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nunft fügt sich den Dingen, und das ist Verzicht auf Erklärung des Übersinnlichen: Nominalismus, der schließlich dem Übersinnlichen gegenüber eine mystische oder skeptische Stellung einnehmen muß. Im Dienste der Aufklärung kann demgemäß zunächst und in vorderster Reihe nur der Realismus stehen oder dessen gemilderte Form: der Konzeptualismus. Er vernachlässigt die Welt der Erscheinungen und alles Individuelle, um den Hauptwert in der Ideenwelt der Vernunft, im Allgemeinen, in den Conceptus, als den wahren „Realia“ und Universalia zu suchen. Diese Weltanschauung ist ihrem innersten Wesen nach eine wissenschaftliche und darum unkünstlerische, unästhetische. Sie kann im sinnlich Wahrnehmbaren und im Individuellen, das der eigentliche Gegenstand des Künstlers ist, nur einen vereinzelten Ausdruck, ein unvollkommenes Zeichen und Symbol des Ewigen und Wesentlichen erblicken. Ihre naturgemäße Auslegung der Sinnenwelt ist die allegorische. Nie und nimmer aber wird die Allegorie zum Kunstwerk führen; und der größte Dichter des Mittelalters, der das Unglück hatte, im Bann dieser antiästhetischen Weltanschauung zu stehen, konnte sich darum unbehindert nur in der negativen Welt des Unwesentlichen und Nichtseinsollenden, in der Welt der Verdammnis bewegen. Seine wahre dichterische Heimat hat Dante in der Hölle gefunden. Es ergeht ihm wie dem erdgeborenen Riesen: in dem Maße wie er sich dem Himmel nähert, erstickt in ihm der Dichter. Mit dieser konzeptualistischen und allegorischen Auffassung der Welt aber und darauf kommt es uns hauptsächlich an zerfällt das ganze

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Gebiet der Erkenntnis in eine exoterische und eine esoterische Hälfte, in Erscheinungen und „Dinge an sich“. Die Scheidung wird zur Denkgewohnheit und ergreift auch bald schon das Gebiet der Dichtung. Zum klarsten und bewußtesten Ausdruck kommt sie in den Worten, welche Dante an seine allegorisch gedachte Kanzone richtet:

Canzone, io credo che saranno radi
Color che tua ragion intendan bene,
Tanto la parli faticosa e forte,

Onde se per ventura egli addiviene
Che tu dinanzi da persone vadi,

Che non ti paian d'essa bene accorte;
Allor ti priego che ti riconforte,
Dicendo lor, diletta mia novella;

Ponete mente almen com'io son bella. 1

Die gesellschaftliche Scheidung ist das primäre, die philosophische das sekundäre; je mehr die erste verschwindet, muß die zweite hervortreten. Nirgends hat diese Wandlung sich so rasch und vollständig durchgesetzt als in Italien.

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Um zu verstehen, wie sie sich in der Literaturgeschichte widerspiegelt, ist es nötig, die Ereignisse ein wenig zu schematisieren wie es denn bei der historischen Einsicht in den Gang der Dinge niemals ganz ohne Schematisierung abgehen kann. In der französischen und provenzalischen Literatur des 12. Jahrhunderts entspricht der Einteilung des Volkes in Gesellschaftsklassen eine Einteilung der Literatur in Dichtungsgattungen: das Epos fürs Volk, der Roman für die Ritter, die Kanzone für die Dame, die Ballata für das Bauernmädchen, das Sirventes für gebildete Herren u. s. w. Ansätze zur Vermischung sind freilich vorhanden, aber die wahre Verwirrung der Dichtungsgattungen kommt doch erst im 13. Jahrhundert und in Italien zustande. Dort ist sie die Folge und Begleiterscheinung der Demokratisierung des Landes. Der Mönch mischt sich unters Volk und verwertet die Ballata zu religiösen Stoffen; das Sirventes, das für ernste und kritische Leute war, verschwindet, denn ernst und kritisch will nun jedermann sein. Gerade die moralischen, philosophischen und politischen Gegenstände sollen fortan das Vorrecht keiner

1 Convivio II.

besonderen Dichtungsform und keines besonderen Standes mehr bleiben. Die Kanzone ist von einer inhaltlichen zu einer stilistischen Kategorie herabgesunken, und die bedeutendste Neuschöpfung der Italiener, das Sonett, wird bald zu jener echt demokratischen Münze geprägt, die durch allerhand Hände geht und den Austausch der Gedanken und Gefühle in merkwürdigster Weise beschleunigt.

Wir fassen zusammen: Die Emanzipation der Frau hat zunächst in dem Lande der feinsten Kultur: in der Provence stattgefunden und war auch dort erst in einer abgeschlossenen und bevorzugten Kaste möglich. Diese Kaste baute sich alsbald ihre eigene Ethik auf Grund des Minnedienstes auf und senkte damit den ersten philosophischen Keim in ihre Liebeslyrik. Mit dieser Dichtung vollzog sich nun in der sizilianischen Schule eine neue Wandlung: vor allem war es bald nicht mehr der Ritter allein, sondern auch der Bürger, der sie vertrat. Hand in Hand mit der sozialen Vermischung ging die poetische. Zugleich aber akzentuierte sich mehr und mehr eine andere Scheidung, eine innere in hohen und. niederen, esoterischen und exoterischen Minnesang. Der philosophisch - allegorische Geist des Zeitalters drängte allerseits darauf hin. Die Standesunterschiede wurden zu Bildungsunterschieden, die sozialen Grenzen zu philosophischen vertieft und erweitert.

Die Adelsfrage.

Nachdem man dem Geburtsadel gegenüber gleichgültig geworden ist 1, fängt man an, auf den Seelenadel zu achten; nachdem die viel verhandelte Adelsfrage in Italien aufhörte, eine soziale zu sein, fing sie begreiflicherweise an, eine philosophische zu werden. Ihre allmähliche Entwicklung läßt sich in ihren wichtigsten Phasen bis auf die berühmte Kanzone Dantes genau verfolgen. Natürlich wird sich der Fortschritt des Gedankens dabei nicht immer mit der chronologischen Folge der schriftlichen Zeugnisse decken, da es jederzeit auch verspätete Denker gegeben hat.

Die Frage ist in der höfischen Dichtung entstanden aus dem praktischen und oft sich wiederholenden Falle, daß ein nieder gestellter Troubadour sich um die Liebe einer höher gestellten Dame bewarb. Da besagte nun der peinliche Ehrenkodex, daß es dem Manne zwar keinen Abbruch tue, unter seinem Stande zu lieben, wohl aber der Frau; es sei denn daß ihr niedergeborener Liebhaber durch persönlichen Wert sich auszuzeichnen verstehe. Si plebeius nobilioris quaerat amori coniungi, multa ipsum oportet nobilitate gaudere. Nam ut plebeius nobilioris feminae dignus inveniatur amore, innumerabilibus oportet eum bonis abundare, convenitque, ut infinita ipsum bene

1 Vgl. Salvemini, La dignità cavalleresca nel Comune di Firenze, Florenz, Ricci, 1896.

facta extollant. Verecundum namque nimis nobili videtur mulieri exsistere et in eius plurimum contumeliam redundare, si inferioris ordinis sibi deposcat amorem, superiori et medio praetermissis ordinibus, nisi morum probitas supereffluente valeat penso nobilitatis compensationem inducere." 1

Das klingt wie eine Herausforderung an den Scharfsinn der Troubadours, sich in Subtilitäten über das Wesen des Adels zu ergehen. Man lese nur, wie der französische Kaplan den „Plebeius“ zur „Mulier nobilis" reden läßt, oder wie die Frage im Partimen behandelt wird:

Perdigos, ses vassallage

sai cavailhiers e baros,
laiz e malvaz e fellos,
e sai de villan linhage
omes cortes e chauzitz,
larcs e lials et arditz;

e digatz m'al vostre semblan,

qal d'aqels deu amar enan

donna, pos la destreinh amors?

Natürlich entscheidet man zu gunsten des Niedergeborenen, und die Hauptargumente dafür lauten:

gentil corage

fan los gentils els ioios,

e'l gentileza de nos

non val mais a eretage,

pos tut em d'una razitz ..

pos d'un paire son tut l'enfan. 2

Hier berührt sich die an und für sich ästhetische und aristokratische Ethik der Troubadours mit dem evangelischen und demokratischen Geist der Waldenser. Wie diese an Stelle der priesterlichen Amtsautorität den

1 A. Capellanus, a. a. O., S. 53f.

2 Appel, Provenzalische Chrestomathie, Nr. 95.

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