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mit Einem Worte

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Zehnten mehr erheben; sie sollen mit den Kirchengütern gar nichts mehr zu schaffen haben. Einige Päpste haben ferner ihre Gewalt mißbraucht; folglich sollen sie auf die Stufe der Bischöfe herabsteigen, und sich von diesen fürderhin nicht mehr durch irgend eine Suprematie der Jurisdiktion unterscheiden. Man fand dieses Räsonnement als sehr gut, besonders weil ja auch der heilige Petrus keine Benefizien ertheilt und keine Zehnten erhoben hätte. Gerade darin aber lag der Irrthum. Denn etwas Anderes ist: eine Gesellschaft zu ihrem Prinzipe, und wieder etwas Anderes: sie zu ihrer Genesis zurückführen wollen. Sie zu ihrem Prinzipe zurückführen, heißt: sie mit dem moralischen Begriffe, welchen sie zu realisiren hat, wieder in Uebereinstimmung bringen; sie aber zu ihrer Genesis (d. h. Entstehungsgeschichte) zurückführen, das hieße sie wieder zu einem Kinde machen wollen, das hieße sie der Frucht ihrer Thätigkeit berauben, und ihr überhaupt das Prinzip der Selbstbethätigung abstreiten und nehmen. Die den Universitäten entstammten Häretiker, die Doktoren zu Konstanz, die Jansenisten, und überhaupt all' diejenigen, welche mehr oder weniger die katholische Idee verschmähten und verließen, haben gemeint, sie sprächen damit eine sehr große Weisheit aus, wenn sie behaupteten: „die Reform der Kirche bestehe in der Rückkehr zu den apostolischen Zeiten;" allein sie haben damit nur sich selbst das Zeugniß des größten Unverstandes ausgestellt. Ihre Phantasie war ganz bezaubert und benebelt von dem engelgleichen Leben der Christen, und nun haben sie geglaubt und gewähnt, gerade so könnten und müßten auch immer die Christen der späteren Zeiten leben, was jedoch eine ganz unmögliche Sache ist! Denn etwas Anderes ist die kindliche Unschuld der Jugend, und etwas Anderes die Tugend des reiferen Alters und des Lebens überhaupt. Jene ist nimlich der gute Gebrauch der Freiheit in einem noch ganz beschränkten Kreis von Objekten der Sündhaftigkeit; diese dagegen ist der gute Geirauch des freien Willens in einer sehr ausgedehnten Sphäre der Möglichkeit zur Sünde, und während dort noch sehr wenig Grund zu einem Konflikte, sich für oder gegen das Gute zu entscheiden, vorhanden ist, findet sich hier ein sehr ausgedehntes Feld für solche Konflikte; deßwegen entfaltet sich auch hier die Thätigkeit der menschlichen Zwividualität am reichsten und schönsten, und nur der hier ausgeübten Tugend wird der höchste Lohn zu Theil. Und fragt mich Einer: wohe und wozu dieses dein Räsonniren, um damit den weisesten Männrn einen Hieb zu versehen, wie es ein Gerson, ein d'Ailly, und viele Andere aus der

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gallikanischen Schule gewesen sind? - so antworte ich: daß ich diese Art der Logik gerade einem heiligen Kirchenvater entlehnt habe. Dieser beweint die Erbsünde wegen aller aus ihr innerhalb der Menschheit entsprungenen Folgen der Schuld und Strafe, und er beweint sie sowohl als Sünde und Schuld in dem ersten fündigenden Menschen, d. h. in Adam, wie auch als den Zunder der Sünde in der Menschheit, sofern man lettere in den einzelnen Persönlichkeiten betrachtet, aus welchen sie zusammengesett ist. Indem aber jener heilige Lehrer sodann diese Sünde als eine Frucht der handelnden Menschheit, oder mit Rücksicht auf ihre relative Unvollkommenheit betrachtet, ist er nicht nur weit entfernt, sie zu beweinen, sondern er wird vielmehr von einer ganz unerwarteten Verwunderung und Freude ergriffen, und ruft aus: O felix culpa (o glückliche Schuld)!") Worin besteht nun das Gute und Segensreiche, zufolge dessen er diese den Tod bringende Schuld doch zugleich eine glückliche nennen konnte? Er fügt den Grund sogleich bei, indem er fagt: quae talem meruit habere Redemptorem (welche einen solchen Erlöser zu haben verdiente)!" Die staunenswerthe Entfaltung der menschheitlichen Thätigkeit unter dem wohl= thätigen Gesetz der Erlösung durch Christus, die ganze Realisirung des christlichen Dogma's in der Zeit, die ganze Geschichte der göttlichen Gnade und der menschlichen Freiheit, welch' beide trotz dem Antagonismus ihrer Formen sich doch in einer höheren gemeinschaftlichen Form einigen und aussöhnen, siehe! das ist das segensreiche Gut, welches jenen Kirchenlehrer von seinen Klagen über die Sünde zu einem Freudenrufe über die menschheitliche Lebensentfaltung fortriß. Und in der That hat auch Christus, als er die Menschheit erlösen und reformiren wollte, sich nicht mit dem Kleide der Unschuld an ihre Spiße gestellt, um das verlorene irdische Paradies wieder zu erobern, und so als ein Besieger des Engels, der dessen Eintritt

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entnommen.

1) Diese Worte sind aus dem überaus herrlichen Hymnus der Liturgie am heiligen Charsamstage: „Exultet jam angelica turba etc." Ueber die Auktorschaft des Hymnus schreibt Prosper Lambertini (commentar. de D. J. Chr. matrisque ejus festis etc. Lovanii 1761, tom. I. p. 519): ,,quem (hymnum) quidam infirmis ducti rationibus D. Ambrosio, alii multo etiam levioribus argumentis innixi Petro Diacono Cassinensi tribuunt, qui seculo vixit XIIo. Illud enim constat ex minime dubiis argumentis, ante quadringentos annos illum hymnum cani in Gallia consuevisse, ideoque probabilius est, scriptum esse a D. Augustino, ut ostendit,,Martene (de antiqu. Eccles. discipl. in divin. celebr. p. 405.) et Bailletus (histor. huj. diei, art. 2.).“ — (D. Uebs.)

bewachte, daselbst die Menschen von Neuem wieder einführen zu können, sondern mit dem Kreuze auf der Schulter und in der Gestalt des Menschensohnes, uns gleich geworden in Allem, mit Ausnahme der Sünde, hat er die Menschen auf Golgatha wie auf einen Kampf- und Probeplaß geführt, wo sie durch Ausübung einer schwierigen Tugend nicht ein Eden oder ein Paradies der Lust, sondern ein Paradies der Wissenschaft und Liebe, das „Himmelreich“, d. h. Gott selbst sich erkämpfen und erringen sollten. Und deßhalb sind auch die unter des Fahne des Kreuzes Christi Kämpfenden, obschon sie an der Stirne noch die Male einer gefühnten und getilgten Sünde tragen, doch viel edler und verdienstvoller, als der (paradiesisch) unschuldige Mensch. Denn jene triumphiren sowohl über die eigene (individuelle) Sündhaftigkeit, als auch über die Unvollkommenheit des menschlichen Wesens überhaupt, während dieser (d. h. der Mensch vor und abgesehen von dem Sündenfalle) einzig nur über die menschliche (relative) Unvollkommenheit triumphirt haben würde.

Aus diesen Wahrheiten, welche einer ruhigen Betrachtung und Analyse der unter dem Geseße einer göttlichen Idee handelnden Menschheit, welch' lettere eben jene Idee in der Zeit zu verwirklichen hat, von selbst sich ergehen, dürfte es hinlänglich klar erscheinen, daß der von den akademischen Häretikern, von den gallikanischen Doktoren, und später auch von den Jansenisten angezeigte Weg, um die Kirche zu reformiren, durchaus falsch sei. Unter Umständen steht es ganz gut an und man ist sogar berechtigt und verpflichtet, die Kirche zu ihren Prinzipien zurückzurufen; äußerst schlecht aber nimmt es sich aus, wenn man sie auf ihre Genesis zurückführen will; denn dieses ist etwas sich Widersprechendes und daher Unmögliches. Der Ruf nach Rückkehr zu den Prinzipien in den Zeiten des Konziles von Konstanz konnte und durfte daher vernünftiger Weise nur das in sich schließen und fordern: daß die verderblichen Giftpflanzen der Simonie und des Konkubinates des Klerus mit der Wurzel ausgerottet werden sollten, daß die regulären Orden wieder zu den reinen Sazungen ihrer Stifter zurückzukehren hätten, daß die Kardinäle bei der Wahl eines Papstes gewissenhaft ihre hohe Mission im Auge be halten sollten, und daß dasselbe auch bei all' den übrigen (absoluten) Unvollkommenheiten der einzelnen kirchlichen Personen zu geschehen habe. Zu sagen aber: es soll fortan keine Besißthümer, keine Mönche, feine Kardinäle in der Kirche mehr geben, weil all' das zu den Zeiten des heiligen Petrus noch nicht existirte, das war unsinnig und unrecht zugleich.

Nebstdem ist auch noch Folgendes beizufügen: wenn es wahr ist,
daß die Geschichte der Kirche nur die Geschichte der durch Christus
zu Gott wandelnden Menschheit ist, dann würde durch eine Rückkehr
der Kirche zu ihrer Genesis nothwendig auch ein Rückwärtsschreiten
der Menschheit selbst bewirkt und dadurch das ewige Gesez des Fort-
schrittes der letzteren verlegt werden. In unseren Tagen würde man
z. B. durch eine solche Forderung mit einer Geschichte von achtzehn
Jahrhunderten geradezu abbrechen und die Frucht derselben zerstören;
und während so die Kirche von ihrer historischen Gestalt zu einer
bloßen Idee herabsinken würde und sich in ganz passiver Weise mit
dem Begriff oder mit der Idee Gottes zu identifiziren hätte, würde
unterdessen die Menschheit in ihrer jeweiligen wirklichen historischen
Gestaltung ihren Weg zu Gott verfehlen. Denn wer kann zu Gott
kommen ohne Christus, welcher der Weg, die Wahrheit und
das Leben ist?" 1) Nein! die Kirche kann die Menschheit bei
der mühevollen Arbeit, welcher sich diese gegenüber den großen sozialen
Problemen, in deren progressiver Lösung ihr ganzes Leben besteht,
zu unterziehen hat, nie und nimmer verlassen, und während die
Menschheit durch die Macht und durch den Fortschritt der Wissen-
schaft Zeit und Raum abkürzt, kann der Papst nicht am See
Genesareth stehen bleiben, um dort, wie einst Petrus, das Fischer-
handwerk zu betreiben!

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Wenn ich zuvor das schwierige Geschäft hinsichtlich der großen
sozialen Probleme angedeutet habe, so meine ich damit die Anstrengung,
welche es braucht, um Kräfte und Tendenzen, welche gegeneinander
streben, und sich ewig zu widersprechen scheinen, zu versöhnen und
zu vereinigen. So gewiß und nothwendig nun das Vorhandensein
von Gegensätzen, aus welchen ja schon das ganze Triebwerk der
physischen Welt sich zusammensett, ist, ebenso nothwendig ist auch
jene mühevolle Aufgabe der Lösung und Einigung. Wie? sollte es
möglich und gedenkbar sein, hab' ich mich oft selbst gefragt: daß jene
Vorsehung, welche mit einem so wachsamen Auge die Gegensäße in
der physischen Weltordnung hütet und einigt, nun hinsichtlich der
moralischen Weltordnung auf einmal gleichsam schläfrig und ohn-
mächtig werden, und keine Kenntniß von derselben nehmen sollte?
Nein, fürwahr! so gewiß ich an den Einen und dreifaltigen Gott
glaube, ebenso gewiß glaube ich auch, daß das größte Geheimniß der
Dreifaltigkeit nicht nur eine spekulative Wahrheit innerhalb der

1) Joh. 14, 6.

Dogmatik, sondern auch eine praktische Wahrheit innerhalb der geschaffenen Welt sei. Wie innerhalb des Bereiches der göttlichen Natur der ewige Zeugungsakt des Wortes, oder die Kontraposition der Person des Vaters und des Sohnes, nicht ist, nicht sein kann, ohne das Ausgehen des heiligen Geistes, welcher jene beiden Hypostasen wieder durch die Einigkeit der Liebe vereinigt, ebenso fordert auch in dem Bereiche des Geschaffenen die Duplizität der entgegengesetzten Kräfte nothwendiger Weise das Vorhandensein einer dritten Kraft, die jene ersteren wieder einigt und in Liebe versöhnt. Das glaube wenigstens ich, und meine zugleich dafür Beweise in der bisherigen Geschichte der Menschheit gefunden zu haben. Denn in soweit kann auch ein Mönch die Geschichte verstehen. 1)

Die in den sogenannten barbarischen Zeiten lebenden Menschen räsonnirten nur wenig, und besaßen dagegen einen viel größeren Glauben, und weil sie einen starken Glauben besaßen, deßhalb dachten sie durchaus nicht darauf, das Prinzip des Uebernatürlichen irgendwie zu verkürzen oder einzuschränken, sondern es vielmehr überall zu respektiren. Das göttliche Recht wurde von Allen in Allweg geachtet und verehrt. Als jedoch diese Ehrfurcht für sich allein nicht mehr genügte, theils um das Gleichgewicht der sozialen Elemente aufrecht zu erhalten, theils um moralische Bedürfnisse und Fragen zu befriedigen, da erschienen die Gläubigen jener Zeiten, noch nicht durch einen philosophischen Rationalismus, sondern durch das unwillkührliche und richtige Gefühl eines vernünftigen Glaubens geleitet, kniefällig vor dem Stellvertreter Christi, dem Bischofe zu Rom, und erbaten sich von ihm das Wort der Lösung, der Versöhnung und des Friedens. Und die Päpste, welche hier einen Entscheid gaben, antworteten nicht als einfache oder gewöhnliche Menschen, sondern das Papstthum antwortete, d. H. jene Macht, welche von dem Gottmenschen Jesus Christus nicht bloß zur Leitung der Kirche, sondern auch zur Leitung der ganzen Menschheit, insofern und insoweit diese als eine im Erdenthale pilgernde und zu Gott wandelnde Gesellschaft

1) In einer Anmerkung läßt hier Tosti seine Leser wissen, daß er eine Abhandlung, betitelt: „Die Synthese der Menschheit“ verfaßt habe, daß jedoch das Manuskript durch beklagenswerthe Umstände vernichtet worden sei.“ Der bescheidene Mönch verbrannte (wie er dem Herausgeber brieflich mittheilte) nämlich selbst dieses Manuskript; übrigens ist er jeßt wieder mit neuer Lust und frischem Muthe zu diesem Gegenstande zurückgekehrt, und gedenkt das Resultat seiner Studien später unter dem Titel „Philosophie der Kirchengeschichte“ zu vers öffentlichen.

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