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Abb. 327. Villa Borghese, Der See mit dem Asklepiostempel

NEUNTES KAPITEL

DER MONTE PINCIO UND DIE VILLEN IM NORDOSTEN

UNTER

NTER allen Hügeln Roms hat keiner im Wandel der Zeiten sein Gepräge so treu bewahrt wie der Monte Pincio, der Collis hortorum der Alten. Schon im letzten Jahrhundert der Republik war er mit Gärten bedeckt, unter denen die des L. Licinius Lucullus als die erste Pflegestätte des von ihm aus Kerasos in Pontos nach Europa verpflanzten edlen Kirschbaums eine kulturgeschichtliche Bedeutung gewannen. In der Erinnerung der Menschheit lebt Lucullus eigentlich nur als Freund raffinierter Tafelfreuden und Veranstalter üppiger Gastmäler fort; daß er ein genialer Feldherr war, der im dritten Mithridatischen Kriege (74-63 v. Chr.) die seinen Truppen an Zahl vielfach überlegene Heeresmacht des großen Gegners entscheidend schlug und durch die Ränke der römischen Kriegsgewinnler und Schieber um die Früchte seines Sieges betrogen wurde, daß er dann die Muße des Privatlebens keineswegs nur mit Schwelgerei, sondern auch im Verkehr mit Gelehrten verbrachte, seine große Bibliothek der allgemeinen Benutzung öffnete und wegen seiner milden und vornehmen Gesinnung von allen Volksschichten geehrt

wurde, wissen nur wenige. Etwa ein Jahrhundert später wurde das von ihm geschaffene Gartenparadies durch Messalina, die verworfene Gemahlin des Kaisers Claudius, berüchtigt, als sie es zum Schauplatz ihrer von Juvenal geschilderten Ausschweifungen machte.

Auf der Hochfläche des Hügels besaß auch Pompejus ausgedehnte Gärten, und zur Kaiserzeit prangte der ganze Collis hortorum mit den herrlichsten Anlagen, deren Ovid in seinen Epistulae ex Ponto" mit Wehmut gedenkt.

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Seinen späteren Namen soll der Hügel von der Familie der Pincii erhalten haben, in deren Hause, wie es heißt, Belisar nach der Eroberung Roms im Jahre 556 wohnte. Um diese Zeit stand hier etwa auf Idem Areal der Villa Medici auch eine Kirche: S. Felice in Pinciis, wohl an der Stelle, wo der heilige Felix den Märtyrertod erlitten hatte. Unter den Grundeigentümern dieser Gegend während der Kaiserzeit verdienen noch die Domitii wegen ihres auf der Höhe des Collis hortorum errichteten Grabmals Erwähnung, worin nach Suetons Bericht Neros Asche durch seine Ammen Ecloge und Alexandra und seine Geliebte Acte beigesetzt wurde.

Im Mittelalter verwilderten die Gärten des Pincio und verwandelten sich in Ödland, auf dem Ziegen weideten. Erst als sich in den Tagen des Frühbarocks das Bedürfnis nach Ziergärten und Gebüschen mit schönen Durchblicken auf landschaftlich bevorzugte Punkte fühlbar zu machen begann, kam der Hügel wieder zu Ehren. Damals entstanden an seinem Südwesthange die Villa Medici und auf der leicht gewellten Hochfläche die Villa Borghese. Aber das, was der Römer von heute unter dem Pincio im engeren Sinne versteht: der große, durch südlich üppige Vegetation und eine unvergleichliche Fernsicht ausgezeichnete öffentliche Garten hoch über der Piazza del Popolo, ist erst eine Schöpfung des beginnenden 19. Jahrhunderts. Was kein Papst unternommen hatte, tat die französische Regierung gleich nach der Vereinigung des Kirchenstaates mit dem Kaiserreich: sie legte die prächtige „Passeggiata“ mit der gleich einem Riesenbalkon über den steilen Hang vorspringenden Terrasse an, zu der außer einer breiten Fahrstraße Fußwege und Marmortreppen hinaufführen (Abb. 328). Nach dem Sturze Napoleons widmete auch der damalige Papst, Pius VII., dem Pincio seine Fürsorge. Er erweiterte die Anlage nach Osten hin und beauftragte den Architekten Valadier mit deren Umwandlung nach einem einheitlichen Plan. Auf dem mittleren Rondell, das in der neuesten Zeit in der zur Villa Borghese führenden breiten Allee aufgegangen ist, wurde damals (1822) auch der kleine Obelisk aufgestellt, mit dem Kaiser Hadrian das Grab seines vergötterten Lieblings Antinous geschmückt hatte und der im Zirkus Heliogabals neben dem

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Amphitheatrum Castrense, also in der Gegend von S. Croce in Gerusalemme, ausgegraben worden war. Und als dann in den stürmischen Frühlingstagen des Jahres 1849 der Revolutionär Giuseppe Mazzini in das die Ewige Stadt beherrschende Triumvirat gewählt wurde, war es eine seiner ersten Sorgen, auf dem Pincio die Büsten der großen Italiener aufstellen zu lassen, die, seitdem beständig vermehrt, auf hohen Sockeln eine ganze Anzahl der Promenadenwege einfassen. Es ist eine bunte Schar, die sich hier unter Palmen und Lorbeerbäumen in effigie zusammengefunden hat auch Napoleon als geborener Korse befindet sich darunter und neben manchen künstlerisch bedeutenden Büsten sieht man sehr viele mittelmäßige; aber der Gedanke, an einer vom Volke viel besuchten Stelle dem Genius des Landes steinere Hekatomben zu opfern, ist glücklich, und seine Ausführung erfüllt vollkommen ihren Zweck, den Italienern, die hier promenieren, eindringlich vor Augen zu führen, welche Fülle von Genie, Talent und Tatkraft ihr schönes Vaterland hervorgebracht hat.

Aber auch andere Skulpturen, antike wie moderne, sind hier zum Schmuck der Anlagen verwendet, und der Aufstieg zur Terrasse auf dem von der Einmündung der Via del Babuino in die Piazza del Popolo ausgehenden Fußwege läßt sich mit dem Gange durch ein Museum vergleichen. Da sehen wir zwei Columnae rostratae, mit vergoldeten Schiffsschnäbeln

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Abb. 328. Der Pincio, von der Piazza del Popolo aus gesehen

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Abb. 329. Die Piazza del Popolo, vom Pincio aus gesehen

gezierte Säulen, die einst als Erinnerungsmale im Tempel der Roma und Venus standen, sodann in Nischen eine antike Statue der Hygieia zwischen den von Laboureur geschaffenen Genien der schönen Künste und des Friedens, moderne Nachbildungen römischer Barbarenstandbilder, antike Statuen eines Kriegers und eines Vertumnus mit Füllhorn und endlich Ercole Rosas unheimlich realistisches Denkmal der Brüder Enrico und Giovanni Cairoli, das Garibaldi diesen in den Unabhängigkeitskämpfen gefallenen Helden widmete. Enrico kauert mit dem Ausdruck todesverachtender Wut am Boden, mit dem linken Arm den schwerverwundeten Bruder stützend, in der Rechten den Revolver, mit dem er sich der gegen ihn anstürmenden Päpstlichen erwehrt, bis ihn selbst das tödliche Blei trifft. Die Inschrift: „Griechenland hatte seinen Leonidas, das alte Rom seine Fabier, das moderne Italien seine Cairoli" enthält keine Übertreibung, denn von den fünf Söhnen des Arztes Carlo Cairoli, die alle für die Einigung Italiens kämpften, erlitten vier den Tod für das Vaterland, während der fünfte, Benedetto, als Minister Gelegenheit fand, seinem Könige bei dem von Passanante verübten Attentat das Leben zu retten, wobei er selbst verwundet wurde.

Was der Pincio an Skulpturen hegt, sind keine Werke ersten Ranges, aber diese Dinge prägen sich dem Gedächtnis des Besuchers unauslöschlich ein, weil sie ihm im Rahmen einer verschwenderisch reichen, echt

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südlichen Vegetation entgegentreten. Hier kommt ihm stärker als sonst in Rom zum Bewußtsein, daß er in dem Lande weilt, wo „der Lorbeer hoch und still die Myrte steht“, hier blühen die Rosen in ungeahnter Fülle; vor düsteren Zypressenwänden flammen die Blüten der Granatbüsche, und neben mächtigen Pinien und Steineichen recken Fächerund Fiederpalmen ihre Häupter, Agaven ihre Blütenschäfte so stolz empor, als wären sie auf diesem Boden wirklich heimisch. Und wenn wir dann auf wohlgepflegtem Rasen rings um ein mächtiges korinthisches Säulenkapital die edle Akanthuspflanze ihre schon von Natur stilisierten Blätter treiben sehen, dann hört ein solches Architekturstück für uns auf, ein kunsthistorischer Begriff zu sein, und wird zum Erlebnis.

Und nicht minder köstlich als die Verschmelzung von Natur und Kunst ist das Panorama der Ewigen Stadt, das sich uns von der Terrasse des Pincio darbietet, und von dem wir schon in der der Substruktionsmauer vorgebauten gewaltigen Loggia einen Vorgeschmack empfangen. Tief unten zu unseren Füßen breitet sich in schöner Ellipse die Piazza del Popolo, von deren Mitte der Obelisk zu uns heraufgrüßt (Abb. 329). Die drei von ihr nach Süden ausstrahlenden Straßen zeichnen sich als schmale Furchen in dem zunächst sehr eintönig wirkenden Häusermeer ab und erleichtern uns die Orientierung. Wir erkennen die Kuppel von S. Carlo am Corso und links davon in weiterer Entfernung den grauen Pilz der Pantheonbedachung. Die Piazza Colonna wird durch die Säule des Marc Aurel, das Kapitol durch die vergoldeten Bronzequadrigen auf den Propyläen des Viktor Emanuel-Denkmals, durch die Kirche Aracoeli und den Turm des Senatorenpalastes markiert. Ganz links ragt der Quirinal über die Dächer und neben ihm das düstere Backsteinmassiv der Torre de' Conti.

Am großartigsten jedoch ist der Blick über den Tiber hinweg nach Westen. Neben der das ganze Stadtbild beherrschenden Kuppel von Sankt Peter, die als silbrige Glocke vor dem leuchtenden Himmel steht, erhebt sich in seiner monumentalen Nüchternheit der Vatikanpalast und links davon, mehr im Vordergrunde, den Borgo trotzig bewachend, die dunkle Rotunde der Engelsburg. Und rings in weitem Halbkreis ein Kranz von schöngeformten Hügeln, die sich nach Norden zu, jenseits der alten Tiberbrücke Ponte Molle als blaue Wellen am Horizont verlieren. Hinter der Piazza d'Armi, dem Exerzier- und Paradefeld der römischen Garnison, erkennen wir auf dem weit nach Osten vorspringenden Hange des Monte Mario die schwarzen Zypressen der Villa Mellini und rechts darunter den wundersamen Architektentraum des sterbenden Raffael, die Villa Madama. Weiter nach Süden zu vermitteln die fahlgrünen Hänge des vatikanischen Hügels die Verbindung mit dem langgestreckten Rücken des Gianicolo,

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