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Oesterreich's Neugestaltung.

S. 97.

a. Grundlagen der Reformen.

Die durch die europäische Entwicklungsphase in den Jahren 1848 und 1849 herbeigeführte gewaltige Erschütterung, welche den Bestand des Kaiserstaates einer Feuerprobe unterwarf, hatte eine Läuterung und Umgestaltung aller öffentlichen Verhältnisse zur Folge, wodurch ein entscheidender Abschnitt in der inneren Geschichte Oesterreich's gebildet wird. Da das ethnographische Element sowohl an jener Bewegung als auch bei den nachgefolgten Reformen betheiligt war, so muss diese noch in der Gestaltung begriffene Staatsumwandlung um so mehr hier der Betrachtung unterzogen werden, als sonst die in den vorhergehenden Paragraphen enthaltene Uebersicht der Cultur- und Verwaltungsgeschichte Oesterreich's ihres Abschlusses entbehren würde. Während jene der Geschichte angehörende Bewegung, namentlich in soweit die ethnographischen Zustände hierauf Einfluss nahmen, bei der Darstellung der einzelnen Kronländer umständlichere Erwähnung findet, erscheint bei der Behandlung des Stammlandes der Dynastie, welches zugleich die Residenz des Monarchen und den Sitz der obersten Staatsbehörden in sich fasst, der passende Ort, um eine kurze Charakteristik dieser oft genannten und nicht immer genau gewürdigten „Neugestaltung Oesterreich's" mit der Angabe der wesentlichsten nach allen Seiten hin wirksamen Reformen zu liefern.

Um aber diese neue noch im Werden begriffene Gestaltung des Reiches klar zu machen, ist es nothwendig, auf den früheren Zustand desselben, von welchem aus die Umwandlung erfolgte, zurückzublicken1). Der Charakter des früheren Zustandes von Oesterreich wird durch den Grundsatz des „,historischen Rechtes" ausgedrückt, welcher dadurch seine Geltung gewann, dass der Hausmacht der Dynastie allmählich neue Länder zuwuchsen, welche je mit ihrer bestehenden Verfassung in den Gesammtverband aufgenommen wurden. Hierdurch gestaltete sich ein Aggregat von Besitzungen und Ländern, die, in ihrer Gesammtheit betrachtet), unter sich wenig mehr Gemeinsames als die Dynastie hatten, und deren Verband zu der Ausbildung des sogenannten „Provinzial- (oder Gleichgewichts-) Systemes" führte, dessen Schwerpunct nicht so sehr bei dem Monarchen, als bei den privilegirten Classen der einzelnen Länder gesucht werden musste. Das Verhältniss des Herrschers zu den ihm untergebenen

1) Dieser frühere Zustand und die Phasen seiner Umgestaltung sind ausführlich geschildert in dem Werke: „Genesis der Revolution in Oesterreich". Dritte Auflage. Leipzig 1851.

2) Die deutsch-slavischen Länder hatten, bei mannigfacher innerer Verschiedenheit, doch schon seit Maria Theresia in einzelnen Zweigen eine gleichförmige Gesetzgebung, die sich aber weder auf Ungern noch auf die Lombardie erstreckte.

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Ländern hielt in Folge der pragmatischen Sanction K. Karl's VI., welche die Untrennbarkeit und gleichmässige Vererbung aller österreichischen Gebiete aussprach, die Mitte zwischen der blossen Personalunion und der vollen Reichseinheit, war aber in den einzelnen Ländern in mannigfacher Weise abgestuft. So kam es, dass Oesterreich's Länder, ohne Unterbrechung regiert von einer der ältesten Dynastien Europa's, dennoch einen der jüngsten Staaten bildeten1), da die Vereinigung aller Gebiete Oesterreich's zu einem staatlichen Gesammtverbande erst durch die (mindestens in formeller Beziehung wichtige, wenngleich für die innere Verwaltung ohne wahrnehmbare Nachwirkung gebliebene) Schaffung des „, österreichischen Kaiserthums" im Jahre 1804 erfolgte. Jener frühere Länderverband und das ihm entsprechende staatsrechtliche, mit geringem formellen Unterschiede bis in die jüngste Zeit fortdauernde Verhältniss war von dem wesentlichsten Vortheile für den Bestand des Reiches, und hatte sich in allen politischen Krisen als festes Bollwerk der Krone bewährt, während es andererseits gleichwohl den materiellen Aufschwung der Reiches lähmte und dem Monarchen die oberste Staatsleitung erschwerte. Allein wie das Lehenswesen schon lange zuvor der Zeit verfallen war, so hatte sich auch die Form des staatlichen Feudalnexus überlebt; die sich unwiderstehlich verbreitenden Ideen des Jahrhundertes hatten seine Grundlage sowohl auf dem Felde der theoretischen Untersuchung, als auf jenem practischer Umgestaltungen mannigfacher Art bereits untergraben, ehe die Form gleichsam wie vor dem Hauche des Windes zusammenbrach. Dasselbe Institut, welches Jahrhunderte lang den Kampf gegen die von entgegengesetzter Seite her versuchten Angriffe siegreich bestanden, wäre nicht machtlos über Nacht dem kaum sichtbar gewordenen Wellenschlage der Bewegung gewichen, wäre nicht sein innerer Halt gelockert, seine Wurzel vertrocknet gewesen. Aber der Wegfall der wandelbaren Hülle berührte des Wesens Kern, das erhaltende Princip des grossen (in Oesterreich fast durchaus adelichen) Grundbesitzes nicht. Dieser wird neu gekräftigt aus der grossen Reform des Staatsgebäudes hervorgehen, und der besitzende Erbadel als eine Schutzwehr des Thrones sowohl in dem Gemeindeleben als in der Landesvertretung eine seiner Bedeutung entsprechende, mit der Reichseinheit im Einklange stehende Stellung erhalten.

Der historische Anwachs von Oesterreich und dessen dadurch bedingte Gestaltung lässt sich nach den Länder-Complexen in vier Gruppen gliedern. Die erste hiervon bilden die deutschen Lande, oder Nieder-, Ober-, Inner- und VorderOesterreich. Die ursprünglich auf die Besitzungen am oberen Rheine beschränkte Habsburgische Hausmacht gewann mittelst der Belehnung des Herzogs Albrecht mit (dem späteren Erzherzogthume) Oesterreich durch seinen Vater Kaiser Rudolph I. die Grundlage der künftigen Machtstellung der Dynastie. Allmählich reihten sich durch Erbvertrag, Kauf und freiwillige Unterwerfung an jenes Erzherzogthum die übrigen Herzogthümer und Grafschaften des deutschen Alpenlandes, welche, zwar wiederholt durch Erbtheilung

1) In den Staatsschriften sowie in den amtlichen Erlassen wurde bis dahin niemals vom „österreichischen Staate", und nur selten von der „Monarchie" gesprochen; für den Gesammtverband hatte sich die allgemein übliche (und auch vollkommen richtige) Bezeichnung der „Erbländer" gebildet.

zersplittert, endlich unter Kaiser Leopold I. zur bleibenden Vereinigung gelangten. Durch die goldene Bulle des Kaisers Friedrich IV. hatte der Erzherzog von Oesterreich den Ständen und privilegirten Corporationen des Landes gegenüber eine fast unbeschränkte Machtvollkommenheit erlangt, welche zwar, namentlich bei den Religionswirren, jedoch ohne dauernden Erfolg, einzuengen versucht wurde. Da auch die staatsrechtlichen Verhältnisse von Steiermark, Kärnthen, Krain, Görz und Gradisca, Triest und Tirol (wiewohl in dieser Grafschaft mit gewissen insbesondere in der Stellung eines berechtigten Bauernstandes zur Geltung kommenden Eigenthümlichkeiten) sich in einer nicht sehr von einander abweichenden Weise gestalteten, da ferner in diesen durch den gebirgigen Boden nur wenig begünstigten Ländern grosse adeliche Besitzthümer, mit welchen eine politische Gewalt hätte verbunden sein können, nur spärlich vorkamen, so bildete sich daselbst eine durch die Machtvollkommenheit des Regenten geförderte ziemlich gleichmässige Verwaltung aus, welche in der untersten Instanz dem angesessenen Adel als Patrimonial-Herrschaft überlassen war. Die geringe Ausdehnung des adelichen Besitzes und dessen Zersplitterung liess diese Oberherrlichkeit zumeist mehr als eine Last, denn als ein Recht erscheinen, wesshalb die durch die Kriege herbeigeführte Unterbrechung der österreichischen Herrschaft in einem Theile dieser Alpenländer auch die Aufhebung (beziehungsweise die Anheimsagung) der Patrimonial-Obrigkeiten und Gerichtsbarkeiten nach sich zog. In ethnographischer Beziehung entwickelte sich in denselben der deutsch-österreichische Stamm frei und ungebunden, und trieb namentlich in der Poesie die herrlichsten Blüthen; er wurde gekräftigt durch die den anderen Nationalitäten des Verbandes entsprossene, an den Hof und in die oberste Verwaltung gelangende Intelligenz, Der slovenisch-slavische, im Süden dieser Länder zahlreich vertretene, durch die Cultur noch nicht gehobene Stamm trat in seiner Isolirtheit in den Hintergrund.

Die zweite Gruppe bilden die slavischen Länder. Mit der Erwerbung von Böhmen, Mähren und Schlesien wurde Ferdinand I. der mächtigste Fürst des römisch-deutschen Reiches, und dieser Besitz fesselte die Kaiserkrone bis zum Erlöschen des römisch-deutschen Reiches an die Habsburgische Dynastie. In Böhmen hatte der angesessene, zum Theile selbst mit den eingebornen Landesfürsten verwandte Erbadel seit den frühesten Zeiten eine hervorragende politische Macht. Die aus dessen Häuptern zusammengesetzten Landstände beschränkten mannigfach die Gewalt des Landesfürsten, das Lehenssystem war nach seiner Einführung daselbst zur höchsten Blüthe gediehen, und hatte die traditionelle Macht des böhmischen Adels auf gesetzlicher Grundlage um so fester gestützt, als es zu dem historischen Glanze und dem ausgedehnten Besitzthume der Familien die Ausübung der öffentlichen Gewalt in noch vollerem Maasse fügte. Nicht nur das ganze Land und die gesammte Bevölkerung (mit Ausnahme der landesfürstlichen Städte) war dem besitzenden Erbadel unterthänig und dessen obrigkeitlicher und gerichtlicher Herrlichkeit unterworfen, sondern er übte auch das Gericht in unterer und oberer Instanz über seine Mitglieder durch deren Standesgenossen (Judicium inter pares) aus, bewilligte und hob die Steuern ein, und führte im Namen des Landesfürsten die oberste Verwaltung. Der Kampf zwischen den Landesfürsten

und dem Erbadel, welcher so viele Blätter der böhmischen Geschichte füllt, fand sein Ende mit der Schlacht am weissen Berge, in deren Folge das im Widerspruche mit Karl's IV. goldener Bulle zeitweise geübte Wahlrecht der Stände gänzlich erlosch, die letzteren eine neue Verfassung erhielten, und der früher mächtige Ritterstand gebrochen wurde, da dessen Glieder, meist der Lehre Luther's zugethan, grösseren Theiles ihre Güter verloren, im Kriege umkamen oder auswanderten. Doch blieben die Feudalrechte des Adels (dessen oberster Stand, der Herrenstand, sich durch Einbürgerung fremder Familien ergänzte und an Besitz und Reichthum zunahm) unverletzt, bis unter Maria Theresia und Joseph II. die obere Regierungsgewalt gänzlich in die Hände des Staates überging, die administrative und gerichtliche Verwaltung neu geregelt, das Loos der unterthänigen frohnpflichtigen Bevölkerung erleichtert und die Grundbelastung durch das Urbarialgesetz rechtlich festgestellt wurde. Dessenungeachtet erhielt Böhmen sammt Mähren und Schlesien nicht nur hinsichtlich der Verfassung und der privilegirten Stellung des Erbadels, sondern auch hinsichtlich der Verwaltung noch in mancher Beziehung seine Eigenthümlichkeit, wie denn die Präsidenten der landesfürstlichen Gerichtsbehörden (des Landrechtes und des Appellationsgerichtes) Mitglieder der Landstände sein mussten und die „böhmische" Hofkanzlei als oberste Verwaltungsbehörde noch bis zum Jahre 1802 bestand, und selbst nachher in der „böhmisch-österreichischgalizischen" oder „vereinigten" Hofkanzlei ihren Nachklang fand. In ethnographischer Beziehung hatte sich das Gleichgewicht zwischen deutscher und čechischer Sprache früh geordnet, indem nicht nur ein erheblicher Theil der Bewohner seit den ältesten Zeiten deutscher Abkunft war, sondern diese Länder, wie es ihre geographische Lage und ihr enger Verband mit dem deutschen Reiche mit sich brachte, unter allen slavischen Gebieten am frühesten den von den Landesfürsten geförderten Einfluss deutscher Cultur in allen Zweigen des geistigen Lebens erfuhren. Aber auch das deutsche Element Oesterreich's empfand die wohlthätige Rückwirkung dieser Verschmelzung, denn aus dem jugendlich kräftigen, mit hervorragender Intelligenz begabten čechischen Stamme strömten der deutschen Literatur und Kunst, gleichwie der deutschen Leitung des Staats- und Kriegswesens der Monarchie die tüchtigsten Mitarbeiter zu. - Galizien gelangte erst in Folge der Theilung Polen's an Oesterreich; mit der Auflösung des polnischen Staates hatten auch die politischen Rechte des einzelnen Landestheiles ihr Ende gefunden, doch wurden die Feudalrechte des besitzenden Erbadels keiner Aenderung unterzogen, ja es gelangte der Feudalnexus durch die im Jahre 1817 verliehene ständische Verfassung mindestens formell wieder zur staatsrechtlichen Geltung. Auch in der früher zu dem Fürstenthume Moldau gehörigen Bukowina, welche durch Uebereinkunft mit der Pforte (1775) an Oesterreich kam und seit 1786 als ein Kreis Galizien's behandelt wurde, blieben die Gerechtsame, welche dem grundbesitzenden Adel in der Moldau zustanden, aufrecht erhalten und wurden dem Systeme des Grundherrlichkeits-Verhältnisses angepasst. Da Galizien dasjenige Land war, wo die öffentliche Verwaltung am ungehindertsten schalten konnte, und althergebrachte Rechtsformen nicht entgegenstanden, wurde es wiederholt dazu auserkoren, dass neue Gesetze, wie die sogenannte „westgalizische" Gerichtsordnung im

Jahre 1796 und der Entwurf des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahre 1798 zuerst daselbst probeweise eingeführt wurden. Seit dem Bestande des Polenreiches war die polnische Nationalität die herrschende, während der in der Mehrzahl vorhandene ruthenische Stamm, auf tiefster Stufe der Cultur verharrend, ausser dem engsten Kreise kaum dem Namen nach bekannt war, bis er in der neuesten Zeit staatliche Anerkennung fand. In der gerichtlichen Verwaltung war die lateinische, in der politischen die deutsche Sprache vorherrschend, welche jedoch, mit Ausnahme der zahlreichen von Kaiser Joseph II. auf die dortigen Staatsgüter verpflanzten Colonien, nur noch geringe Verbreitung, meistens in den Städten und im Handelsverkehre, dessen Träger daselbst die Juden bilden, erlangte 1).

Die dritte Gruppe gestaltete sich aus den un grischen Ländern. Durch seinen ausgedehnten Umfang, sowie durch seine geographische Lage erhob sich das Königreich Ungern sammt Nebenländern unter dem Einflusse thatkräftiger Regenten frühe zu einer europäisch bedeutsamen Macht, welche indess durch innere Kämpfe und vielfachen Thronwechsel geschwächt wurde, bis das Land unter dem Schirme des Habsburgischen Scepters zur Ruhe und Consolidirung gelangte. Seine eigenthümliche Verfassung wurzelte in der Stammeseinrichtung des aus seinen Nomadensitzen hereingebrochenen kühnen Reitervolkes und fand ihren Ausdruck in der zu Pferde abgehaltenen Landes-Versammlung der adeligen Stammeshäupter auf dem Felde Rákos bei Pest. Demgemäss war die politische Macht des hohen Adels, der Reichsbarone, denen sogar die Königswahl zustand, überwiegend, welches jedoch nicht hinderte, dass die souveraine Gewalt des mit reichen Krongütern und anderen werthvollen Regalien ausgestatteten Königs sich öfter uneingeschränkt geltend zu machen vermochte. Namentlich verschaffte der verfassungsmässige Grundsatz, dass alle Güter nach dem Erlöschen der besitzenden Adelsfamilie dem Könige heimfielen, welcher sie jedoch an Andere wieder verleihen musste, dem Regenten einen grossen Einfluss auf den besitzenden hohen Adel. Der Vollgenuss der bürgerlichen Rechte und der politischen Privilegien (worunter die Befreiung von der Steuerpflicht und von öffentlichen Lasten, dann das Aviticitätsrecht oder die Unveräusserlichkeit des ererbten Grundbesitzes, insbesondere hervorzuheben sind) war mit dem Adelsstande verknüpft, welchem die Geistlichkeit und die Gesammtheit der königlichen Städte gleichgehalten wurde; der Adel bildete sohin staatsrechtlich das Volk, und es standen die Magnaten und der niedere Adel einander ungefähr in derselben Weise gegenüber, wie in den germanischen Staaten der privilegirte Adel den persönlich freien Bürgern. Das Lehenssystem, dessen Formen, namentlich bezüglich der obersten Hofämter, der heilige Stephan und seine Nachfolger mit der deutschen Cultur einzuführen versuchten, konnte in dem Lande keine Wurzeln schlagen, weil daselbst das ihm ähnliche, doch selbstständig ausgeprägte, Homagialprincip bereits seine Stelle einnahm. Dauernder erhielt sich die germanische Einrichtung der durch königliche Privilegien

1) Als bezeichnende Thatsache mag übrigens angeführt werden, dass der griechisch-nichtunirte Bischof der Bukowina, deren dieser Confession zugethanen Bewohner meist dem moldauisch-romanischen Volksstamme angehören, sein kirchliches Handbuch in deutscher Sprache veröffentlichte und noch immer veröffentlicht.

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