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hatte das den Reformatoren gewordene Licht über die Bedeutung der apokalyptischen Babel in sich aufgenommen und hat es (theilweise geistvoll) mit seinen exegetischen Resultaten verarbeitet.

Ein anderer Zweig der historiologischen Schule blieb bei der bloßen Curiosität stehen, und gerieth darin bis in's Extrem. Nicolaus de Lyra († 1340) las die Apokalypse wie ein Compendium der Kirchengeschichte; die sieben Siegel sollten die Zeit bis Julian, die sieben Posaunen die Zeit von Julian bis Mauritius, die Geschichte Kap. 12-13 die Zeit von da bis Karl dem Großen, die sieben Zornschaalen die Zeit von da bis auf Kaiser Heinrich IV. umfassen u. s. w. Dergleichen hölzerne Ausbeutungen haben sich zu allen Zeiten wiederholt; namentlich gehört dahin Peter Jurieu (l'accomplissement des propheties Rotterd. 1686), welcher z. B. die fünfte Zornschaale auf die Verlegung des päpstlichen Sizes nach Avignon deutet! Hat man doch auch in der sechsten Posaune (Offenb. 9, 14 ff.) in jenen Thieren, aus deren Munde Feuer und Rauch und Schwefel ging, die Erfindung des Schießpulvers und der Kanonen geweifsagt finden wollen!

Ein dritter Zweig der historiologischen Schule umfaßt diejenigen Ausleger der Apokalypse, welche sich vor allem an die mystischen Zahlen hielten, dieselben zu berechnen suchten, und von den so gewonnenen Resultaten aus nun erst zur Erklärung der geweissagten Dinge und Begebenheiten schritten. Dies schon von Jurieu begonnene Verfahren bildeten Whiston (an essay on the revelation. Cambr. 1760), Bengel (erklärte Offenb. Johannis, Stuttg. 1740, vgl. Einleitung zu näherer und deutlicherer Aufklärung der Offenb. Karlsr. 1785), Jung-Stilling (Siegsgeschichte der christl. Rel.) und Lüderwald (Bemühungen zur gründlichen Beurtheilung und Erkenntniß der Offenb. Helmst. 1777) jeder in seiner Weise aus, und sie alle wurden mit ihren Berechnungen zu Schanden.

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Wir haben es bis jezt mit einer Schule, mit Commen= tatoren zu thun gehabt. Wenden wir uns nun jener nicht in Commentaren niedergelegten und nicht auf dem Wege der Eregese gewonnenen Erleuchtung zu, welche Hand in Hand mit der Reformation über die evangelische Kirche ausgegossen ward. Als Luther eine seiner ersten und wichtigsten reformatorischen

Schriften, de captivitate Babylonica, schrieb, dachte er zwar zunächst nicht an die apokalyptische Babel, aber doch ́ebensowenig ausschließlich an jenes Reich Nebukadnezar's, wohin Juda gefangen geführt ward, sondern an jenes „Reich des Nimrod“ *), welches als ältester Urtypus alles antitheokratischen Wesens in der That die Grundlage der apokalyptischen Weissagung von der großen Babel bildet und mit der letzteren nahe genug innerlich verwandt ist. Schon jene Bezeichnung „babylonisch“ mußte aber nothwendig die Blicke der evang. Zeitgenossen auf die Weissagung Offenb. 13 hinlenken; es mußte jedem Aufmerksamen in's Auge fallen, daß nicht erst Luther, sondern schon der Apokalyptiker die Signatur,,Babel" zur Bezeichnung einer innerkirchlichen Macht gewählt hatte, welche in allen Haupt- und Nebenzügen jener hierarchisch-mittelalterlichen Macht in der Kirche entsprach, die das Wort von der freien Gnade hemmte, seine Verkündiger verfolgte, die Laienschaft durch eine judaisirende Kirchendisciplin vom unmittelbaren Zutritt zum Erlöser trennte, und in engem Zusammenhang hiemit die Priesterschaft sammt allen andern Spendern der Gnadenmittel (ecclesia repraesentativa) mit einer nur Gott gebührenden Ehre bekleidete. Und so finden wir in der That, wie alsbald die einstimmige Überzeugung der Bekenner des Evangeliums im Zeitalter der Reformation den Sah festhielt, daß nichts anderes, als jene hierarchische Macht mit dem Thiere Offenb. 13 geweissagt sey.

Nicht von gelehrter exegetischer Behandlung der Apokalypse aus war man zu diesem Sage gekommen, und daher war die Form, in welcher derselbe sofort ausgesprochen wurde, exegetisch betrachtet eine ungenaue. Man sagte:,,das Papstthum sey der Antichrist."**) In der Apokalypse selbst kommt dieser Terminus

*) Scio nunc et certus sum, Papatum esse regnum Babylonis et potentiam Nimrodi, robusti venatoris.

**) Nachdem die Bannbulle gegen Luther erschienen war, schrieb dieser im November 1520,,adversus execrabilem Antichristi bullam" (Jen. Ausg. II, fol. 286.) · Calvin (inst. IV, 2. 12) beweist mit ruhigem Ernste, wie alle Marken und Signaturen „Babylong“ und „des Antichrist“ in der papalen Hierarchie sich wiederfinden (vgl. ebendas. 7, 21 und 25; 9, 4 u. a.) John Knor hat als Prediger in dem belagerten Schlosse St. Andrews dem Priester John Annan, der sich auf das alleinige Recht

bekanntlich gar nicht vor; und auch 2 Thess. 2 wird er nicht gebraucht, sondern nur dies gesagt, daß Christus nicht eher wiederkommen werde, ehe der ävouos geoffenbart sey, welchem Christus durch seine persönliche Erscheinung ein Ende machen werde, δεν ἄνθρωπος τῆς ἁμαρτίας, δεν υἱὸς τῆς ἀπωλείας, ber fid selbst in den Tempel Gottes sehen und anbeten lassen werde. Man hatte Recht, wenn man diesen Menschen der Sünde, def

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der Priesterschaft, die Schrift auszulegen, berief, die These entgegengestellt: papam esse antichristum; und in öffentlicher Disputation dieselbe so vertheidigt, daß sie bald Gemeingut des schottischen Volks wurde. Die alten Dogmatiker stellen es als Glaubenssaß der ev. Kirche auf, daß der Papst der Antichrist sey. 3. B. Turretin 16, 15 contr. 1: Constans est omnium Reformatorum et Protestantium fides, antichristum illum magnum esse papam Romanum. In der luth. Kirche ist es sogar Kirchenlehre, „daß der Papst der rechte Antichrist sey" (Schmalk. Art. 4). Die ref. Kirche in Frankreich beschloß auf der Nationalsynode zu Gap 1603, in die Conf. Gall. zwischen den 30sten und 31sten Artikel folgenden neuen Artikel einzuschalten: Et puisque l'évèque de Rome s'étant dressé une monarchie dans la chrétienté, en s'attribuant une domination sur toutes les églises et les pasteurs, s'est élevé jusqu'à se nommer Dieu, à vouloir être adoré, à se vanter d'avoir toute puissance au ciel et en terre, à disposer de toutes choses ecclésiastiques, à décider des articles de foi, à autoriser et interprêter à son plaisir les écritures, à faire trafic des ames, à dispenser des voeux et sermens, à ordonner de nouveaux services de Dieu, et pour le regard de la police, à fouler aux pieds l'autorité légitime des Magistrats, en ôtant donnant et changeant les Royaumes: nous croyons et maintenons que c'est proprement l'antechrist et le fils de perdition, prédit dans la parole de Dieu sous l'emblême de la paillarde vêtue d'écarlate, assise sur les sept montagnes de la grande cité, qui avoit son regne sur les rois de la terre; et nous nous attendons que le Seigneur le déconfissant par l'esprit de sa bouche le détruise finalement par la clarté de son avancement, comme il là promis et déja commencé de le faire. Die Nationalsynode zu Rochelle 1607 bestätigte diesen Beschluß, und wirklich ist eine neue Auflage der Confession de Foi mit diesem Artikel gedruckt worden. Aber Heinrich IV. sprach sein ernstes Misfallen darüber aus, und so ließ man in den späteren Ausgaben den Artikel wieder hinweg. Die ausführlichste Schrift jener Zeit, welche beweisen will, daß der Papst,,der Antichrist" sey, ist Du PlessisMornay's,, Mysterium iniquitatis, seu historia papatus" Saumur 1612. Du Plessis erkennt übrigens an (p. 4-5), daß,,secunda illa bestia, quae primae autoritatem exercet“ Kap. 13, 11 speciell das Papstthum bedeute. Er identificirt die verschiedenen Thiere nicht ohne weiteres.

sen Erscheinung gemäß einer Wirkung Satans erfolgen wird,“ mit dem 1 Joh. 2, 18 (vgl. V. 22 und Kap. 4, 3 und 2 Joh. 7) geweissagten „,,Antichrist" identificirte, von welchem ja ebenfalls gesagt wird,,,daß er kommen müsse." Man hatte aber Unrecht zu verkennen, daß hiemit ein bestimmtes Individuum, eine lette Anstrengung Satans, eine Quasi - Menschwerdung Satans als Nachäffung der Menschwerdung Gottes in Christo, geweissagt fet). Die Stelle 1 Soh. 2, 18: ἠκούσατε, ὅτι ὁ ἀντίχριστος ἔρχεται, καὶ νῦν ἀντίχριστοι πολλοί γεγόνασι - deren wahrer Sinn vielmehr der ist, daß Johannes in dem Auftreten einer Vielheit antichristisch gearteter Individuen eine erste Anbahnung des Auftretens des Antichristen xar' ¿§oxýv erkennt diese Stelle betrachtete man mit Unrecht so, als ob ein einziger Antichrist vielmehr nur eine Vorstufe, und die Vielheit von Antichristen die vollendetere Stufe des Antichristenthums wäre, und so kam man dazu, bei dem Antichrist nicht an ein bestimmtes, der Wiederkunft Christi unmittelbar vorangehendes Individuum, sondern an eine in einer Vielheit von Individuen nach und nach zur Erscheinung kommende Macht der Unwahrheit zu denken. Von dieser Vorstellung präoccupirt, gab man sich nun keine Mühe, in der Apokalypse nachzuforschen, ob nicht auch dort eine lezte, höchste und in ihrer Art ganz eigenthümliche Concentration widerchristlichen Wesens von der nach und nach sich entwickelnden babylonischen Macht unterschieden werde; man übersah, daß Apok. 17 Babel nicht mehr (wie Kap. 14, 8) das Thier, sondern das auf dem Thiere sigende Weib ist (Kap. 17, 5 u. 18) und daß das Thier Kap. 17 sich gegen das Weib Babel empört und Gottes Gericht an Babel vollzieht, wobei es selbst eine widerchriftliche Stellung einnimmt (V. 14.) Demnach übersah man also den wichtigen Unterschied zwischen dem scheckigen Thier Kap. 13-14 (das mit dem Weibe Kap. 17 identisch ist und gleich ihm „Babel" heißt) und dem blutrothen Thiere Kap. 17, welches an eben dieser Babel die Gerichte Gottes vollziehen muß. So warf man denn auch das Gericht über Babel (Kap. 14 und Kap. 17, 16 und Kap. 18, 2), welches durch die Empörung des rothen Thieres erfolgt, irrthümlicherweise zusammen mit dem Gericht über das rothe Thier (Kap. 19, 11 ff.), welches Christus

persönlich vollziehen wird bei seiner Wiederkunft (V. 20.) Hätte man diese Unterschiede beachtet, so würde man eingesehen haben, daß nur das rothe Thier mit dem Antichrist identisch seyn oder vielmehr in ihm sein Haupt haben kann, und nicht Babel. Da man aber einmal beide Thiere iden= tificirte, übertrug man nun den Namen des Antichrist auf die= jenige geschichtliche Erscheinung, deren prophetisches Bild man Kap. 13 erkannt hatte. *)

Diese formelle Mangelhaftigkeit thut jedoch der Wichtigkeit und Bedeutung jener reformatorischen Erleuchtung keinen Eintrag. Es war ein ähnlicher formeller Irrthum, wenn die Jünger Jesu, die Auserwählten in Israel, das von Jesu erstem und zweitem Kommen Geweissagte noch nicht zu unterscheiden vermochten, weil die wichtigen Weissagungen von der Verwerfung des Messias und daß Christus „solches alles leiden mußte," ihnen noch verschlossen waren, und sie daher sogleich die Aufrichtung seines Reiches in Herrlichkeit erwarteten und in sein Leiden sich nicht finden konnten. Krog dem war doch der Kern ihrer Erkenntniß: daß Jesus der geweissagte Messias sey, richtig. Ganz ähnlich steht es hier. Jeder Hauptpunkt einer Weissagung wird erst dann völlig verstanden, wenn er sich erfüllt; dann geht denen, die Gott an

*) Dabei muß wohl beachtet werden, daß man nicht etwa die römischkatholische Kirche als den Antichrist oder das Antichristenthum betrachtete, sondern durchaus nur das Papstthum in ihr. Mag sie selbst auch von ihrem Standpunkte aus sich gegen eine solche Unterscheidung wehren: die evang. Kirche mußte Gewissens halber diese Unterscheidung machen zwischen der Gemeinschaft unsterblicher Seelen, welche die römisch-katholische Kirche bilden und in ihr, wenn auch verdeckt und verunreint, doch soviel Gnadenmittel finden, um selig werden zu können; und zwischen der die Wahrheit verhüllenden Macht der papalen Hierarchie in ihr. Und sie hat sie gemacht. Am klarsten die ref. Dogmatiker, welche die ecclesia Romana collectiva, d. h. die sie bildende Gesammtgemeinde, als einen wirklichen Theil der ecclesia universalis visibilis, und somit als eine wirkliche, obwohl sehr unreine Kirche (ecclesia vera quanquam impurissima) anerkennen (vgl. meine christl. Dogmatik Band 2, Seite 443), während sie gleichzeitig die Institution des Papstthums in ihr für „antichristisch“ erklären. · Vgl. Calvin. inst. IV, 2, 12. Quum ergo ecclesiae titulum non simpliciter volumus concedere Papistis, non ideo ecclesias apud eos esse inficiamur, sed tantum litigamus de vera et legitima ecclesiae constitutione.

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