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XXVI in der Prima (secunda pars) der Summa Theologiae des heiligen Thomas faßt systematisch all das zusammen, was man bei Albertus Magnus und anderen hin und wieder zerstreut findet. Bekannt ist die Dreiteilung der Menschenseele in eine anima vegetalis, animalis und rationalis oder intellectiva. Von diesen drei Seelenvermögen setzt das höhere immer die nächst niedere Vorstufe voraus und begreift sie in sich. Alle Betätigung der Seele aber ist Bewegung: motus oder actus 1, und zwar, der obigen Einteilung gemäß, wieder dreierlei Art von Bewegung: motus naturalis und dieser geht in der anima vegetalis vor sich, motus sensitivus und dieser tritt zuerst bei der Tierseele auf, und motus rationalis oder intellectivus, der zunächst dem Menschen und weiterhin den höheren Wesen, den Engeln u. s. w. eigen ist. Demnach erscheint die menschliche Seele selbst als ein kleines Stufenreich, ein Mikrokosmus.

Die vegetativen und sensitiven Tätigkeiten sind nun aber an das körperliche Organ gebunden; die Seele ist nur ihr Prinzip, nicht ihr Subjekt, während die intellektiven Betätigungen ohne körperliche Hülfe erfolgen; sie können darum von der Seele auch nach ihrer Trennung vom Leibe noch ausgeübt werden. Zur vegetativen und sensitiven Tätigkeit dagegen steht der entleibten Seele nur noch die Kraftanlage, aber nicht mehr das Organ zur Verfügung. Die verschiedenen Arten der vegetativen Tätigkeiten interessieren uns hier weniger. Wichtiger ist die Zweiteilung der animalischen in apprehensive und motorische Seelenkräfte und Funktionen, sowie die parallel dazu verlaufende Scheidung der rationalen in Intellekt und Wille. Motorisch-animalische Kraft und Wille lassen sich unter den gemeinsamen Begriff des

Näheres über das Verhältnis der Begriffe Motus und Actus bei V. Knauer, Grundlinien zur aristotelisch-thomistischen Psychologie, Wien 1885, S. 34 ff.

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appetitiven Vermögens, apprehensive Kraft und Intellekt unter den des Erkenntnis vermögens zusammenfassen. Das höhere und ausschlaggebende ist

bei den Scholastikern bekanntlich das Erkenntnisvermögen, nicht das appetitive Vermögen. Die appetitive Kraft der Seele wäre an und für sich einer Verfeinerung und Abstufung gar nicht fähig, wenn sie nicht vom Erkenntnisvermögen erleuchtet würde. Die Qualitäten und Gradunterschiede des Motus appetitivus werden durch diejenigen des Erkenntnisvermögens bestimmt.

Jetzt erst erhellt sich uns die vom heiligen Thomas gegebene Definition der Liebe: „Ich sage, daß die Liebe etwas ist, das zum appetitiven Vermögen gehört, denn beider Gegenstand ist das Gute. Daher gibt es entsprechend der Abstufung des appetitiven Vermögens eine Abstufung der Liebe. Wir haben nämlich 1) einen Appetitus, der nicht der eigenen Wahrnehmung des appetitierenden Wesens folgt, sondern derjenigen eines anderen (nämlich den Zwecken der Natur), und das ist der appetitus naturalis;

2) einen Appetitus, welcher der Wahrnehmung des appetitierenden Wesens selbst folgt, und zwar mit Notwendigkeit, nicht mit Freiheit, und das ist der appetitus sensitivus bei den Tieren, der bei dem Menschen jedoch insofern auch an der Freiheit teilnehmen kann, als er der Vernunft gehorcht;

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3) einen Appetitus, der der Wahrnehmung nach freier Entscheidung folgt, der Vernunft gehorcht, und das ist der appetitus rationalis oder intellectivus. In jedem. dieser Appetitus nun nennen wir Liebe immer den Anfang, das Principium der auf den geliebten Gegenstand zustrebenden Bewegung.

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1 Respondeo dicendum, quod amor est aliquid ad appetitum pertinens, cum utriusque objectum sit bonum: unde secundum differentiam appetitus, est differentia amoris. Est enim quidam appetitus non consequens apprehensionem

Nun ist aber nach Thomas aller Motus appetitivus eine Kreisbewegung: sie geht aus von dem appetitiblen Gegenstand, der die Seele affiziert, den Appetitus bewegt. Der Appetitus seinerseits strebt nach Erreichung des Gegenstandes, nach Vereinigung mit ihm und kommt dort wieder zur Ruhe. Betrachtet man den ersten Moment der Kreisbewegung: die Wirkung des Gegenstandes auf den Appetitus, so erscheint der Amor als eine Passio, betrachtet man den zweiten Moment: den Übergang des affizierten Appetitus in aktive Bewegung, so erscheint der Amor als eine Kraft: Virtus; und zwar als diejenige Kraft, die aller und jeder Bewegung im ganzen Universum zu Grunde liegt. Der Stein, der zur Erde fällt, gehorcht dem Amor naturalis, das Tier, das seine Nahrung sucht, dem Amor sensitivus, der Mensch, der sich zu Gott erhebt, und die englischen Intelligenzen, die den Himmel bewegen, dem Amor rationalis. Selbst der Haß ist nur eine Folge der Liebe; ja sogar die höchste Bewegung, die wir kennen, die Ausgießung des heiligen Geistes durch Gott procedit per amorem. „Omnibus est pulchrum et bonum amabile; cum unaquaque res habeat connaturalitatem ad id quod est sibi conveniens secundum suam naturam." 2 Das Gute also ipsius appetentis, sed alterius: et huiusmodi dicitur appetitus naturalis .... Alius autem est appetitus consequens apprehensionem ipsius appetentis, sed ex necessitate, non ex judicio libero. Et talis est appetitus sensitivus in brutis, qui tamen in hominibus aliquid libertatis participat, inquantum obedit rationi. Alius autem est appetitus consequens, apprehensionem appetentis secundum liberum judicium: Et talis est appetitus rationalis sive intellectivus qui dicitur voluntas. In unoquoque autem horum appetituum amor dicitur illud quod est principium motus tendentis in finem amatum (Summa theol. I, 2, qu. 26, art. 1).

1 Vgl. bes. Albertus Magn. in I. p. sum. theol. tract. VII,

qu. 31.

2 Thomas, Summa a. a. O.

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ist der Gegenstand, und die Anlage zum Guten, die Tugend ist das Prinzip der Liebe. Jetzt haben wir den Mittelsatz gefunden, der uns zu Guinicellis Lehre: ,al cor gentil ripara sempre amore" noch gefehlt hatte.

Damit aber, daß der Gegenstand der Liebe das Gute. ist, soll natürlich nicht gesagt sein, daß nun alle Liebe auch in Wirklichkeit gut sei. In einem anschaulichen Bilde erklärt uns das Dante: „Von der göttlichen Güte, die in uns gesät und uns eingeboren ist, sproßt ein Zweig:

die natürliche Neigung des Herzens. Aber wie die Getreidearten, wenn sie aufkeimen und noch im Grase sind, sich ähnlich sehen und dann mit der Zeit sich unähnlich werden, . . . so macht sich auch in den Neigungen eine Verschiedenheit geltend: die eine geht dorthin, die andere dahin, aber ein einziger Pfad nur führt uns zum Frieden.“

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Die gemeinsame Ursache aller Liebe liegt in der Ähnlichkeit (similitudo) zwischen dem geliebten und dem liebenden Wesen. Ähnlich aber können sich die Wesen auf zweierlei Art sein: in actu und in potentia: ähnlich im fertigen Zustand, in der Form und ähnlich in der Anlage. Die aktuelle Ähnlichkeit erzeugt Wohlwollen: amorem amicitiae seu benevolentiae, die potentielle Ähnlichkeit erzeugt Sehnsucht: amorem concupiscentiae. Daraus folgt nun und diesen Schluß dürfen wir wohl ohne weiteres aus dem Geiste des thomistischen Systems entnehmen daß wir diejenigen Wesen, die auf derselben Stufe wie wir im Reiche der Schöpfung stehen oder auch unter uns, vorzüglich nur mit der Liebe des Wohlwollens lieben, denn mit ihnen allen haben wir eine aktuelle Ähnlichkeit. Den höheren Wesen jedoch gleichen wir nur in der Anlage, nur potentiell, und unsere Liebe zu ihnen kann darum nur der amor concupiscentiae sein. Nach unten ist es Freundschaft und Wohlwollen, nach oben ist es ein Sehnen und Streben.

1 Convivio, IV, 22.

Andererseits besteht aber die Tatsache, daß unser Sehnen sich auch nach unten richtet, dann erzielt es aber nicht das absolut Gute, sondern das relativ Gute, das was gut scheint, nicht bonum simpliciter, sondern bonum secundum quid, dann ist es einfache concupiscentia, nicht concupiscentia amoris. In diesem Sinne, glaube ich, ist der thomistische Satz zu deuten: „Amor non dividitur per amicitiam et concupiscentiam, sed per amorem amicitiae et concupiscentiae." 1 Um den für uns besonders wichtigen Fall zu wählen, wäre demnach der sinnliche Liebesgenuß ein Gut nur für die Sinne, für die „apprehensio sensitiva", nicht für die Vernunft, oder für die Vernunft nur insofern er zur Kindererzeugung, zum höheren und göttlichen Zweck der Erhaltung der Species dient. Da nun im Stufenreiche der Schöpfung die Frau ein niedereres Wesen ist als der Mann, eine nicht zu voller Entwicklung gelangte menschliche Entelechie, ein mas occasionatus, hoc est occasionem privationis passus, wie Albertus sagt, oder, im besten Falle, als Mensch genommen, auf derselben Stufe steht wie der Mann, so kann sie von diesem entweder nur mit unvernünftiger sinnlicher Begierde oder mit Freundschaft und Wohlwollen geliebt werden, aber niemals mit dem nach oben strebenden, intellektuellen, vernünftigen und guten Amor concupiscentiae.

Zu demselben Schlusse führt uns Thomas von Aquino noch auf einem anderen Wege. Im ersten Teil seiner Summa (I, 1, qu. LX) handelt er von der Liebe der Engel. Er geht dabei vom Begriff der natürlichen Liebe (Dilectio naturalis) aus und zeigt, daß auch die Engel

3

1 a. a. O., artic. 4.

2 in Sum. I, tract. VI, qu. 29, membr. 2.

3 Thomas sagt: dilectio, nicht amor naturalis, denn unter den Begriff des amor naturalis fällt auch die fleischliche concupiscentia, die ja eben ausgeschlossen werden soll.

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