Sayfadaki görseller
PDF
ePub

lui amore inquanto di potenza si riduce in atto“. Auch das unmittelbar folgende Gedicht hat Dante nach denselben Begriffsverhältnissen von Potentialität und Aktualität analysiert.

Seelenadel ist also nach dieser neuen Lehre die Möglichkeit zu lieben. Die Troubadours aber sahen die Sache noch in recht oberflächlicher Weise, nur von außen, oder besser von hinten: indem sie das „a priori“ mit dem „a posteriori" verwechselten und von einer veredelnden Wirkung des Minnedienstes redeten, ohne zuvor auf die Naturanlage und ethische Potenz zum Minnedienst zu achten.

Damit Guinicelli zu seiner neuen These gelangen konnte, durfte er logisch gesprochen gar nichts anderes getan haben, als dem allgemeinen Satze, den wir im De Eruditione Principum und bei Dante kennen lernten, eine Anwendung aufs besondere geben. Das De Eruditione und das Gastmahl" lehren: Seelenadel ist Anlage zur Tugend. Guinicelli lehrt: Seelenadel ist Anlage zur Liebe. Damit der Schluß vollkommen sei, muß erst das Mittelglied nachgewiesen werden, das zu lauten hätte: Liebe ist Tugend.

99

Die Liebesfrage.

Auch zu dem Satze: Liebe ist Tugend finden wir die ersten Keime wieder bei den Provenzalen, und geradeso wie in der Entwicklung der Adelsfrage zuerst eine Scheidung in historisch-materiellen und seelisch-ethischen Adel angebahnt werden mußte, geradeso ist in der Liebesfrage zunächst eine Scheidung in sinnliche und übersinnliche Liebe als die unentbehrliche Vorstufe zu konstatieren. Eine ähnliche Art von Scheidung freilich nicht dieselbe haben wir schon bei Matfré Ermengau kennen gelernt: Gottesliebe und parallel dazu Geschlechtsliebe. Wir haben ferner gesehen, wie die Daseinsberechtigung der Geschlechtsliebe von den Troubadours gefordert wurde. Sie haben eine Fülle guter und schlechter Gründe dafür und dagegen aufgeführt, sie haben die Frage mit spielender Rhetorik und mit klügelndem Raisonnement behandelt, für den wahren höfischen Troubadour aber war dieser Punkt längst keine Gewissensfrage mehr. Die Frivolität jener Kreise zeigt sich am nacktesten wieder bei Andreas dem Kaplan. Dem Minnedienst darf sich seiner Meinung nach sogar der Priester ergeben. Im Prinzip allerdings nicht, denn: „si servire Deo tantum vultis eligere, mundana vos oportet cuncta relinquere et coelestis patriae solummodo contemplari secreta". Aber in Wirklichkeit verhält sich's ganz

[ocr errors]

anders: Credo tamen, in amore Deum graviter offendi non posse; nam quod natura cogente perficitur, facili potest expiatione mundari. Praeterea fas nullatenus esse videtur, id inter crimina reputare, a quo bonum in hac vita. sunimum habet initium, et sine quo nullus in orbe posset laude dignus haberi. Ad haec ex amore proximus nullam sentit iniuriam, id est: sentire non debet, quia, quod quisque ab alio exigit, id est: exigere debet, ab alio exactus libenter sufferre tenetur." 1 Die höfische Dame aber, die sich den Werbungen der Liebe verschließt, ist geradezu als Sünderin zu achten, und es werden ihr in einer merkwürdigen Jenseits vision die schlimmsten Strafen angekündigt, die uns an die Züchtigung der Spröden im Decameron (V, 8) erinnern.2 So verband sich schon im Mittelalter die Galanterie mit einer Art jesuitischer Kasuistik.

Eine ernstere Behandlung der Sache ist zu erwarten, wenn ein wackerer Klerikus wie Ermengau sich mit Christentum und Geschlechtsliebe auseinandersetzt.

E perso dis S. Augustis:

Que totz movements naturals
En cant el es bos e no mals,
El es obra veraiamen
De Dieu lo paire omnipoten,
E obra de nos peccadors
En cant es peccatz e folors.
Digam donc que l'amors en se
Es bona qui n'uzara be,
E silh muzart, per lor folor,
Uzo malament d'est amor

Non rema per lor folia

Qu'est amors bona no sia.3

1 Andr. Cap., S. 162.

2 ibid. S. 91 ff.

3 Breviari II, S. 413.

Damit ist aber erst die Liebe als natürlicher Trieb gutgeheißen. Dem Fait accompli der Liebe als Minnedienst und gesellschaftlicher Einrichtung steht Ermengau verlegen und ratlos gegenüber. Er kann den größten Teil seines Publikums nur warnen, den gefährlichen Traktat vom Minnedienst, den er sich nun anschickt zu schreiben, doch lieber nicht zu lesen. Eine Versöhnung des Gegensatzes zwischen Gottesdienst und Frauendienst ist zunächst nicht möglich. Ermengau und alle anderen, die es versuchten, blieben in einem gedankenlosen Dualismus des Gewissens stecken. Heute sündigte man und morgen fastete man. Alles Ding hatte seine Zeit bei diesen wackeren geistlichen und ritterlichen Herren des Mittelalters.

Der Weg zur Versöhnung aber hatte sich von einer anderen Seite her schon angebahnt. Von den Troubadours war ein geistiges Element in das Triebleben der Geschlechtsliebe hereingetragen worden. Dieser psychische, intellektuelle und sentimentale Zusatz machte nach ihrer Auffassung überhaupt erst das Wesen der Liebe aus. Der Rusticus, der diesen Zusatz nicht besitzt, ist auch der Liebe nicht fähig. Dicimus enim vix contingere posse, quod agricolae in amoris inveniantur curia militare, sed naturaliter sicut equus et mulus ad Veneris opera promoventur, quemadmodum impetus eis naturae demonstrat." 1

"

In dem Maße nun, wie man dieses psychische Moment dem Triebleben gegenüber stärker oder schwächer betont, erhält man eine höhere oder tiefere Liebesstufe. Die höfische Gesellschaft ist sich aufs klarste der Mittel bewußt, durch welche die ästhetische und sentimentale Steigerung der Geschlechtsliebe erzielt wird: man häufe so viele Schranken als möglich zwischen Begierde und Genuß. Qualiter autem perfectus amor valeat augmentari, breviter tibi curabimus indicare. Et quidem imprimis

1 Andr. Cap., S. 235.

dicitur augmentari, si rarus et difficilis inter amantes visus interveniat et oculorum aspectus; quanto enim maior difficultas accedit mutua praestandi ac percipiendi solatia, tanto quidem maior aviditas et affectus crescit mandi."1 Die ungehinderte Vertraulichkeit des Ehelebens kann darum höchstens zur Freundschaft, niemals zur Liebe führen. All die hemmenden Affekte: Eifersucht, Angst, Trotz und vor allem die Scham sind willkommene Würzen des Minnedienstes, die man geflissentlich aufsucht und, wenn's not tut, künstlich erzeugt. Bei solchen Grundsätzen wird die Liebe zu einem Spiel und einer Kunst. Die Worte Ovids:

Arte citae, veloque rates, remoque moventur:
Arte leves currus, arte regendus Amor2

können als Motto für das ganze höfische Minnewesen gelten.

Die Literarhistoriker erfassen meist nur die unmoralische und die konventionelle Seite in jener Raffinierung der Sinne, wie sie von den Troubadours geradezu planmäßig geübt wurde. Wie sehr diese Dichter zugleich das Gefühlsleben und das künstlerische Empfinden bereichert haben, wird gerne dabei vergessen. Für die moderne Kunst des Abendlandes haben sie zwei neue Gefühlsnüancen entdeckt: die Sentimentalität und die Lüsternheit, Gefühle, deren kunsthistorische Bedeutung man damit nicht erfaßt hat, daß man sie moralisch verdammt. Ein so ästhetisch angelegtes Volk wie die Provenzalen war nicht in der Lage, seine Sinnlichkeit nach Puritanerart zu unterdrücken, es wurde vielmehr dazu geführt, sie zu verfeinern. Die wenigen Verfasser asketischer Lehrtraktate ändern an dieser Tatsache gar nichts. Wenn man nun gar, wie schon mehrfach ge

1 Andr. Cap., S. 242 f.

2 Ars amatoria, I, v. 3f.

« ÖncekiDevam »