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daß einzelne Muskelpartien für sich bei empfindlichen Personen hypnotisiert werden können und daß aus diesen Partien die Schmerzempfindung so entschwindet, daß Kneifen mit den Nägeln, Einstechen einer Nadel nicht mehr als Schmerz empfunden wird, so folgt daraus, daß der Henker beim Suchen nach dem Teufelsstigma“, welches an seiner Unempfindlichkeit als solches erkannt wurde, eben die Kunstgriffe vorgenommen hat, welche zum Hypnotisieren erforderlich sind. Bei dem so häufigen Nachweise des Stigma scheint es, als ob in den Kreisen der Scharfrichter das Geheimniß, die Muskeln in diesen Zustand zu versehen, allgemein bekannt war, daß sie absichtlich operierten und darum so leicht die Stelle des Stigmas fanden. Die Scharfrichter hatten manchen geheimen Kunstgriff!

Zweifellos ist, daß die Heren, wenn auch nicht immer, so doch in den meisten Fällen, länger und schärfer gefoltert sind, als andre Angeklagte. Es lag dies, wie wir gesehen haben, in der Natur der Sache. Die Zauberei und Hererei galten außerdem als Crimina excepta; auf sie hatte sich selbst in protestantischen Ländern das gegen die Keßerei zuerst angewandte regellose und willkürliche Gerichtsverfahren vererbt, das besonders in der unbeschränkten und völlig in das Belieben des Richters gestellten Anwendung der Folter seinen Ausdruck fand. In Beziehung darauf urtheilt Spee: „Behandelt die Kirchenobern, behandelt Richter, behandelt mich ebenso, wie jene Unglücklichen, werft uns auf dieselben Foltern und ihr werdet uns alle als Zauberer erfinden." Und an einer andern Stelle noch nachdrücklicher: „Wehe der Armen, welche einmal ihren Fuß in die Folterkammer gesezt hat! Sie wird ihn nicht wieder herausziehen, als bis sie alles nur denkbare gestanden hat. Häufig dachte ich bei mir: Daß wir alle nicht auch Zauberer sind, sei die Ursache allein die, daß die Folter nicht auch an uns kam, und sehr wahr ist, was neulich der Inquisitor eines großen Fürsten von sich zu prahlen wagte, daß, wenn unter seine Hände und Torturen selbst der Papst fallen würde, ganz gewiß auch er endlich sich als Zauberer bekennen würde. Das gleiche würde Binsfeld thun, das gleiche

ich, das gleiche alle andern, vielleicht wenige überstarke Naturen ausgenommen." Im Simplicissimus wird foltern, als wenn sie eine Here brennen wollten“ so gesagt, daß man es für ein Sprichwort jener grausigen Zeit halten möchte.

§ 8. Soldan's Erklärung.

Wenn wir also sehen, wie sehr schwer es dem Richter fallen mußte, die Schuldigen zu finden, wenn es deren gab, wie leicht es war, den furchtsamen und zarternervigen Frauen, welche die große Mehrzahl der Angeklagten bildeten, schon durch mäßige Folterung, die Männer und die stärkern Weiber durch gesteigerte Qualen zum Geständniß zu bringen, so liegt der Gedanke am nächsten, daß überhaupt die Macht der Tortur allein das Herenthum geschaffen, daß es Personen, welche dieser Sünde schuldig waren, überhaupt nicht gegeben habe. Auf diesem Standpunkte stand die Mehrzahl aller derer, die über das Herenwesen geschrieben haben von den ersten Gegnern desselben, Edelin, Wier und Spee an; auf diesem Standpunkt steht auch Soldan's verdienstliches Werk, dessen Ansichten wir darum genauer prüfen müssen, weil es das ausführlichste und sorgsamste unter den neuern Schriften über die Herenprocesse ist. Das kritischste ist es freilich nicht; die andern entgegenstehenden Ansichten werden erst am Schluß kurz berührt und abgefertigt, und rein dogmatisch entwickelt es seine Beweisgründe und Schlüsse auf der Grundlage des Glaubens an die völlige Schuldlosigkeit aller Angeklagten.

So giebt Soldan, nachdem er nachgewiesen hat, wie Befriedigung des Hasses, Geldgier der Richter und der Henker, die Neigung Kezerverfolgung durch die Herenprocesse zu bemänteln, die Herenverfolgungen veranlaßt habe, in folgenden Worten (I. 452) sein abschließendes Urtheil über diese Processe, ohne es freilich äußerlich als solches zu kennzeichnen:

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So sind niedrige Motive verschiedener Art, indem sie auf der Unterlage einer befangenen Theologie und Naturkunde wirkten, die Haupthebel geworden, welche Herenglaube und Herenprocesse emporbrachten und hielten.

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Indessen wenn wir an die ungeheure Ausbreitung und die Dauer des Herenprocesses denken, so will das angegebene zur Erklärung desselben doch nicht völlig genügen. Diese (den Herenproceß erwirkenden) Potenzen waren: 1) der herrschende Teufels- und Dämonenglaube; 2) die Aenderungen im processualischen Verfahren, welche gegen Ende des 15. Jahrhunderts eintraten, und 3) die den Herenmeistern gestattete und befohlene Anwendung der Tortur, sowie die ganze Einrichtung der Herenprocesse"

Aber ist Soldan wirklich im Stande, alle Erscheinungen des Herenwesens dadurch zu erklären? Wir wollen vorläufig nicht betonen, daß Soldan weder die erste Entstehung der Herenprocesse, noch die erste Einführung der Processe in den verschiedenen Ländern und Ortschaften erklärt. Er selbst führt die an der eben citierten Stelle herangezogenen „niedern Motive“ später (II. 385) auf das richtige Maß zurück. Ueberhaupt führt ihn das Streben, alle Erscheinungen des Herenwesens von seinem Standpunkt aus zu erklären, zu einer eigenthümlich rhetorischen oder advocatorischen Behandlung des Gegenstandes, die, so glatt und selbstverständlich alles beim Durchlesen des Buches erscheinen mag, bei dem unbefangen und sorgsam prüfenden Leser leicht das entgegengesetzte des beabsichtigten Eindrucks hervorruft. So sind ihm die Gegner der Herenprocesse, die Männer, welche es wagten, auf den Unsinn der Herenverurtheilungen hinzuweisen und deren große Verdienste wir gern und willig anerkennen, auch die alleinigen Vertreter des gesunden Menschenverstandes und die einzigen Inhaber von Edelmuth und Tugend, während nicht allein die Verfasser des Herenhammers und ähnlicher Werke, wie Bodinus, Delrio, Binsfeld, von Dassel, sondern auch alle Richter, die in die fatale Lage gekommen sind, über Heren ein Urtheil fällen zu müssen, entweder vollendete Schurken oder Idioten von reinstem Wasser

sein sollen. Wir wollen nur einen Fall anführen, um zu zeigen, welcherlei Art die in dem Werke gefällten Urtheile oft sind, weil dieser Fall seine komische Seite hat. Es heißt II. 152: „und vor allem dessen Sohn Cotton Mather, wie der Vater ein ernster, gelehrter und glaubenseifriger Prediger, dessen Name in der englischen Literatur noch heute mit Auszeichnung genannt wird"; und dieser selbe Cotton Mather wird auf der folgenden Seite als „der gelind gesagt etwas einfältige Geistliche“ bezeichnet, als er sich für Einleitung der Herenprocesse erflärt.

Soldan's Erklärung steht im Widerspruch zu dem Umstande, daß das Geschrei wider das Herenthum stets vom Volke ausging, gegen welches sich doch so sehr der Greuel der Verfolgung kehrte, daß gar oft die ärgsten Schreier schließlich selbst den Scheiterhaufen besteigen mußten. Sie genügt nicht, um zu erklären, wie die Herenverfolgung in allen civilisierten Ländern Europas und Americas, auch unter weisen, milden und gerechten Fürsten, in den republicanisch verwalteten Städten ins Werk gesezt werden konnte. Und wie soll man über sein abfälliges und völlig verwerfendes Urtheil über den gesammten Richterstand denken? Es steht doch historisch fest, daß derselbe in Deutschland mit wenigen Ausnahmen, wie Geiß und Balzer Nuß, hochgebildet und gewissenhaft war, daß er aus den besten Familien sich recrutierte, daß er durch das lebhafteste Gerechtigkeitsgefühl und durch lobenswerthe Unpartheilichkeit und Unbestechlichkeit das Volk schließlich mit dem ihm so widerwärtigen römischen Recht ausgeföhnt hat. Wir dürfen dreist annehmen, daß die meisten Richter, sei es durch Privatstudium oder in den juristischen Collegien auf den Universitäten, die abmahnenden und aufklärenden Schriften eines Wier, eines Spee kennen gelernt haben und keineswegs mit naturalistischer Befangenheit im Herenglauben an die Processe heran traten. Vor allem müssen wir auf folgendes Gewicht legen. Es erscheinen uns von unserm modernen Standpunkte aus ja sicher alle durch die Folter erpreßten Geständnisse von vorn herein unglaubwürdig und wir sind demnach nur zu sehr geneigt, über

die Richter, welche die Folter verhängten und die Torquierten zu gestehen zwangen, ein verwerfendes Urtheil zu fällen. Wir vergessen eben leicht, daß Jahrhunderte lang die Tortur das Hauptmittel war, in allen Criminalprocessen die Begründung des Urtheils zu liefern Es wurden ja nicht allein die Hexen gefoltert; muß man da nicht annehmen, daß die Richter Erfahrung genug aus der Torquierung von Maleficanten schöpfen konnten, um wenigstens in vielen Fällen ein Urtheil über die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit der erzwungenen Aussagen zu gewinnen? Dazu kommt, daß die Richter recht, recht oft Gelegenheit hatten, Verurtheilte aller Art auf ihrem lezten Gange zu begleiten und vor dem hochnothpeinlichen Halsgericht ihnen die lezten Fragen vorzulegen; mußte ihnen da nicht der Unterschied zwischen dem reumüthig geständigen Sünder, der willig die Strafe für seine Schuld duldet, und den sich völlig schuldlos fühlenden Personen auffallen?

Nun haben aber diese Richter nicht allein Heren verurtheilt man könnte uns ja einwenden: das mußten sie tun! sondern sie sind sogar in dem Maße, wie sie größere Praris hatten, fester von der Wahrheit des Herenwesens überzeugt, und alle Werke, welche diesen Aberglauben zur Grundlage haben, sind entweder von Herenrichtern, wie Delrio, Bodinus, Binsfeld, Dassel, oder von Predigern verfaßt, welche die Verurtheilten zum Scheiterhaufen geleitet haben; Spee ist hierdurch fast allein zur entgegengesetzten Ansicht geleitet. Die Vertheidiger der Herenprocesse berufen sich den Gegnern derselben, denen sie Mangel an eigener Erfahrung vorwerfen, gegenüber regelmäßig auf ihre eigenen Erfahrungen, auf die von ihnen gehörten Aussagen der Heren; und wenn wir wissen, daß sie ihre Schriften hauptsächlich verfaßt haben, um andere Herenrichter zu belehren, sollte man da nicht annehmen müssen, wenn wirklich das ganze Herenthum nur durch Suggestivfragen der Richter und durch die Folter geschaffen war, kein Herenrichter hätte den andern ohne Lächeln ansehen können?

Wir schließen hieraus: es ist falsch und irreführend, wenn man von einem Herenproceß auf alle schließt. Wir müssen

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