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auch die geschichtlichen Erscheinungen und ebenso die Gebilde des geistigen Lebens sind durch gewisse Factoren bedingt. Wenn im Verlaufe der Geschichte bestimmte Vorstellungen so mächtig heranwachsen, dass sie die Oberherrschaft in den Gemüthern erlangen, muss sich wol jedem, der nach dem Grunde der Erscheinungen zu suchen gewohnt ist, die Frage aufdrängen: warum diese Vorstellungen gerade um diese Zeit eine so gewaltige Macht gewinnen, die sie ein andermal wieder verlieren? Warum sie in dieser bestimmten Form zur Herrschaft kommen, zu einer andern Zeit eine andere Gestalt annehmen? Die Lösung solcher Fragen vom culturgeschichtlichen Gesichtspunkte darf wol versucht werden, und die Neigung, herrschende Vorstellungen nach ihrem Zusammenhange zu begreifen, wird sich nicht abschwächen, wenn diese auch als Wahngebilde bezeichnet werden. Denn auch eine Geschichte der Wahngebilde eines Volks oder der Völker kann nicht ohne Bedeutung sein, da jene, wenngleich als Kehrseite der Bildung oder als Verbildungen betrachtet, mit der Individualität eines Volks aufs innigste verwachsen sind und aus dessen Bildungsprocesse hervorgehen. Mögen derlei Erscheinungen immerhin mit einem kritischen Ausschlage verglichen werden: sie erregen mit dem pathologischen Interesse zugleich das culturhistorische, weil sie, wie die Bildung selbst, durch eine Menge Factoren bedingt sind, weil auch an ihnen das Gesetz menschlicher Entwickelung zu Tage tritt, weil sie mit dieser Hand in Hand gehen, die Eigenthümlichkeit eines Volks abspiegeln, die Wandlungen des menschlichen Bewusstseins mitmachen.

Einer aufmerksamen Beobachtung wird es nicht entgehen, dass gewisse Factoren die Anregung zur Erzeugung und Gestaltung bestimmter Vorstellungen geben, und dass im allgemeinen zwei Hauptfactoren in die Entwickelung der Menschheit eingreifen: Natur und Geschichte. Diese bedingen den Bildungsprocess überhaupt und bieten die massgebende Anregung zur Gestaltung bestimmter Anschauungsweisen. Bei Naturvölkern, die der allgemeinen geschichtlichen Bewegung abseits, gleichsam ausserhalb der Strömung am festen Ufer stehen, ist das vornehmliche Anregungsmittel die sie umgebende Natur; bei den Culturvölkern des Alterthums, die laut ihrer culturhistorischen Mission ihren Arbeitsantheil an die Weltgeschichte abgegeben haben, hat ausser der Natur auch die Geschichte ihren Einfluss geltend gemacht; die später auftretenden Völker

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haben die Anregung vornehmlich aus den geschichtlichen Verhältnissen empfangen, obschon das Naturmoment auch bei diesen nicht ausser Kraft ist. Der Mensch ist ein geschichtliches Wesen", bemerkt Lazarus,,,alles in uns, an uns ist Erfolg der Geschichte, wir sprechen kein Wort, wir denken keine Idee, ja uns belebt kein Gefühl und keine Empfindung, ohne dass sie von unendlich mannichfaltig abgeleiteten historischen Bedingungen abhängig ist."1 Gleiches gilt wol auch von ganzen Völkern. Kein Volk schafft eine Cultur ganz aus sich selbst, jede ist die Summe der seitherigen Ergebnisse der Weltentwickelung, die es aufnimmt und, mit dem eigenen Geiste verarbeitet, der Nachwelt als Erbe hinterlässt. Das ist die Tradition der Cultur.

Bei einer Studie über die Vorstellung vom christlichen Teufel, der im Mittelalter den kirchlichen Glaubenskreis ausfüllt, wird der unbefangene Forscher zunächst in die ersten christlichen Jahrhunderte zurückblicken müssen und, indem er dem Ursprunge dieser Vorstellung nachspürt, führt ihn der Weg durch das Neue Testament zu den Hebräern und denjenigen Völkern, mit welchen jene in Berührung gekommen sind. Der Dualismus von guten und bösen Wesen, der bei den Parsen, deren Verwandten, bei den Aegyptern in die Augen fällt, die dualistische Anschauung, die in den Mythologien aller Culturvölker mehr oder weniger entschieden auftritt, muss die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und zum weitern Rückschreiten auf der Stufenleiter der verschiedenen Religionen nöthigen. Bei den Naturvölkern angelangt, wird sich die Thatsache herausstellen, dass auch in allen Naturreligionen der Dualismus zum Ausdruck kommt, und an diese Wahrnehmung knüpft sich die Aufforderung, den Grund dieser Erscheinung auf dem Gebiete der Anthropologie zu suchen, das menschliche Bewusstsein, das zur Bildung einer solchen Vorstellung angeregt wird, zu betrachten.

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,,In allen Zeiten", sagt der Naturforscher, hat der denkende Mensch versucht, sich Rechenschaft zu geben über den Ursprung der Dinge, um sich Aufschluss zu verschaffen über den Grund ihrer Eigenthümlichkeiten." 2 Sollte denn dieses Streben nur auf die Dinge ausserhalb des Menschen beschränkt bleiben, hat nicht der zum Denken erwachte Mensch seine eigene

1 Zeitschrift für Völkerpsychologie, II, 437. 2 Liebig, Chemische Briefe, S. 79.

geistige Thätigkeit und deren Producte zum Gegenstande seiner Denkoperation gemacht? Ein Versuch, die Vorstellung von einem bösen Wesen, vom Teufel, im Zusammenhang mit der Natur, den geschichtlichen Erscheinungen und deren Conjuncturen darzustellen, ist vorliegende Schrift. Sie will versuchen, die Geschichte des Teufels nach seinem Ursprunge und seiner weitern Entwickelung unter culturgeschichtlichem Gesichtspunkte darzustellen, will auf die Momente hinweisen, die überhaupt zur Vorstellung von einem bösen Wesen anregen, will den religiösen Dualismus bei den Naturvölkern und den Culturvölkern des Alterthums nachweisen, sie will zeigen, wie innerhalb der christlichen Welt die Vorstellung vom Teufel Raum gewonnen und im Verlaufe der Geschichte eine alle Gemüther beherrschende Macht erlangt hat. Die Geschichte des Teufels will gewisse Hauptfragen zu lösen versuchen, als: wie gelangt der Mensch überhaupt zur Vorstellung von der Existenz eines übermenschlichen bösen Wesens, oder wie bildet sich der religiöse Dualismus? wobei der Ausgangspunkt vom menschlichen Bewusstsein angegeben ist. Bei der christlich-kirchlichen Vorstellung vom Teufel handelt es sich um Factoren, welche die allgemeine Verbreitung dieser Vorstellung gefördert haben. Daran knüpft sich die Frage: warum diese Vorstellung gerade zu einer bestimmten Zeit so mächtig geworden, welche Wandlungen sie erlebt, warum sie wieder abnimmt, welches die Ursachen der Abnahme sein mögen? u. dgl. m. Manche, und vielleicht wichtige Momente, die in die Geschichte des Teufels eingreifen, mögen dem Verfasser entgangen sein, daher seine Schrift auch nur auf die Bedeutung eines Versuchs Anspruch machen darf. Denn es ist gewiss:,,im geschichtlichen Zusammenhange der Dinge schlägt ein Tritt tausend Fäden, und wir können nur einen gleichzeitig verfolgen. Ja wir können. selbst dies nicht immer, weil der gröbere sichtbare Faden sich in zahllose Fädchen verzweigt, die sich stellenweise unserm Blicke entziehen." 1

Wien, im März 1869.

Dr. G. Roskoff,

ordentl. Professor an der k. k. evangel. theolog. Facultät in Wien.

1 Fr. Alb. Lange, Geschichte des Materialismus (1866), S. 282.

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