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§ 7. Die Folter.

Als zur Zeit der Reformation und zum Theil schon früher die Fürstenmacht in Europa gewaltig zunahm, im allgemeinen unter freudiger Beistimmung und starker Beihülfe des Volkes, welches des aristocratischen Regiments, das im Mittelalter geherrscht hatte, müde war, führten die Fürsten fast überall das römische Recht ein, dem das Volk in Deutschland anfangs großen Widerwillen und rühriges Widerstreben entgegentrug. Das römische Recht brachte zwei Institutionen, die die Herenprocesse ermöglicht, und ihnen die eigenthümliche Gestaltung gegeben haben: 1) die Verfolgung der Verbrechen von Seiten des Staats, während im deutschen Rechte dies nur auf Privatantrag und auf Anklage von Seiten des Geschädigten geschehen war, und 2) die Ueberführung der nicht auf handfester That ertappten Verbrecher nur durch ihr eignes Geständniß, welches das altdeutsche Rechtsverfahren ebenso wenig, als es jetzt bei den Schwurgerichten erforderlich ist, verlangte. Das Geständniß war der feste Punkt, auf welchem das Urtheil der Richter basiert war, und an der Wahrheit desselben zu zweifeln, war den damaligen Richtern undenkbar, wie es auch zu Stande kommen mochte. Denn in dem gewöhnlichern Falle, daß es nicht freiwillig abgelegt wurde, mußte es durch die Folter erpreßt werden. Der leitende Gedanke war dabei der, daß man mit Hülfe der Tortur entweder die Scham, welche dem Verbrecher den Mund schloß, oder den Troß und die quälende Furcht vor schwerer Strafe zu überwinden gedachte. Hatte der Angeklagte auf irgend eine Art erst einmal bekannt, dann war anzunehmen, daß er weiterhin ohne Widerstreben mit seinen Bekenntnissen fortfahren und dieselben „loco libero confirmieren“ würde. Angewandt wurde die Folter natürlich nur in dem Falle, daß der Richter von der Schuld des Angeklagten fest überzeugt war, und die Anwendung derselben erfolgte demnach im ordentlichen Gerichtsverfahren nur auf Grund eines besondern Urtheils.

Schon von Anfang des vorigen Jahrhunderts an forderte die mit der steigenden Bildung mächtig wachsende Humanität die Abschaffung der Folter. Es ist uns jetzt schwer, uns in die Lage eines Richters hinein zu denken, wenn er bei der Marterung eines Angeklagten zugegen sein mußte. Aber dem Zeitalter der Orthodoxie und des unerschütterlichen Teufelsglaubens galt ja das Menschenleben, dies Wandeln im irdischen Jammerthal, das nur die Vorbereitung auf das ewige Leben sein und keinerlei Werth in sich selbst haben sollte, recht wenig. Die Richter hegten eine Art grimmiger Zärtlichkeit gegen den geständigen und reumüthigen Verbrecher; sie sahen es als dessen größtes Glück an, wenn er seine Schuld auf dem Schaffot büßte. Und über solche, die durchaus nicht gestehen wollten, urtheilt der Verfasser des Werks: „Leben und Uebelthaten Lips Tullians" (1718), das ich ausdrücklich zu dem Zweck durchgesehen habe, um ein Urtheil darüber zu gewinnen, wie man damals in juristischen Kreisen über die Anwendung der Folter dachte, als schon viele Stimmen deren Abschaffung forderten: „Das Herz ist eisenfest, viel härter als ein Stahl, Die Marter ist umsonst, vergebens alle Qual.“ Das Unglück ist doch groß; sie müssen endlich spüren, Daß sie durch ihren Troß die Seligkeit verlieren.

In Betreff der Herenprocesse muß folgendes hervorgehoben werden. Erstens mußte in den weitaus meisten Fällen die Anklage im Namen des Staats geschehen, da selbstverständlich durch das Teufelsbündniß, das man vorausseßte, kein andrer Mensch geschädigt wurde, folglich auch von Seiten eines Einzelnen Privatklage nicht erhoben werden konnte. Da man fest an die Möglichkeit glaubte, daß die Here durch ihre Teufelskünste Denuncianten und Zeugen schädigen könnte, so wurden diese meist den Angeklagten nicht gegenübergestellt und oft genug auch nicht genannt; so konnten Bosheit und Gehässigkeit vielfach frei wirken, obwohl Todfeinde schon nach der Vorschrift des Herenhammers als Zeugen nicht zugelassen werden sollten; war es doch Sache des Richters, darüber zu urtheilen, ob wirklich Todfeindschaft vorhanden war.

Ferner war ein andres Rechtsmittel den Heren gegenüber, die sich ganz von Gott abgewandt und dem Teufel ergeben haben sollten, ausgeschlossen, der Reinigungseid. War der Richter von der Schuld des Angeklagten nicht ganz fest überzeugt oder lagen nicht ganz sichere Verdachtsgründe vor, so wurde dem Angeklagten auferlegt, zu schwören, daß er die That nicht begangen habe. Ein curioses Ding dieser Reinigungseid, von dessen Unwirksamkeit gerade den schweren Verbrechern gegenüber die Juristen sich längst überzeugt haben mußten! „Und mochte er den Eid abzulegen nicht faul gewesen sein“, urtheilt die schon citierte Schrift über Lips Tullian an einer Stelle darüber. So war denn diesem allen nach die als Here angeklagte Person ganz in der Lage eines fast überwiesenen Verbrechers, dem zu seiner Ueberführung und Verurtheilung nichts weiter mangelte, als sein Geständniß; erfolgte dies nicht, und das geschah ja in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle, so trat die Folter ein, um das Geständniß zu erpressen.

Die Verdachtsgründe konnten ja ihrer Natur nach, wie schon oben auseinander gesezt ist, nicht anders als unsicher sein. Die zuerst verurtheilten Heren waren meist durch die Tortur gezwungen, Mitschuldige anzugeben, d. H. die zu nennen, die sie auf den Herentänzen erkannt hätten; es war dies also, da natürlich diese Art von Herenversammlungen nie existiert haben, genau genommen etwas unmögliches, wozu sie genöthigt wurden. Gewissenhafte Herenrichter wer möchte daran zweifeln, daß es solche gegeben hat, ja daß die weitaus meisten gerecht zu richten und keine Blutschuld sich aufzuladen strebten!

mochten wohl bedenken, ob nicht etwa bei diesem Teufelsfeste durch höllisches Blendwerk die Bilder ganz unschuldiger Leute hergezaubert sein könnten. Sie griffen demnach nur dann zu, wenn etwa 10-12 verschiedene Verurtheilte auf eine und dieselbe Person bekannt hatten und darauf gestorben“ waren, d. h. kurz vor ihrer Hinrichtung noch einmal öffentlich aussagten, daß sie die betreffenden Leute wirklich gesehen und erkannt hätten. Daneben sahen es natürlich die Richter gern,

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wenn die solcherart Angeklagten auch sonst irgendwie verdächtig oder anrüchig waren.

Wie wirr und dunkel war alles! Die Volksmeinung, der Wille der Regierung, ja ihr eignes Gewissen zwang die Richter nicht lässig zu sein; sie mußten Schuldige finden, fie mußten sich schließlich überreden, daß die ihnen gegebenen Beweisgründe zur starken Verdächtigung der Angeklagten ausreichten, weil sie eben keine andern hatten oder finden konnten. So mochten immerhin viele Richter auf den Standpunkt kommen, den Spee schildert: „Dahero mir ohnlängst ein Inquirent sagte: Ich weiß wohl, daß in diesem Wesen auch einige Unschuldige mit unterlaufen; aber deswegen mache ich mir kein Gewissen, sintemal mein Fürst, der doch ein sehr vorsichtiger, gewissenhafter Herr ist, mich treibt, daß ich in diesem Lande fortfahren solle; der wird wohl wissen und sein Gewissen dabei in Acht nehmen, was er befiehlt; mir gebührt, daß ich demselben nachkomme“. Also der Richter verließ sich auf den Fürsten, der Fürst auf den Richter wegen der Gerechtigkeit des Urtheils.

Es kam ja nur darauf an, von den wegen Herenthums angeklagten Personen ein Geständniß zu erhalten; und daß die Richter mit aller Kraft bemüht waren, ein solches zu erpressen, dazu wirkten verschiedene Ursachen mit. Zuerst konnte allein das erfolgte Bekenntniß dem Richter die beruhigende Gewißheit geben, daß er sich nicht vergriffen, daß er nicht etwa eine unschuldige Person eingekerkert und der Folter überliefert habe. Es mag auch wohl, doch, wie wir zu Ehren der Menschheit und besonders des Richterstandes jener Zeit mit Sicherheit annehmen dürfen, äußerst selten vorgekommen sein, daß den Richter zur Fortsetzung und Steigerung der Folter die Furcht leitete, daß er zur Rechenschaft oder wenigstens zur Entschädigung der Gefolterten herangezogen werden könnte, wenn dieselben nicht als schuldig erkannt würden. Ferner war es das bei den Heren vorausgesezte Maleficium taciturnitatis", das eine schärfere Folterung veranlaßte, der Glaube, daß der Teufel seine Genossinnen auf der Folter unterstüßte und ihnen den Mund schlösse. Es herrschte ja wirklich der Aberglaube, daß

man sich durch Zaubermittel die Folterqualen erleichtern könne; unter andern hängten sich die Maleficanten auf der Folter gern einen mit Psalm 10, 15 beschriebenen Zettel auf den Rücken. Auch narcotische Mittel wurden von den Verbrechern vielfach angewandt, um die Tortur überstehen zu können, und der allgemeine Glaube schrieb bekanntlich solchen Mitteln zauberische Kraft zu. Demnach urtheilt der in seiner Art schon aufgeklärtere Verfasser des Werks über Lips Tullian über die Anwendung solcher Narcotica: „Man kann auch dem Teufel eine solche Macht wider der Obrigkeit Verordnung, welche sich des Göttlichen Schutzes und Beistandes bei allen rechtlichen Verfahren gewiß versichern kann, nicht beilegen". Sicher ist, daß man in der Periode des Herenprocesses so gering vom Teufel noch nicht dachte. Man war deshalb unendlich vorsichtig bei der Folterung der Heren; damit dieselben nicht etwa ein vom Teufel erhaltenes Zaubermittel oder gar den Teufel selbst verborgen bei sich tragen könnten, war die abscheuliche Gewohnheit eingeführt, die Angeklagten am ganzen Körper zu scheeren.

Wir wollen hier die Bemerkung anschließen, daß es als ein Zeichen des Herenthums galt, wenn die gefolterte Person unter den Qualen keine Thräne vergoß oder gar auf der Marterbank einschlief. Dies leztere ist allerdings seltner geschehen und hat, wie jedesmal ausdrücklich bemerkt wird, das Erstaunen selbst des Scharfrichters hervorgerufen. Einige Schriftsteller haben diesen Punkt besonders hervorgehoben, um darauf ihre Erklärung des Herenwesens zu begründen, doch, wie ich glaube, mit Unrecht. Es fehlen Nachrichten darüber nicht ganz, daß es auch andern Menschen auf der Folter ebenso ergangen ist, die unzweifelhaft mit dem Herenwesen nichts zu thun hatten. Horst's Zauberbibliothek IV. 337 berichtet von einem Hussiten Gregorius, der 1461 auf der Folter einschlief und während der Torquierung durchaus keine Schmerzen fühlte, so daß er sich nach seinem Wiedererwachen darüber wunderte, daß ihm Seiten, Hände und Füße so weh thäten. Es sind diese Erscheinungen nach den neuerdings über den Hypnotismus gemachten Erfahrungen leicht zu deuten. Wenn ferner constatiert ist,

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