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erklären, und einem helleren Jahrhundert aufdringen wollen! Der Vorwurf bleibt dem Luther, daß er den Teufelsglauben seiner Zeit befestigt und demselben neue Nahrung gegeben hat; indeß es gewiß ein weit verdienstlicheres Werk gewesen wäre, die Herenprocesse abzuschaffen, als die menschliche Natur wieder völlig dem Satan zu übergeben und der Menschheit alle natürliche Kraft zum Guten abzusprechen. In dem einzigen Fürstenthum An 8bach,“ sagt Menzel *), „welches damals schwerlich über hunderttausend Seelen enthalten haben mag, haben in einem Zeitraume von 29 Jahren, von 1575 bis 1603, mehr als 1441 Menschen die Qualen der Folterwerkzeuge, 309 die Strafe des Prangers und Staupbesens, die übrigen grausamen Verstümmelungen an Ohren, Händen und Fingern nicht mitgezählt, 474 den, Tod durch das Schwert, Galgen, Rad oder Feuer gelitten. Die meisten Opfer des lehtern starben dem Herenwahne, der den in früheren Jahrhunderten erhobenen Widerspruch der Vernünftigen völlig zum Schweigen gebracht hatte, seitdem die Reformatoren diesen, erst kurz vor ihrer Zeit von einem Pabst begünstigten Irrthum durch das volle Gewicht ihres Ansehens und ihrer Überzeugung bekräftigt hatten. Herzog Heinrich Julius von Braunschweig ließ in der Nähe von Wolfenbüttel so viele Heren verbrennen, daß die Pfähle, an welche die Unglücklichen angebunden wurden, das Ansehen eines Waldes gewannen." Und wie stand es mit der vielgerühmten Freiheit der Überzeugung, welche diese. Reformatoren predigten? Wie der Pabst auf seiner Seite nur sein System in der Bibel gefunden wissen wollte, so gestatteten sie ebens falls nur, das ihrige darin zu finden; und dabei sollten sich die Protestanten noch einer herrlichen Freiheit rühmen! Nirgends haben fie die Fürsten ermahnt, dem Volke Religionsfreiheit zu gestatten, ihre Überzeugung dem Bürger nicht mit Gewalt aufzudringen auch Katholiken und Andersdenkenden kirchliche Freiheit zu gewähren, und so die Ausbreitung der neuen Lehre allein der siegenden Macht der Wahrheit zu überlassen. Der arme Unterthan war gezwungen, dem Glauben seines Fürsten zu folgen, mochte dieser nun Katholik, Lutheraner, Reformirter bleiben, oder sein Bekennt niß ändern. Die Bewohner von Pfalz-Neuburg mußten im

*) V. p. 130.

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Jahre 1542 Lutherisch werden, da der Pfalzgraf Otto Heinrich zur Lutherischen Confession übergetreten war; im Jahre 1614 beliebte es dem Herzog Wolfgang Wilhelm katholisch zu werden, und die Pfalz sah sich gezwungen, nun wieder die katholische Confession ans zunehmen. Die Rheinpfalz war, je nachdem ihre Fürsten das Bes kenntniß wechselten, in einem Zeitraum von 60 Jahren erst katholisch, dann Lutherisch, dann Calvinisch, dann wieder Lutherisch und zuleht wieder Calvinisch! — Ein barbarisches Zeitalter, wo der Unterthan selbst seine religiöse Überzeugung, vermöge welcher er ewig seelig zu werden glaubt, nach Belieben des Fürsten aufgeben und wechseln muß, wie ein Regiment die Uniform!"

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Allerdings wird auch der heutige Protestant die Verdienste der Reformatoren des sechzehnten Jahrhunderts anerkennen; er weiß, daß sie Größes geleistet haben, wenn sie auch nicht in den Fall kamen, ihrer Überzeugung bedeutende Opfer zu bringen *), sondern vielmehr von Fürst und Volk begünstigt wurden: aber er wird weder glauben, daß die Splitter von der Säule in Luther's Haus wirklich für allerlei Krankheiten geholfen haben, noch diesen Mann für einen Propheten für Gottes herzliebsten Engel" erklären und bekennen, daß,,Derjenige, welcher von dem göttlichen Luther gelobt worden fey, von Gott und Menschen ewig wohl gelobt bleibe." Ja er sieht gar wohl ein, daß auch heut zu Tage noch viele Prediger nur deßhalb,,Lutherum als den dritten und legten Eliam vorstellen, damit sie auch Elisä seyn möchten, auf denen der Geist Eliä siebenfältig ruhete, und damit kein Anderer nach ihm käme, der ‍ihnen Eingriff thun möchte! Und was Me-. lanchthon anlangt, so werden die heutigen Protestanten ebensowenig seine Schriften für allerheiligste" Werke erklären, noch, wie seine früheren Anhänger; Träume deuten, lispeln und die Augenbraunen in die Höhe ziehen, weil er diese Gewohnheiten hatte, auch sich ernstlich verwahren, daß sie ferner gezwungen werden, in die Klage des oben erwähnten Osiander einzustimmen: „Ein zu Wittenberg gemachter Doctor oder Magister ist ein armer, gefangener Mann, mit Eidespflichten in seinem Gewissen verstrickt

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*) 3wingli ausgenommen, der als Bannerträger des Cantons Zürich am 11. October 1531 in einer Schlacht gegen die katholischen Cantone auf der Wahlstatt blieb.

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und verwirrt. Denn er hat Gottes Wort verschworen und auf Philippi Lehre geschworen. Hat ihm den Knöbel lassen in's Maul binden, daß er in wichtigen Sachen des Glaubens nicht reden wolle, er hab's denn zuvor mit den Ältesten, so die Confession festhalten, berathschlaget, und mit denselben muß er bei seinem Eid bleibenin der Einhelligkeit der Confession, wenn schon die h. Schrift ein Anderes sagt, oder muß sich eidbrüchig schelten lassen. Ist alsó ein heimlicher Bundesgenosse einer solchen Conspiration, die mehr auf Menschen denn auf Gottes Wort besteht, und derhalben der Christenheit nicht wenig schädlich *)." —— Wie kann man auch nur der protestantischen Christenheit zumuthen wollen, ihr heiligstes Interesse, ihr religiöses Bekenntniß für alle Ewigkeit von den Ansichten einiger Männer des sechzehnten Jahrhunderts abhängig zu machen, von denen es noch dazu am Tage liegt, daß sie von dem gröblichen Aberglauben ihrer Zeit nicht wenig gefesselt waren? Nein, wäre da keine Rettung, dann thäten wir besser, zur katholischen Kirche zurückzukehren; denn hier ist doch wenigs stens eine lebendige Auctorität, eine Auctorität, die in ihren Personen wechselt, ein Pabst, den fast jedes Jahrzehnt neu hervorbringt; hier ist also wenigstens die Möglichkeit, daß das kirchliche Oberhaupt mit der Zeit förschreite; hier find allgemeine Concilien wenigstens vorgeschrieben, denen es frei steht, Lehre und Einrichtungen der Kirche zu verbessern: aber bei den Protestanten? da soll ein schriftlich hinterlassenes Urtheil zweier Wittenbergischen Professoren und eines Geistlichen aus der Picardie für alle Jahrtausende bindend seyn! Die Männer sind längst gestorben; sie selbst können ihre Glaubensfäße nicht mehr ändern; wollen ihre Nachkommen keine zeitgemäße Verbesserung vornehmen, dann ist der evangelischen Kirche jede Möglichkeit der Vervollkommnung abgeschnit ten, dann bleiben die Protestanten für alle Ewigkeit die elendesten Sclaven der Ansichten einiger Männer des sechzehnten Jahrhunderts! Nicht etwa eine grundlose Neuerungssucht ist es, was sich seit mehreren Jahrzehnten in der protestantischen Kirche gegen diese veralteten Lehrmeinungen regt drei Jahrhunderte sind seit jener Reformation vergangen, die Menschen sind in allen Beziehungen vorwärts geschritten - es ist ein dringendes,

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*) Die Nachweisungen bei Arnold XVI. Cap. 5. und 9.

allgemein gefühltes Bedürfniß, das in dem Kirchenwesen die von der Zeit geforderten vernunftgemäßen Verbesserungen erheischt. Nur Eines vermag in unseren Tagen die protestantische Kirche vor weiterer Zersplitterung zu schüßen: eine allgemeine Kir chenversammlung, welche entweder die vernunftgemäße Richtung der Zeit kirchlich geltend macht, oder wenigstens Glaubensfähe von einer Allgemeinheit aufstellt, bei der sich alle Parteien beruhigen können, und es dann den Gemeinden selbst überläßt, sich Prediger und Seelsorger von dem neuen oder dem alten Glauben zu wählen.

So möge denn diese Kölner Frage, welche die religiösen Interessen so allgemein in Anregung gebracht hat, weit entfernt, die Fortschritte der Zeit zu hemmen, vielmehr die Veranlassung geben, daß nicht bloß in Betreff jenes gegenseitigen Verdammens in den Glaubensartikeln, sondern überhaupt den Anforderungen eines gebildeten Zeitalters an ein religiöses Bekenntniß endlich genügt werde! Es ist nicht nur jene Frage wegen der gemischten Ehen, welche die Denkenden des Zeitalters nach den Anforderun gen der Vernunft und des Christenthums entschieden wünschen; es find noch viele andere kirchliche Glaubenssäße, die einer öffentlichen, kirchlichen Verbesserung dringend bedürfen. Seit der Begründung des Christenthums haben es die Bekenner der Christusreligion zu ihren schönsten Rechten gezählt, auf großen Synoden ihre Angelegenheiten zu berathen und zu ordnen; aber in den lezten drei Jahrhunderten scheint man ganz vergessen zu haben, daß solche allgemeine Berathungen, daß eine zeitgemäße Verbesserung in Sachen der Lehre und der kirchlichen Einrichtungen von Zeit zu Zeit unumgänglich nothwendig werden, wenn die Theilnahme der Gemeins deglieder an kirchlichen Interessen, wenn ihre Anhänglichkeit an die Confession in einer gedeihlichen Frische erhalten werden soll; und so ist es denn gekommen, daß heut zu Tage die Kirchenlehre noch immer auf ihrem mittelalterlichen Standpunct steht, indeß der größte Theil der Gemeindeglieder ihr weit vorangeeilt ist und fast mit Mißachtung auf das dahinten gebliebene Kirchenwesen zurücksieht. Wenn in neuester Zeit noch keine ernstlichen Anforderungen in dieser Beziehung geschehen sind, so liegt dies nur an der Schwie

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rigkeit des materiellen Erwerbes, der die große Mehrheit nicht daran denken läßt, Zeit und Kräfte auf geistige Interessen zu wenden. Das übervölferte Europa ist ja heutiges Tages das hin gebracht, daß die Gemeinden es fast für ein Unglück ansehen, wenn ein neues Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft geboren wird; und da die Staatsregierungen bis jeht noch keine Anstalten getroffen haben, durch wohlgeleitete, mit dem Mutterland in Verbindung bleibende Auswanderungen im Großen nach den menschenleeren Ländern Australien's und Amerika's diesem Übelstande abzuhelfen, so üben diese bedrängten Verhältnisse fortwährend auch in religiöser Beziehung den nachtheiligsten Einfluß aus und wirken für geistige Interessen höchstens nur in so weit förderlich, daß sie die Menschen zwingen, auf allerlei Mittel und Erfindungen zu finnen, um ihre physische Existenz zu sichern. Der Bürger, welcher sich von frühem Morgen bis in die späte Nacht an den Karren spannen muß, um nur für sich und die Seinigen die nothwendigsten Lebensbedürfnisse` herbeizuschaffen, erliegt unter der Last seiner häuslichen Sorgen und wird gleichgültig, ja abgestumpft für alle höheren Interessen; ihm ist es so ziemlich einerlei, ob man so oder anders in den Kirchen predigt: weiß er ein paar Groschen mehr zu verdienen, das ist ihm weit wichtiger. Vor Zeiten, wo man noch leichter in der Welt sein Fortkommen fand, da haben die Menschen wohl ihren geistigen Interessen diese oder jene Stellung im äußeren Leben willig geopfert, ja auch gerne und schwer gelitten für ihre Überzeugung; aber heutiges Tages ist „Versor gung!" der oberste Wahlspruch des Geschlechtes, und das Ringen der Einzelnen nach einer glücklichen Unterkunft läßt gemeinsame Bestrebungen für die höheren Fragen der Menschheit so wenig mehr zu Stande kommen, daß man Solche wohl gar für thöricht und leichtsinnig hält, die ihnen ein Opfer zu bringen bereit sind. Aber so erfüllen wir wahrlich unsere geistige Bestimmung auf Erden nicht, und jeder Blick zum gestirnten Himmel, der die Hinfälligkeit dieses Erdenlebens und unsere unendliche Zukunft uns vor die Seele führt, muß uns tief in unserem Innersten beschämen. Soll die Sorge für unseren Körper unsere Kräfte hauptsächlich und fast einzig in Anspruch nehmen, sollen sich ihm alle geistigen Interessen unterordnen; so stehen wir nicht mehr auf der Stufe vernünftiger Geschöpfe, sondern auf der des Thie

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