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Erstes Kapitel

Luther und die religiöse Bewegung bis zum Jahre 1520.

Rückblick.

Blicken wir noch einmal auf die Entwicklung zurück,

deren Darstellung wir im vorigen Bande versucht haben, so ergeben sich folgende Resultate.

Die neue Richtung in Literatur und Religion, durch eine Reihe von Jahrhunderten sich vorbereitend, bald in stiller, bald in offener Opposition gegen die herrschenden Zustände, hatte am Anfange des 16ten Jahrhunderts so ausserordentlich um sich gegriffen, daß man sie so ziemlich schon als die öffentliche Meinung bezeichnen konnte.

Ihr Princip war die Freiheit: das Streben, sich von den unnatürlichen Fesseln los zu machen, in welchen sie die herrschenden Gewalten, namentlich Kirche und Schule, gefangen hielten.

Sie wollte, gegenüber dem leeren geistlosen Scholasticismus, eine lebendige Wissenschaft, welche, gestüßt auf das Studium römischer und griechischer Vorbilder, zu

selbstständiger Forschung führte und sich nicht minder durch Klarheit und Schönheit der Darstellung, wie durch tiefen geistigen Gehalt auszeichnete.

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Sie wollte, gegenüber den abgeschmackten Glaubenslehren des Mittelalters, eine Erneuerung des ächten Christenthums: sie hob, den willkührlichen Traditionen der Kirche gegenüber, die Bibel, als die eigentliche Quelle der christlichen Lehre hervor: sie seßte, gegenüber der schnöden Werkheiligkeit des römischen Kirchenthums, die wahre Religiosität in eine fromme Gesinnung, welcher äußerliche Gebräuche, Ceremonien und dergl. nichts, als leerer Land, wären: sie verlangte von dem Christen Liebe des Nächsten, als das Hauptprincip des Christenthums, und seßte alle anderen Dogmen, alle anderen Werke, als indifferent, diesem Hauptgrundsaße nach. Sie wollte eine Reformation der Kirche und des Klerus, insbeson dere eine Veränderung der bisherigen Stellung des lezteren zu den Laien. Sie erkannte die Geistlichkeit nicht mehr als einen besondern Stand an, der als solcher schon eine größere Heiligkeit besiße, und zum Mittler zwischen Gott und dem Menschen berufen sei. Sie vers achtete vielmehr den ganzen Stand und verlangte Freiheit von seinem Despotismus in jeder Beziehung. Naments lich aber wollte sie die Herrschaft des Papstes nicht mehr anerkennen: das ganze deutsche Volk war von einem tiefen nationalen Bewußtsein durchdrungen, das es jede Abhängigkeit nach Außen als eine Schmach erkennen ließ, und eben daher auch eine gewaltige Opposition gegen den römischen Stuhl hervorrief.

Diese Ideen konnten natürlich nicht zu jener großen Geltung gelangen, die wir oben angedeutet, ohne daß

ihnen die alte Partei Widerstand entgegengesett hätte. Allein die neue Richtung unternahm auch, wie wir ges sehen, von drei Seiten her ihre Angriffe auf das alte System, von Seite des Humanismus, der religiösen Opposition und der Volksliteratur. Diese drei Elemente der Opposition, welche in den früheren Jahrhunderten meis stens vereinzelt und abgesondert gegen das alte System aufgetreten waren, vereinigten sich nun am Ende des 15ten, Anfang des 16ten Jahrhunderts miteinander und führten dadurch den Sturz desselben immer näher herbei.

So, auf das Gefährlichste in dem Besiß ihrer Gewalt

bedroht, hielt es die alte Partei für nothwendig, alle ihre Kräfte zu einem Vertilgungskriege gegen die neuen Mei, nungen aufzubieten. Es entspann sich der Streit zwischen Reuchlin und den Cölnern: und wir haben gesehen, wie er geführt ward, welch glänzenden Sieg die Anhänger der neuen Richtung über ihre Gegner davon getragen. Zwar schien der Streit nur ein Element der Opposition, den Humanismus, zu betreffen. Allein er dehnte sich immer weiter aus, und bald waren alle anderen Elemente der neuen Richtung in denselben verflochten. Schon wagte Reuchling kühnster Vertheidiger, Ulrich von Hutten, den Streit auf ein anderes, größeres Gebiet hinüberzuspielen: schon begann er, den Kampf gegen Rom selber zu unters nehmen.

Luthers innere Entwicklung bis zum Ablaßstreit.

Da, in dieser Lage der Dinge, sollten sich die neuen oppositionellen Bestrebungen sammt und sonders um einen Mann versammeln, der eigentlich gar nicht auf

der Höhe der Zeit stand, ja, wie die Folge bewies, gegen die freieren Richtungen derselben gewissermassen in Opposition trat1).

1) Luther spricht sich selbst über seine Stellung zu der Bewegung vor seinem Auftreten in diesem Sinne aus. (April 1529. bei de Wette Briefe Luthers III. 439.) „Solch Abfallen und Untergehen der Mißbräuch war bereit das mehrer Theil in Schwang, ehe des Luthers Lehre kam; denn alle Welt war der geistlichen Mißbräuche müde und feind, daß zu besorgen war, wo des Luthers Lehre nicht drein kommen wäre, damit die Leute Unterricht von dem Glauben Christi und vom Gehorsam der Obrigkeit, es wäre ein jämmerlich Verderben im deutschen Lande entstanden; denn man wollte die Mißbräuche nicht länger leiden, und stracks eine Aenderung haben, so wollten die Geistlichen nicht weichen und nachlassen, daß da keines Wehrens gewesen wäre. Es wäre eine unordige, stürmische, fährliche Mutation oder Aenderung worden (wie sie der Münzer auch anfing), wo nicht eine beständige Lehre dazwischen kommen wär, und ohne Zweifel die ganze Religion gefallen, und lauter Epicurer worden aus den Christen." Hiemit zielt er offenbar auf die freiere Richtung in Bezug aufs Christenthum, wie sie Erasmus und die Humanisten hatten. Denn Erasmus nennt er öfter denn einmal einen Epicuräer. An Wenzeslaus Linck. 7. März 1529. (de W. III. 427.) Sed judicet Christum hunc 9ɛov Lucianumque Epicurum. Auch Melanchthon sprach sich in diesem Sinne aus: an Came= rarius. 26. Juli 1529. (Corpus Reformatorum ed. Bretschneider I. 1083.) Vide, quantum judicii sit nostris inimicis ; illum (Erasmum) amant, qui multorum dogmatum semina in suis libris sparsit, quae fortasse longe graviores tumultus aliquando excitatura fuerant, nisi Lutherus exortus esset, ac studia hominum alio traxisset.

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