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Indessen ist doch nicht zu verkennen, daß Luther mit der Richtung der bisherigen Opposition noch vielmehr harmonirte, als er von ihr abwich. Gleich in dem Hauptgrundsaße kam er mit ihr überein. Zwar in der strengen dogmatischen Fassung nicht: im Gegentheile, diese gerade mochte Manche abstoßen, und Luther selbst fühlte, daß man seine Ansichten für parador halten möchte: aber was das Resultat betrifft, so stimmten sie miteinander zusammen. Beide nämlich bestreiten die Verdienstlichkeit der äusseren Werke: beide seßen die wahre Frömmigkeit nicht in Aeußerliches, sondern in etwas Innerliches, in das Gemüth, und wenn die bisherige Richtung, abgesehen von allem anderen, nur auf eine fromme Gesinnung, auf ein ächtes Gottesbewußtsein drang, so unterschied sich Luther im Wesentlichen nicht von ihr: er begriff nur Alles dieß in dem Namen Christus. Nicht unsere Werke machen uns gerecht: sondern wir machen unsere Werke gerecht. Es muß zuerst eine Aenderung des Menschen vorhergehen, dann kommt auch eine Aenderung der Werke" sagt er in dem eben angeführten ́Briefe an' Spalatin.

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Und durch dieses Bestreben, die Religion von der Aeußerlichkeit hinweg auf das Innere des Menschen zu führen, nahm er auch ein anderes Element der Opposition in sich auf, nämlich den Mysticismus. Nächst der Bibel und den Schriften Augustins waren ihm die der Mystiker, namentlich Taulers, am Liebsten: er edirte auch die deutsche Theologie. Er kenne keine Theologie, weder in lateinischer, noch deutscher Sprache, die heilsamer sei, und mehr mit dem Evangelium übereinstimme," schreibt er an Spalatin, dem er sie anempfiehlt. Es war das

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tiefe religiöse Gefühl, das er mit den Mystikern gemein hatte, und warum sie ihn so angezogen.

Sodann stand er auch durch seine Opposition gegen den Scholasticismus, dem er schon im Jahre 1516 den offenen Krieg erklärt hatte, mit der bisherigen freien Richtung in Zusammenhang. Schon im Jahre 1510 äuss sert er sich über den Streit Reuchlin's mit den Cölnern zu Gunsten des erstern '), noch entschiedener im Jahre 15142), wo er auf das Heftigste gegen die Cölner und ihre Verkeßerungen loszieht. Die Gegner wußten dieß wohl, und warfen deßhalb der Universität Wittenberg vor, daß sie eine neue Theologie aufbringe: auch erkannten diejenigen unter den Humanisten, welche ihm näher standen, diese Opposition Luthers gegen den Scholasticismus an, wie ihn denn Pirkheimer unter die Männer zählte, welche die Sache Reuchlins gegen die Cölner verfochten.

Endlich stimmte er auch darin mit der freieren Richtung überein, daß ihm die Mängel des Kirchenregiments, der schlechte Zustand des Klerus nicht verborgen blieben, wozu namentlich sein Aufenthalt in Rom, wohin er im Jahre 1510 in Angelegenheiten seines Ordens gesendet wurde, beigetragen haben mochte. Schon im Juni 1516 äussert er sich auf eine sehr derbe Weise über die Bischöffe seiner Zeit 3).

Dieser Mann sollte nun bald eine allgemeinere Bedeus tung erhalten: er ward aus dem beschränkten Kreise, in

1) An Spalatín. de I. 7.

2) Daf. 18.

3) In einem Briefe an Spalatin. bei de Mette I. 25.

welchem er bisher gewirkt, auf eine größere Bühne ges führt, wo er bald Bewegungen hervorrief, die er gewiß nicht gewollt, noch viel weniger erwartet hatte.

Luther und seine Opposition bis zur Leipziger Disputation.

Die Veranlassung, wodurch dieß geschah, ist allbefannt. Der Ablaßunfug, über den man sich schon so lange beklagt hatte, wurde gerade damals auf das Unverschämteste getrieben: insbesondere zeichnete sich dabei ein gewiffer Dominikaner Lehel durch seine Schamlosigkeit aus. Auch Luther hatte Gelegenheit, die schlimmen Folgen, welche dieser kirchliche Mißbrauch bei dem Volke hervorrief, an seinen Beichtkindern zu bemerken. Da nun die Ablaßtheorie mit der theologischen Ansicht, die er sich gebildet und von deren Wahrheit er vollkommen überzeugt war, auf das Direkteste im Widerspruche stand, so entschloß er sich, mit Entschiedenheit dagegen aufzutreten. Am 31. Oktober 1517 schlug er die bekannten 95 Thesen wider den Ablaß an der Schloßkirche zu Wittenberg an.

Betrachtet man nun diese Thesen, so muß man beim ersten Anblicke gestehen, daß sie Einem nicht viel anders vorkommen, als jene vielen theologischen Zänkereien, wie sie damals in den Schulen gebräuchlich waren.

Wirklich sahen sie auch diejenigen, welche Luther nicht näher kannten, nicht anders an. Ulrich von Hutten äusserte sich noch im Jahre 1518 in diesem Sinne: er freute sich darüber, daß nun die Theologen selber mit einander

in Händel gerathen seien, und hofft, daß sie sich gegens seitig aufreiben möchten 1). Auch Erasmus spricht sich auf ähnliche Weise aus: wenigstens hatte er die Ansicht, daß Luther doch mehr in der scholastischen Theologie bes wandert sei, als in den classischen Studien, oder in der Richtung, welche die freien Geister der damaligen Zeit bekannten 2). Ja, noch im Jahre 1519 läßt sich Mosels lanus, einer der ersten Humanisten jener Zeit, auf eine etwas spöttische Weise über den Gegenstand des durch Luther angeregten Streites vernehmen: er hält ihn für nichts weiter, als für ein scholastisches Schulgezänke, wobei das Christenthum nichts gewinne 3). Und in der That mußten den Verständigen manche seiner Folgerungen, die er aus der Theorie von der Unfreiheit des menschlichen Willens zog, als parador und unfruchtbar vorkommen, wie er denn einmal steif und fest den Sag behauptete, den er auch gegen die Minoriten in Jüterbock vertheidigte, daß dem Menschen von Gott Unmögliches geboten sei. Warum denn wäre sonst Christus gestorben? warum bete man zu Gott: dein Wille geschehe, wenn man selber seis nen Willen erfüllen könne ? 4). Auch der Saß, daß die Werke der Gerechten Lodtsünden seien, wenn sie die Ges rechten nicht selbst als Lodtsünden scheuen, mußte zum

/ 1) In einem Briefe an Nuenar. Opp. Hutteni ed. Münch. II. Und in einem Briefe an Pirkheimer. Opp. III. p. 99.

2) Epp. Erasmi. Londini 1642. Fol. 344.

3) Ibidem p. 342. Ferner Brief an Pirkheimer, vom August 1519

in dessen Opp. p. 323.

4) de Wette I. 266.

Mindesten als parador erscheinen, wie denn z. B. Zasius durchaus nicht damit übereinstimmen kann').

Indessen ist nicht zu verkennen, daß in diesen Thesen schon Keime zu Ansichten enthalten waren, welche mit der allgemeinen oppositionellen Richtung der Zeit volls kommen übereinstimmten und consequent entwickelt, zu bes deutenden Resultaten führen mußten.

Fürs Erste war die Opposition, welche gegen den Ablaß unternommen ward, ganz im Geiste der damaligen Zeit, und fand daher allgemeinen Anklang 2). Sodann kamén die Gründe, auf welche Luther seinen Angriff stüßte, ebenfalls mit der Zeitrichtung überein. Denn er seßte das Wesen der Buße, als welche der Ablaß betrachtet ward, nicht in ein einzelnes äusserliches Werk, sondern in den ganzen innerlichen Menschen. Die Buße, welche Christus gebietet, sagt er, seie nichts Anderes, als eine stete Buße aller Gläubigen auf Erden: und dieß könne nicht vom Sacrament der Buße, nämlich von Beicht und Genugthuung, die durch der Priester Amt geübt wird, verstanden werden, sondern von der wahren Reue des Menschen über seine Sünde: finde diese statt, so ist er schon dadurch aller Güter Christi und der Kirche theils haftig, und hat weiter nichts nöthig. Hier, sieht man, ist schon der Keim zu der Ansicht vom geistigen Priesterthum aller Christen enthalten und die Verwerfung aller Ceremonien und äußerlicher Werke.

1) Seckendorf Gesch. des Lutherthums. Deutsche Ausgabe. Leipzig 1714. S. 86. Zasii Epistolae. 23. Epp. Zwinglii ed. Schuler et Schultess. I. 91-94.

2) Brief Adelmanns an Pirkheimer. 19. Dec. 1517. bei Heumann Documenta liter. S. 166.

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