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EIN JUBILÄUM

DER

LATEINISCHEN BIBEL

ZUM 9. NOVEMBER 1892

Der folgende Aufsatz war ursprünglich als Zeitungsartikel zum 9. Nov. gedacht; da er unter der Hand zu ausführlich wurde, erscheint er für sich im Druck.

E. N.

Wohl in aller Stille wird am kommenden 9. November ein Tag vorübergehen, der für die Geschichte der katholischen und protestantischen Theologie grosse Bedeutung hat. Dem Schreiber dieser Zeilen ist wenigstens nicht bekannt geworden, ob in katholischen Kreisen, vielleicht in Rom, etwas für den Tag vorbereitet worden ist, an welchem die Bibel der katholischen Kirche diejenige Fassung bekam, in der sie nun seit 300 Jahren ohne alle Veränderung überall in der katholischen Welt gedruckt worden ist und nach der Verordnung jenes Tages allezeit unverändert gedruckt werden soll; in protestantischen Kreisen wird der Tag ohnedies kaum bekannt sein. An diesem 9. November des Jahres 1592, im ersten Jahr seines Pontifikats hat Papst Clemens VIII. „in perpetuam rei memoriam“ diejenige Verordnung erlassen, welche noch jetzt jeder katholischen lateinischen Bibel vorgedruckt ist und in welcher er bestimmt: nachdem der Text der allgemein verbreiteten (Vulgata-) Ausgabe der heiligen Bibel unter dem Segen Gottes durch die grösste Mühe und Arbeit hergestellt (summis laboribus ac vigiliis restitutus) und so genau als möglich von Fehlern gebessert (quam accuratissime mendis expurgatus) aus seiner vatikanischen Druckerei an die Oeffentlichkeit trete, so verbiete er, damit dieser selbe Text für die Zukunft unverderbt erhalten bleibe, kraft seiner apostolischen Autorität, dass irgend jemand innerhalb der nächsten zehn Jahre von dem genannten Tage an weder diesseits noch jenseits der Berge (tam citra quam ultra montes, daher bekanntlich das alltägliche, ultramontan") anderswo als in der vatikanischen Druckerei diese Bibel herstelle. Nach dem genannten Zeitraum aber gebiete er, aus gleicher Vorsicht, dass niemand diese Ausgabe zu drucken unternehme, ohne dass er ein in der vatikanischen Druckerei hergestelltes Exemplar zu Grunde lege; dessen Gestalt, ohne dass am Text auch nur die kleinste Partikel geändert, hinzugefügt oder weggelassen werden dürfe, unverletzlich einzuhalten sei (cuius exemplaris forma ne minima quidem particula de textu mutata addita vel ab eo detracta... inviolabiliter observetur), es sei denn, wo es sich um offenkundige Druckversehen handle. Dann werden alle diejenigen, Buchdrucker und Buchhändler, in den der päpstlichen Herrschaft unterworfenen und in den ihr nicht unterworfenen Gebieten, welche einer dieser Bestimmungen entgegenhandeln würden, bedroht, dass sie damit eo

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ipso" ausser dem Verlust der Bücher und andern nach des Papstes Gutdünken (arbitrio nostro) zu verhängenden zeitlichen Strafen auch das Urteil des grossen Bannes sich zuziehen, von dem ausser in Todesnot, niemand als der Papst selber absolvieren könne. Endlich werden alle kirchliche Gewalten, Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe u. s. w. aufgefordert, für die beständige unverletzte Beobachtung dieser Vorschriften zu sorgen, die Zuwiderhandelnden aber durch geistliche Zensuren, und andere geeignete rechtliche und thatsächliche Mittel (aliaque opportuna iuris et facti remedia) unter Aufschiebung von Appellation (appellatione postposita), wenn nötig auch unter Anrufung der Hilfe des weltlichen Arms im Zaum zu halten (invocato etiam ad hoc si opus fuerit auxilio brachii saecularis), indem alle entgegenstehenden bisherigen oder zukünftigen Privilegien, Gewohnheiten, Statuten, Erlaubnisse, apostolischen Briefe u. s. w. ausser Kraft erklärt werden. So wichtig war dem Papste das Werk, das an dem genannten Tage abgeschlossen wurde; und da die Bestimmungen dieses Tags für die katholische Christenheit bis heute in Kraft sind und für sehr lange Zeit voraussichtlich noch in Kraft bleiben werden, so dürfte es sich wohl verlohnen, auch weiteren Kreisen auf einen solchen Tag einen Einblick in diese Dinge zu gewähren. Ist es doch eine lange und äusserst interessante Entwicklung, die Geschichte der lateinischen Bibel, die mit diesem Tag für einen Teil der Christenheit, wenigstens teilweise und vorläufig, abgeschlossen worden ist.

Wann beginnt die Geschichte der lateinischen Bibel?

Wir können fast sagen, schon mit der Ueberschrift am Kreuz, die man möchte es eine unbewusste Weissagung nennen ja geschrieben war in ebräischer, griechischer und lateinischer Sprache1). Es giebt drei auserwählte Nationen der alten Welt, Juden, Griechen und Römer, drei auserwählte Städte, Rom, Athen, Jerusalem, drei auserwählte Sprachen, Hebräisch, Griechisch und Lateinisch, Hebräisch die Sprache der Religion, Griechisch die der Kultur, La

1) Welches Schulkind kennt nicht von den Abbildungen der Leidensgeschichte her das INRI über dem Kreuze? Und doch man sollte es kaum für möglich halten, aber es ist thatsächlich so hat ein gelehrter Herausgeber der Werke des Andreas Gryphius zu einer Stelle, in welcher dieses INRI neben memento mori vorkommt, geschrieben: „INRI scheint eine Zusammenziehung der Anfangsbuchstaben irgend einer Floskel!" Und nicht bloss geschrieben hat der Betreffende so in irgend einer schwachen Stunde, sondern in derselben Druckerei, in der diese Blätter gesetzt werden, ist 1878 hier in Tübingen so gedruckt worden und in einer hochangesehenen Sammlung, auf S. 92 des 138sten Bandes der Bibliothek des litterarischen Vereins schwarz auf weiss für alle Zeiten zu lesen. Was würden unsere klassischen Philologen sagen, wenn ein christlicher Theologe einmal das römische SPQR nicht mehr zu deuten wüsste!

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