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eingestehen, daß ein sehr hoher Procentsaß der Angeklagten unschuldig verurtheilt ist; aber wir sind auch gezwungen an= zunehmen, daß sich stets unter den Angeklagten Personen gefunden haben, die selbst glaubten ein todwürdiges Verbrechen begangen zu haben.

§ 9. Die freiwilligen Beständnisse.

Daß sich wirklich Personen fanden, die sich der Hererei für schuldig hielten, beweisen auch die freiwilligen Geständnisse, die mehrfach vorgekommen sind und nicht weggeleugnet werden können. Aber es ist ebenso schwer, Schlüsse daraus zu ziehen, wie aus den durch die Folter erpreßten Aussagen. Das Herenwesen ist ja überhaupt ein so glattes und schlüpfriges Thema, daß es überall gleich wieder aus den Händen entwischt, wenn man es gefaßt zu haben glaubt. Der Umstand, daß so zahlreiche Schriftsteller sich daran versucht haben, daß schon zur Zeit der Herenprocesse selbst Gegner und Vertheidiger darüber nicht zur Klarheit durchzudringen vermochten, hat durch das Anlegen so vieler Hände die Sache nur noch glatter und unfaßbarer gemacht.

Also es sind Fälle vorgekommen, daß sich einzelne Personen freiwillig vor dem Richter oder gar vor ihren Verwandten des Verbrechens der Hererei angeklagt haben; in weit zahlreichern Fällen haben Angeklagte ohne peinliche Frage und ohne Zwang vor Gericht ihre Schuld eingestanden. Aber jeder Schriftsteller, der die Herenprocesse behandelt hat, macht aus diesem Umstande seine eignen Schlüsse, und Klarheit über den Hauptpunkt, über welchen wir nach unsern obigen Auseinandersetzungen ein Urtheil gewinnen müssen: war die Zahl der Personen, die sich für schuldig hielten, eine hinreichend große, daß wir daraus auf eine wirkliche Verschuldung schließen müssen, oder eine verschwindend kleine? erhalten wir daraus nicht.

Diejenigen, welche die Schuldfrage überhaupt verneinen, können leicht die Sache ihrer Ansicht gemäß deuten. Die verhältnißmäßig wenig zahlreichen Fälle einer Selbstdenunciation fertigen sie damit ab, daß sie bei den Personen völlige Verrücktheit oder eine krankhafte Disposition der Seelenkräfte, hervorgerufen durch stetige Beschäftigung mit abergläubischen Gedanken und mit Teufelsfurcht, voraussehen. Sie können sich berufen auf eine Erscheinung, die in dem Würzburgischen Proceß von 1749 vorgekommen ist, wo eine der besessenen Nonnen ihrem Beichtvater klagt, sie werde durch die Furcht gequält, der Teufel möge sie in einem Anfalle ihrer Besessenheit vielleicht ohne ihr Wissen mit auf den Blocksberg geführt haben.

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Ueber die freiwilligen Geständnisse der Angeklagten vor Gericht urtheilt Spee in Hinblick auf die Furcht vor der Folter: „O du elende Gaja! Worauf hast du noch gehofft? Warum hast du nicht, sobald du das Gefängniß betreten, gesagt, du wärest des Lasters schuldig? O du thörichtes Weib! Warum willst du so oft sterben, da du anfangs mit einem Tode hättest bezahlen können? Folge meinem Rathe und sage stracks zu, du seiest eine Here und stirb; denn vergebens hoffst du los zu werden; solches läßt der Eifer der Gerechtigkeit bei uns Teutschen nicht zu.“ Es ist dies dem Umstande gegenüber, daß nur sehr selten ein Angeklagter freigesprochen ist, völlig correct und vernünftig gesprochen, und zwar gilt dies nicht allein von den deutschen, sondern von den Herenprocessen aller Völker. Auch Soldan's Meinung (I. 346): „Man sieht, daß es kein Mittel gab, dem Verdachte zu entgehen; aber es gab auch kaum eines, aus den Krallen eines blutgierigen" Richters sich zu befreien, wenn man einmal hineingerathen war," ist bis auf das eine Wort „blutgierig“ völlig unanfechtbar; denn dies ist, wie man sieht, ein Vorwurf, der dem ganzen Richterstande gemacht wird. Uebrigens macht Soldan mit Recht noch auf einen andern Umstand aufmerksam, den wir bei der Freiwilligkeit der Geständnisse berücksichtigen müssen; wie die einleitenden Worte der meisten Protocolle: „Der Angeklagte, gütlich und peinlich befragt, gestand“, auch da gebraucht werden, wo derselbe gut

willig überhaupt nicht gestanden hat, wie man gern aus den Worten heraus lesen möchte, so deutet Soldan noch auf folgenden Punkt hin (II. 394): „Aehnlich war jene Freiwilligkeit der Bekenntnisse, die übrigens nicht einmal in den Protocollen so häufig gemeldet wird, als mancher denkt, von außen herein gebracht. Wenn man dem Inquisiten mit gezähnten Schrauben die Schienbeine gleich einem Kuchen zusammengepreßt hatte, so ließ ja der Sprachgebrauch vieler Richter dann immer noch ein gutwilliges Bekenntniß zu.“

In vielen Protocollen steht überhaupt nichts darüber, auf welche Art die Angeklagten befragt sind. Haas macht (p. 81) daraus entschieden falsche Schlüsse: „In besagten Herenproceßakten fand ich auch nichts von der Tortur, auch nur eine einzige Andeutung darüber, nur ganz selten etwas von der sogenannten gütlichen oder ungütlichen Ermahnung. Sollte das alles nicht mit einer Silbe angedeutet und dennoch die Tortur angewendet worden sein, wie Soldan und Wächter meinen? Wir können das nicht glauben, sondern müssen sämmtliche Akten nehmen, wie sie vorliegen, ohne etwas davon und dazu zu thun." Aber trotzdem ist in allen Fällen, worüber ihm die Protocolle vorlagen, die Folter ganz unzweifelhaft angewandt. Das Torquieren war wohl so selbstverständlich, daß es weiter nicht erwähnt zu werden brauchte. Prüfen wir darauf gleich Nr. 1 der „ausführlichen Akten" (p. 87). Es heißt daselbst: „Urgicht, Ursula Schulthaißin, Michael Greßers, des Maurers Weib. Sie giebt an: Vor Jahren sei ihr Gespons, Krautle, in eines Junggesellen Gestalt Nachts zu ihr über das Bett gekommen und von ihr begehret, sie solle sich ihm ergeben, auch Gott, alle Heiligen und seine werthe Mutter Maria verleugnen, wofür er ihr genug geben wolle. Sie habe in solches gewilligt und ihm die linke Hand darauf geboten, wofür er ihr gleich zwei Kreuzer gegeben, die sie jedoch nachher nicht mehr habe finden können. Vor zwei Jahren habe sie des Organisten falbe Kuh mit einem weißen Steckchen gestochen, daran sie gestorben.“ Es folgen noch 111⁄2 Seiten voll von zauberischen Maleficien, die wir weglassen, die folgenden immer schlimmer, als die vor

hergehenden, erst Ermordung von Thieren, dann von Menschen, endlich ihres Sohnes und versuchte Beschädigung ihrer Enkelin. Es findet sich hier also die Complication der Verbrechen der Teufelsbuhlschaft und der zaubrischen Beschädigung, wie sie der Herenhammer lehrte, und zwar nicht allein in diesem, sondern auch in allen folgenden Bekenntnissen. Nach dem in § 6 dargelegten Sachverhalte sind wir demnach historisch vollberechtigt, solcherlei Bekenntnisse wenigstens zum Theil für unfreiwillig und durch die Folter erpreßt zu halten; aus der Lage der Dinge ergiebt sich auch, weshalb die Folter nicht genannt zu sein brauchte, da sie ja, wie wir nachgewiesen haben, jedesmal angewandt sein muß, wenn nach der Lehre des Herenhammers nach diesem doppelten Verbrechen inquiriert wurde. In Beziehung auf den vorliegenden Fall muß jeder, der genauer nachdenken will, einräumen, daß ein geständiger Verbrecher seine Vergehen nicht in solcher Reihenfolge bekennen kann, daß er die schlimmsten bis zulezt aufspart.

Dagegen weist Haas mit vollem Rechte die Insinuation zurück, als ob unschuldige Personen sich aus Furcht vor der Folter häufiger von vorn herein als schuldig bekannt haben könnten; es kann dies nur in seltnen Fällen geschehen sein. Denn die durch die. Folter erpreßten Geständnisse galten nicht nur dem Richter als der Wahrheit entsprechend, sondern erst recht dem Volke. Wurde demnach eine Person, die sich für schuldlos hielt, vor Gericht gebracht und mit dem Torquieren bedroht, so war der Meinung der Zeit völlig entsprechend, daß sie glaubte, Gott würde nicht zulassen, daß ein Unschuldiger bestraft würde, und es würde demnach auch Gott sie stärken, den Martern Widerstand zu leisten. Es waren immer noch die Ideen in Kraft, welche dereinst die Gottesurtheile möglich gemacht hatten und die in der Herenperiode auch die verschiedenen Herenproben veranlaßten. Wie viele demnach auch schon vorher durch die Folter gezwungen waren, sich als schuldig zu bekennen, jede folgende Person glaubte dennoch die erste zu sein, die aus dem Kreise ihrer Bekanntschaft unschuldig in diese Lage gekommen sei; denn nach den wörtlich gefaßten Lehren

des Christenthums: „so fällt auch kein Haar von deinem Haupte" mußte jede vorhergehende, die den Tod erlitten hatte, für schuldig gehalten werden, da man fest darauf vertraute, daß Gott in jedem Falle die Unschuld bewahren würde. Ein interessantes Beispiel, wie fest auch noch eine spätere Zeit (1718) an das unmittelbare und persönliche Eingreifen Gottes in die Werke der menschlichen Justiz glaubte, bietet der schon citierte Lips Tullian. Bei Beschreibung einer Execution durch Feuer wird dargelegt, daß durch einen Wind, der sich in dem Augenblick erhob, als der Scheiterhaufen angezündet war, die Flamme von dem armen Sünder fortgeweht und sein Sterben verlangsamt wurde. Der Verfasser des Werkes will unentschieden lassen, „ob es bloß casu geschehen, oder der Wind aus einem besondern Verhängniß hergerühret." Sicher ist, daß der allgemeine Glaube dem Maleficanten darum noch eine ganze Reihe andrer Verbrechen aufbürden wollte, als das, um dessen willen er gerichtet war. Aehnlich urtheilt der Berichterstatter über eine Herenverbrennung in Segedin 1728: „Obwohlen die Maleficanten eine gute Viertelstunde in denen umgebenden Flammen gelebet, so hat man dennoch nicht das geringste Geschrei von ihnen gehöret" - sie hatten Knebel im Munde, wie es stets bei Herenbränden Sitte war! - ,,und ohngeachtet, daß sie auch alle äußerliche gute Zeichen gegen die ihnen zusprechenden Geistlichen haben spüren lassen, so wollen doch viele an deren Seligkeit noch gar sehr zweifeln." Sonach sehen wir den Heren gegenüber die Folter in so ausgiebiger Thätigkeit; die freiwilligen Geständnisse kommen durchaus nicht so oft vor, als man nach Spee's Mahnung annehmen möchte. Die bei weitem meisten ließen sich foltern, so weit ihre Kräfte reichten; manche sind lieber gestorben, ehe sie bekannten; auch sind in einzelnen Fällen die Gefolterten im Stande gewesen, alle Martern zu überstehen, ohne bekannt zu haben und wurden demnach nicht mit dem Tode bestraft. Indem sich Haas hierauf beruft, giebt er folgende Erklärung des Herenwesens:

„Das Schlagendste aber, was gegen die Ansicht, daß die Folter einzig und allein die Heren gemacht habe, vorgebracht

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