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Verstümmelung oder Fälschung des Textes blos aus inneren Gründen anzunehmen, könnte man nur dann berechtigt sein, wenn wirklich im Texte der Urkunde solche päpstliche Rechte zugestanden wären, welche es nach der Geschichtserzählung Malaterra's nicht sind, mit anderen Worten: wenn der Wortlaut des Textes der Urkunde mit der den Rechten des heiligen Stuhles günstigeren Erzählung Gaufreds nicht vereinbar wäre. Das ist aber nicht der Fall. Wir werden dafür unten den Beweis liefern, welcher durch eine dem Baronius unbekannte Urkunde seine Bestätigung erhält. Liegt aber ein innerer zwingender Grund zu einer solchen Annahme nicht vor, so scheint mir die Annahme einer Verstümmelung der Urkunde um so gewagter, als sie in Handschriften Malaterra's nicht nur keine Unterstüßung findet, sondern vielmehr durch dieselben ausgeschlossen sein dürfte. Die Annahme einer Fälschung ist denn doch nur unter der Voraussetzung zulässig, daß es keine andere unabhängige Handschriften gibt, in welchen sich die verdächtigen Stellen auch finden. Allein Caruso führt in seiner Vorrede zu Malaterra 1 neben der Handschrift, welche Surita zur Herausgabe des Malaterra vorlag, noch drei weitere Handschriften auf, eine in der Bibliothek des Marchese von Jarratona, eine zweite, die vielleicht aus dem Archive von Traina stammt, im Besiße des Fürsten Octavius Montaperto, und eine dritte im Collegium zu Palermo, — unter welchen jedenfalls die erstere, nach dem, was er darüber sagt 2, von sehr hohem Alter gewesen sein muß. Man kann die Aussagen Caruso's, welcher im Auftrage des Königs Victor Amadeus seinen Discorso istorico-apologetico sopra la monarchia di Sicilia schrieb, mit Vorsicht und selbst mit Mißtrauen aufnehmen; aber ihm den Glauben zu versagen, wenn er sagt, er habe die Handschriften eingesehen, und wenn er seinen Zeitgenossen den Ort angibt, wo sie Jedem zugänglich waren und wohl noch sind, dazu ist man nicht berechtigt. Nun aber enthalten alle diese Handschriften, deren Varianten Mira in seiner Ausgabe Caruso's genau notirt 3, jene bestrittene Stelle, und es ist demnach der Verdacht einer Fälschung als unbegründet zurückzuweisen.

Dem Einwande gegen die Ertheilung der Legation, daß Urban II., begeistert für die Freiheit der Kirche und kämpfend im Geiste Gregors VII. gegen die Laieninvestitur und Usurpation der kirchlichen Rechte durch die Fürsten, nicht im Stande gewesen sei, eine solche exorbitante geistliche

1 Muratori, Script. V, 541 sq. Roccus Pirrus, Eccles. panormitan. notitia, Graevius, thesaurus t. II, p. 42.

2 Muralori 1. c.: Inter antiquissimos charactere et notis literarum contractis vidi illud sc. exemplar, quod extat in bibliotheca marchionis Jarratanae. Vidi etiam antiquum . . .

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3 Caruso, Discorso etc. p. 223 sqq.

Gewalt in fürstliche Hände zu legen, sezen die Gegner die Thatsache entgegen, daß auch Papst Sylvester II. den König Stephan, den Heiligen, für seine Verdienste um die Begründung und Ausbreitung des Christenthums in Ungarn mit der Legation in diesem Reiche betraut habe 1, daß Urbans gleich energischer Nachfolger, Papst Gregor IX., dem Könige Bela von Ungarn für ein weiteres, erobertes und dem Christenthum gewonnenes Gebiet, zwar nicht dem Namen, aber doch dem Wesen. nach eine Art Legation ertheilt habe 2. Freilich ist die Ertheilung einer Legatengewalt an einen Fürsten etwas Außerordentliches, indeß ist sie rechtlich nicht unmöglich, und die Aechtheit des Diplomes einmal vorausgesezt, käme es vorerst auf die Feststellung des Umfangs der ertheilten Gewalt an, ehe man die Gewährung des Privilegs als exorbitant und moralisch unmöglich bezeichnen könnte. Nicht die Uebertragung einer sehr scharf begrenzten Berechtigung in kirchlichen Sachen an einen Fürsten an und für sich könnte man im Geiste jener Zeiten und überhaupt ohne weiteres für exorbitant und moralisch unmöglich erklären; wohl aber waren und sind es die Ansprüche, welche die Fürsten Siciliens daraus ableiteten, und weder Urban II. noch irgend ein anderer Papst hätte jemals derartige geistliche Befugnisse an weltliche Fürsten übertragen können. Baronius urgirt auch den oben genannten, jedenfalls nicht stringent beweisenden Einwurf nicht, um so entschiedener aber jenen andern: daß, wenn die Aechtheit der Bulle zugegeben werde, dann das dadurch ver liehene Privileg der Legation sich in keiner Weise über den Grafen und seine beiden Söhne Simon und Roger hinaus erstrecken könne. Nur diesen sei es nach dem Wortlaute des Diploms verliehen, und mit ihrem Tode habe es erlöschen müssen. Dieses Argument des Baronius ist in der That der Art, daß alle Bemühungen der Gegner, es zu beseitigen 3, sich als fruchtlos erweisen. Die entscheidende Stelle der Urkunde spricht nur aus, daß der Papst sich des Grafen Roger oder seines Sohnes Simon, oder des anderen, wenn er sein rechtmäßiger Erbe werde, an Legaten Statt bedienen wolle: firmamus quod omnis vitae tuae tempore, vel filii tui Simonis aut alterius, qui legitimus tui heres extiterit.

Graf Roger hatte nur die zwei Söhne, Simon und Noger, die ihm auch in der Regierung folgten. Auf Roger und diese beiden schränkt der Papst mit weiser Vorsicht in unzweideutigen Worten die Wirksamkeit des Privilegs ein, und man kann, ohne dem klaren Wortlaute Gewalt an

1 Fejer, Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus et civilis (Budae 1829), I, 274.

2 Christian. Lupus, de appellationibus (Bononiae 1742), cap. XIV, p. 52 sqq. 3 Nach dem Vorgange der älteren Autoren Siciliens widmet Dupin, Défense de la Monarchie, der undankbaren Aufgabe ein ganzes Capitel (VI. p. 35 sqq.).

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zuthun, das legatenartige Mandat nicht über Simon und seinen Bruder Roger II. hinauserstrecken. Es heißt den Gesezen der Grammatik Hohn sprechen, wenn man das alterius auf jeden beliebigen (alium) Nachfolger Rogers I. auf dem Throne deuten will 1. Auch der Wortlaut der Geschichtserzählung Malaterra's spricht zu Gunsten dieser Einschränkung; denn nach ihm soll, dum ipse comes advixerit, vel aliquis haeredum suorum zeli paterni ecclesiastici executor superstes fuerit," kein Anderer als Legat in Sicilien gegen ihren Willen bestellt werden. Zeli paterni executores konnten im eigentlichen Sinne nur die beiden Söhne genannt werden. Wenn nun auch das alterius der Bulle dem paternus Malaterra's nicht seine wörtliche und nächste Bedeutung firirte, und ohne diese Erklärung nach dem Sprachgebrauche das paternus sich) über die Söhne hinaus auf entferntere Nachkommen des Grafen erstrecken könnte, so würde es sich immerhin nur auf die weitere leibliche Descendenz Rogers, auf Enkel, Urenkel 2c. anwenden lassen; es könnte dann nur die normannische Dynastie Rogers mit der Legation betraut erscheinen, mit dem Erlöschen jener wäre nothwendig auch diese erloschen. Es hatte demnach weder die Dynastie der Hohenstaufen, noch die der Aragonier oder die der Habsburger, oder die von Savoyen jemals ein Anrecht auf die Legatengewalt. Der Begriff der leiblichen Descendenz, welche Malaterra klar genug verlangt, kann nicht mit dem der einfachen Thronerbfolge zusammenfallen. Indeß, das alterius und paternus erläutern und bestärken sich dem genuinen und nächsten Sinne nach gegen= seitig, und wenn man nur endlich den Worten ihre Bedeutung wieder geben wollte, würde man zugeben müssen, daß die vorgebliche Legation jedenfalls mit dem Tode Rogers II. unterging.

Dieses Resultat in Betreff der Tragweite der Bulle, wenn sie ertheilt wurde, ist uns zunächst von großer Wichtigkeit zur Abwägung eines anderen von Tedeschis sehr stark betonten Argumentes gegen die Aechtheit der Bulle. Er hebt mit Emphase hervor, daß in den mannigfachen Streitigkeiten und Verhandlungen der Päpste seit Urban II. mit den Nachfolgern des Grafen Roger auf das Privileg oder das Diplom durchaus kein Bezug genommen werde. Dies müsse um so auffallender erscheinen, als doch den nächsten Nachfolgern des Grafen, namentlich dem Sohne Roger II., eine solche Auszeichnung Rogers I. und seiner Erben nicht unbekannt sein konnte und als diese Fürsten zu einer solchen Berufung auf das Privileg um so mehr veranlaßt waren, als ihnen die darin vorgeblich ertheilten Rechte von den Päpsten Honorius II., Jnnocenz II. und Lucius II. bestritten und vorent

1 Dupin 1. c. chap. VI, p. 36.

halten wurden. Aber von einer solchen Berufung finde sich auch nicht eine Spur. Dieß führe zu der Annahme, daß das Diplom thatsächlich niemals ertheilt und daher unächt sein müsse1.

Ist die Annahme richtig, daß im Falle der Aechtheit des Diplomes seine Tragweite nur bis auf die Regierungszeit Rogers II. sich erstreckt, so hatten die späteren sicilischen Fürsten kein Recht und keine Veranlassung, sich auf diese Urkunde zu berufen, und nur bei Roger II., dem Sohne und Nachfolger des Grafen (der erste Sohn Simon starb bald nach dem Vater), könnte es auffallen, wenn er dieß nicht gethan hat. Diese Thatsache aber läßt sich nicht beweisen. Die Berichte der Zeitgenossen sind zu lückenhaft und spärlich, um einen solchen sichern Rückschluß zu erlauben. Es wird dieß erhellen, wenn wir uns die Berichte der gleichzeitigen Geschichtschreiber über die Streitigkeiten zwischen den Päpsten und Roger II. vorführen. Die Darstellung der Beziehungen Rogers II. zur Curie ist ohne dieß für unsere Aufgabe unerläßlich.

Im Juli 1101 hatte Graf Roger I. sein thatenreiches Leben beschlossen. Er hatte in Sicilien und Calabrien eine festgeschlossene, durch Geseze und Verwaltung wohl organisirte Feudalmonarchie gegründet, über die er in Milde und Gerechtigkeit gegen die unterworfenen Völkerschaften, die Sarazenen nicht ausgeschlossen, regierte. Dieß verlieh dem jungen Staate eine innere Festigkeit und Ruhe, welche ihn, wie es schien, befähigte, die übrigen, seit fast einem Jahrhunderte in Gährung und Auflehnung begriffenen staatlichen Elemente Unteritaliens in die Einheit des großen Normannenstaates einzufügen. Diese Aufgabe nahm sein zweiter, ihm an Tapferkeit und ehrgeiziger Energie gleicher Sohn Roger II. auf. Dem Herzog Robert Guiscard war in Apulien sein Sohn Roger, darauf sein Enkel, der Herzog Wilhelm, gefolgt, beide friedfertig und schwach. Daher kam es, daß die Barone des Herzogthums übermüthig ihr Haupt erhoben und das unter der eisernen Hand Roberts geeinte Herzogthum wieder in Auflösung zu zerfallen drohte 2. Auf diese Gebiete hatte Graf Roger II. bereits bei Lebzeiten seiner Neffen lüstern sein Auge gerichtet.

Dem ohnmächtigen Herzoge Wilhelm gewährt er gegen den Grafen von Ariano Hilfstruppen und Geld nur um den Preis, daß dieser ihm die von Robert vorbehaltene Hälfte von Palermo überläßt und halb Calabrien ihm verpfändet 3. Obschon die Barone Apuliens und die

1 Tedeschis, Istoria cap. VIII, p. 72. Baronius 1. c. n. XXII. führt dieß als ein Argument für die Verstümmelung des Diplomes an. Man müsse daraus schließen, ipsum (diploma) haud ejusmodi fuisse, ut nunc describitur Ecclesiae Romanae adversum.

2 Romuald. Salernitan. a. 1125. Pertz Script. XIX, 418.

Romuald. 1. c. Faleo Beneventan. ad a. 1122. Muratori V, 98.

Päpste seinen Plänen gleichmäßig entgegenwirkten, und lettere sogar bei dem Aussterben der Dynastie Robert Guiscards ihre unmittelbare Herrschaft über Apulien geltend machen wollten 1, benutzte er die Abwesenheit Wilhelms zur Werbung um die Tochter des Kaisers Alerius in Constantinopel 2, um in das der Obhut des Papstes anvertraute Herzog= thum feindselig einzufallen. Vergebens eilte Calixt II. nach Unteritalien, um den Frieden zu vermitteln 3. Der gegen Roger II. eröffnete Kampf endete so unglücklich für den Papst, daß seine besten Cardinäle und Viele aus dem Gefolge den Tod fanden und Calixt selbst tiefgebeugt in der folgenden Vereinbarung der Willkür Rogers preisgegeben war 4. Welcher Art die Zugeständnisse waren, zu denen der gebrochene Papst genöthigt wurde, darüber fehlen uns alle Nachrichten. Als aber im Jahre 1127 der Herzog Wilhelm kinderlos starb, beanspruchte und beseßte Roger II. auf Grund des Testaments Wilhelms, der ihn gegen große Geldsummen zum Erben eingesetzt hatte 5, das Herzogthum Apulien und die übrigen von Wilhelm beherrschten Gebietstheile. Sein wiederholtes Gesuch um Gewährung der Investitur beantwortete Honorius II. mit der feierlichen Excommunication . Der Feldzug, welchen der Papst 1128 mit den Baronen Unteritaliens gegen Roger unternahm, hatte einen kläglichen Ausgang und führte zu einem Vertrage, kraft dessen Roger mit dem Herzogthum bei Benevent investirt wurde 7. Von Verhandlungen über kirchliche Rechte wissen wir nichts. Sie scheinen nur politischer Natur gewesen zu sein 8. Wenn Honorius schon vor dem Streite im November 1127 den Roger excommunicirte, weil er den Bischöfen Siciliens nicht nach Rom zu gehen gestattete 9, so allegiren die Sicilianer dieß als eine Thatsache, die auf ein im Diplom Urbans II. ertheiltes Recht hinweisse, welches vielleicht Roger mißbraucht habe. Unserer Ansicht nach beweist

1 Cuius (sc. Guillelmi) ducatum Honorius Papa dominio apostolicae sedis mancipare sategit. Ordericus Vitalis, Walterich II, 164. Nota.

IX,

2 Vita Calixti II. a Pandulfo romano diacono conscripta, Watterich II, 116. 3 Romualdus 1. c. p. 417. Chronicon trium tabernarum, Ughelli, Italia sacra

364.

4 Pandulf. 1. c.: et demum quidquid voluit ipse comes Rogerius cum Papa semivivo peregit.

5 Romuald. 1. c. p. 418.

6 Alexander Telesinus, de rebus gestis Rogerii II, lib. I, cap. 8. Muratori V, 617. Falco Beneventan. a. 1127, Muratori V, 103 sqq

7 Falco Beneventan. a. 1128, Muratori V, 105: Apostolicus. . . ducatus ei tribuit honorem, et ducatu accepto, dux ille sacramento juravit.

Honorii II. vita a Bosone Cardinali conscripta, Watterich II, 159: Ponti

fex cum praedicto comite salvo ecclesiae jure concordavit.

9 Romuald. 1. c. p. 418: hoc anno Rogerius comes Sicilie excommunicatur ab Honorio papa, quia non permittebat ut episcopi Sicilie venirent Romam. Sentis, Monarchie in Sicilien.

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