praktischen Politikers zur Folge hat. Ranke, Gervinus, Friedrich List, Robert v. Mohl können als die Hauptvertreter der gemeinsamen Ansicht bezeichnet werden, die dem Machiavelli im Sinne einer Weiffsagung oder eines bestimmten Wunsches die Verkündigung eines straffen Absolutismus als eines Durchgangspunkts zur echten Freiheit der Welt und Italiens insbesondere zuschreibt. Einheit und Erlösung des Vaterlands vom Fremdendruck, auch wohl Ueberwindung der Kleinstaaterei seien die nächsten Früchte gewesen, die er von der Concentrirung aller Gewalt in Einer starken Faust erwartet habe, bürgerliche, demokra= tische Freiheit im Geiste der discorsi das Endziel der ganzen Be= wegung. Gervinus will die Stimme der Völker, die sich dagegen gesträubt habe, in einer Schrift dem Despotismus ein Denkmal ge= sezt zu sehen, in allen Ehren halten, aber dem Verdienste Machiabellis, in die geschichtliche Nothwendigkeit des Absolutismus eine Einsicht gewonnen und die Wahrheit auf das Mißfallen der ganzen Welt hin und gegen alle ihre Wünsche ihr prophetisch oder warnend gesagt zu haben, nichts abgebrochen sehen.

Es ist gewiß Schreiber dieses nicht der Einzige, dem die eigenthümliche Verwandtschaft dieser Erklärung der Machiavellischen Fürstenverehrung mit der allverbreiteten Theorie über die Lösung der deutschen Einheits- und Freiheitsfrage aufgefallen ist. Hier, wie dort wird eine schrankenlose Dictatur, wenigstens eine Sammlung aller Volkskraft in Einer Hand zu der Bedingung der fünftigen nationalen Größe und Freiheit gemacht. Aber eben diese Aehnlich= keit erweckt den Verdacht, ob nicht diese Deutung zu viel von ihrem Eigenen in das erst zu Deutende hineinlege. Dieser Verdacht würde

zur Gewißheit werden, wenn eine unbefangene Auseinanderhaltung dessen, was Machiavelli als Gelehrter über die Lebensgesetze aller und jeder politischen Bestände gedacht, und dessen, was er als Bürger und Patriot speciell für sein engeres und weiteres Vaterland ge= wünscht und erwartet hat, dort keineswegs die stricte Deduction des historisch gewordenen Absolutismus, hier keineswegs die moderne deutsche Lösung der nationalen Schwierigkeiten erweisen sollte. Es sind zwar scheinbar conträre Fehler, an denen die Gervinussche Auskunft leidet. Sie stellt Machiavelli theils zu wenig, theils zu viel in seine Zeit hinein. Zu wenig, weil sie das Gesez des Werdens verkennt, es übersieht, daß der Politiker nur innerhalb der ihn umgebenden Schranken seines Volksthums und seiner Zeitstellung auch für die Ewigkeit denken, also kein wohlgeordnetes Fürstenthum der Neuzeit in einer durchaus gährungsvollen, ungeordneten Situa= tion voraus erspähen kann; zu viel, weil sie die reinen Positionen des Denkens, diese zeitlosen Gebilde, von den persönlich patriotischen Bedürfnissen des Kindes seiner Zeit durchkreuzt werden läßt. Es hilft hier nur eine strenge Sonderung der Denkproducte, die lediglich als Accidens den Stempel der Zeit ihres Schöpfers an sich tragen, aber auch gewiß an sich tragen müssen, und den gemüthbeseelten Wünschen und Forderungen des Patrioten, welche den in der lebendigen Gegenwart wurzelnden Mann bekunden. Dann erst läßt sich verstehen, wo man eine jede der beiden contrastirenden Eigenschaften, die man immer und immer wieder an Machiavelli hervorzuheben hat, seine glühende Vaterlands- und Freiheitsliebe und sein faltes Denken vornehmlich zu suchen hat.

Bevor wir uns im Folgenden daran machen, den großen Mann aus den Verschlingungen des Theoretikers und Zeitpolitilers, in die er ohne Schuld gerathen ist, zu befreien, können wir nicht umhin, auf einen Vorgänger hinzuweisen, den R. v. Mohl in seiner verdienstvollen Angabe der Machiavelli-Literatur übersehen hat. Es ist dies Herder in den Briefen zur Beförderung der Humanität. Nicht nur hat er feine Bemerkungen über die Geschichte des Buches vom Fürsten, das über 70 Jahre lang, Dank der damals unbefan= genen Ausübung der Theorie von der Staatsraison, unangefochten blieb und erst mit dem Fortschreiten des reformatorischen Bewußt

"

seins bis zu dem Grotiusschen jus gentium einerseits und mit der Nöthigung des Jesuitismus zur Verhüllung seiner Machiavellischen Praxis andererseits angefochten zu werden anfing. Er hat auch das Verdienst, auf den Ausgang der Machiavellischen Erörterungen vom Gegebenen, auf das Abstrahiren seiner Säße aus dem Statusquo hingewiesen zu haben. Er sieht in dem Principe" ein rein politisches Meisterwerk für italienische Fürsten damaliger Zeit, in ihrem Geschmack, nach ihren Grundsäßen, zwar zu dem Zweck, dadurch Italiens Befreiung einzuleiten, aber mit der Kälte des Naturforschers entworfen, der, wie er die ganze Geschichte als eine Reihe von Naturbegebenheiten ansah, so auch den Fürsten als ein Geschöpf seiner Gattung nach den Neigungen, die er hat, schildert. Machiavelli habe, heißt es höchst treffend, in all seinen politischen und poetischen Arbeiten bewiesen, wie er jedes Ding in seiner Art wolle sein lassen, was es ist oder sein wolle, habe demzufolge auch jede andere Regierungsform auf ihr Charakteristisches angesehen und gegen die Fürsten in specie mit dem Versuch einer Richtigstellung der üblichen Staatskunst also argumentirt: „Wenn das Euer Handwerk ist, so lernt es recht, damit ihr nicht unselige Pfuscher bleibt. Ihr habt keinen Begriff, als von Macht und Ansehen; thut wenigstens die Klugheit dazu. Ich habe Euch Euer Werk nicht angewiesen; treibt ihrs aber, so treibt es recht." Trifft hier nicht einmal wieder der alte Herr in seiner dilettantischen Weise die Sache auf den Kopf? 1)

Unsere Untersuchung hat zuerst die Stellung, die Machiavelli zu Vaterstadt und Vaterland eingenommen hat, ins Reine zu bringen, um sodann seinem Nachdenken über die allgemeinen politischen Probleme gerecht zu werden. Gegen die Rolle eines italienischen Einheitsmannes muß schon sein Lokalpatriotismus, den sein Zorn über Dante, den Aufgeber der Vaterstadt und den Verleugner der Florentiner Mundart, als der Sprache der eigenen Dichtungen, verräth,

1) Man vergleiche hierzu die kleine Schrift: Die Quintessenz von Machiavellis Regierungskunst. Untersuchungen über die Bedeutung und Anwendbarkeit der Regeln des „Principe" von Dr. C. R. von Gerbel. Dresden 1865. A. d. R.

mißtrauisch machen. Man darf ihn füglich einen Föderalisten nennen. Er zeigt durchweg in seiner Geschichte von Florenz jene Selbstbeschränkung, die sich der Föderalismus hinsichtlich des Staatsumfangs auferlegt, indem er nirgends, wozu doch die mittelalterliche Kleinstaaterei mit ihren ewigen keinen Kriegen, mit allem ihrem Viel Lärmen um nichts hätte auffordern können, das Kleinbleiben des Florentiner Staats bedauert, oder an einen Rath zur Erweiterung seiner engen Grenzen denkt, ja nicht einmal die offenbare Politik Lorenzos des Prächtigen für die Erhaltung der Machtstellung der Stadt innerhalb des italienischen Staatencomplexes rühmend hervorhebt. Es ist ihm sichtlich ganz wohl bei dem bescheidenen Umfang der Macht seiner Vaterstadt; er sieht sie so zu sagen nicht darum an, und wenn er während seiner eigenen Theilnahme an der Verwaltung für die Wiedergewinnung Pisas und für die Sicherung der Herrschaft über das Chianathal energische Maßregeln vorschlägt, so bekundet er damit seine logische Schärfe und resolute Politik, die verschlungene Knoten zu durchhauen weiß, aber noch lange keine Eroberungsgelüste. Ebenso ist die in der „Kriegskunst“ legtlich von dem daselbst docirenden Colonna ausgesprochene Sehnsucht nach einem größeren Lande für die Ausführung seiner Ideen um so mehr nur ein technischer Wunsch, als sich die Beseitigung der kleinen Staaten damals schwer ohne ein Umsichgreifen der fremden Großstaaten denken ließ. Wie sehr Machiavelli aber die alte Substanz der Verhältnisse seiner Vaterstadt neben den unumgänglichen Verbesserungen auf einzelnen Punkten erhalten wissen will, beweist seine Denkschrift über die Reform des Staates von Florenz, die er auf Verlangen des Pabstes Leo X. verfertigt hat, und es ist an Gervinus anzuerkennen, daß er ihm nicht wie Ranke die Dareingabe des Kleinstaates an die Einheit im großen Ganzen zuschreibt. Diese Denkschrift will nämlich nichts mehr und nichts weniger, als die zeitgemäße Erneuerung der alten, demokratischen Verfassung der Stadt, nur zunächst noch nicht, wie Gervinus idealisirt, durch einen Reformator des Gesezes, sondern durch ein periodisches Protectorat der Medicis, welchen damit der Plan plausibel gemacht werden soll. So ist auch durchweg während der Verwicklungen in der Bürgerschaft im Mittelalter das Verlangen des Geschichtschreibers nach

« ÖncekiDevam »