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§ 14. Rauschmittel.

Gewiß, es waren Träume, die in den Heren die Meinung hervorriefen, das, was sie bekannten, erlebt zu haben. Aber gewöhnliche Träume können es nicht gewesen sein, wenigstens im allgemeinen nicht, weil doch am Ende angenommen werden muß, jeder Mensch könne beurtheilen, ob etwas, was einen tiefen und augenblicklichen Eindruck auf ihn machen muß, sobald er zum Bewußtsein kommt, im Traume gesehen oder in Wirklichkeit erlebt ist. Selbst der älteste Herenrichter Jacquier im Flagell. Haer. beachtet dies schon: Frequenter contingit hominibus dormientibus, interius fieri repræsentationes quarundam errum, quas tunc ita se existimant facere, quas tamen realiter non faciunt, vel habere, quas non habent sed hoc duntaxat somniant. Träume oder auch Visionen in halbwachem Zustande, die so lebendig und eindringlich sind, daß es selbst denen, die sie erleben, schwer oder unmöglich ist, sie von der Wirklichkeit zu unterscheiden, können nur durch ein Rauschmittel hervorgerufen sein.

Ehe wir durch den Nachweis, daß durch ein solches derartige Visionen hervorgerufen werden können, daß die betreffenden Personen meinen konnten, sich dem Teufel ergeben oder an den Herenfahrten theilgenommen zu haben oder Wehrwölfe zu sein, und durch den fernern Nachweis, daß die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse genau stimmen, unsere Annahme wahrscheinlich machen wollen, daß wirklich ein ganz bestimmtes Rauschmittel den ganzen Herenglauben unserer Periode hervorgerufen hat, wollen wir eine eben so hartnäckig festgehaltene als irrthümliche Meinung darüber beseitigen. Auf Rauschmittel weisen viele Bekenntnisse, viele Notizen in den Lehrbüchern der Herenrichter hin; es war sogar schon vor der Hexenperiode

der Glaube völlig ausgebildet, daß die Personen, welche zum Blocksberge ausfahren wollten, sich mit der Herensalbe einrieben. Von der Volksmeinung ausgehend, daß die Heren jene Salbe benußten, um auszufahren, haben diejenigen Forscher, welche bisher das Räthsel der Herenprocesse durch Annahme eines Rauschmittels zu lösen versucht haben, angenommen, jene Personen hätten das Rauschmittel nur dazu benutzt, um die das Herenthum begründenden Illusionen in ihrem Geiste hervorzurufen. Sonach kann selbst Soldan noch fragen, wo er die Existenz eines solchen Rauschmittels zurückweisen will (II. 375): Was hat wohl Tausende von Weibern dazu vermocht, freiwillig und mit der Aussicht auf Tortur, Scheiterhaufen und ewige Verdammniß sich Visionen zu bereiten, in welchen ihren eignen Aussagen zufolge weder Behagen, noch Reichthum, sondern nichts als Schauder, Schmach und Schmerz zu finden war?" Wir wollen hier feststellen, daß das Rauschmittel nicht zu dem Zwecke angewandt ist, um die Herenträume hervorzurufen, sondern nur um des Rausches selbst willen. Die Träume wurden mit in den Kauf genommen, wie es eben stets bei allen Rauschmitteln geschieht.

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Es giebt bekanntlich Stoffe, Thee, Kaffee, Tabak, Spirituosen, welche ein Bedürfniß kaum zu sein scheinen, die weder in Betreff der Ernährung, noch der Lebenserhaltnng eine Rolle zu spielen brauchen und die doch in allgemeinstem Gebrauche sind. Sie haben das Gemeinsame, daß sie eine eigenthümliche Wirkung auf die Nerven üben. Wenn die drei ersten in ihrer Wirkung auch milder sind und kaum jemals einen wirklichen Rausch hervorrufen, so ist ihre Wirksamkeit im allgemeinen doch der der Rauschmittel vergleichbar und sie sind recht wohl im Stande, . unter Verhältnissen die leztern zu vertreten. Da wir jezt im Besize aller jener Materialien sind und uns an den Besig derselben gewöhnt haben, so kommt es uns jezt selten in den Sinn, zu überlegen, daß kein Volk, das irgend einen, wenn auch nur geringen Grad der Bildung erreicht hat, ein Rauschmittel entbehren kann, wenn natürlich auch einzelne Menschen immerhin im Stande sind, sich dessen zu enthalten. Es ist dies ein un

bestreitbares Factum, das alle Länder und alle Völker uns erweisen. Und wie raffiniert erfinderisch zeigen sich auch recht wenig gebildete Völkerschaften beim Aufsuchen ihrer Rauschmittel! Ich erinnere an den Kawa der Südseeinsulaner, an die Benuzung des Fliegenschwammes bei den Sibiriern, an den Kumis der Mongolen, an die Coca der Peruaner.

Diesem Umstande gegenüber muß daran erinnert werden, daß zur Zeit der Herenprocesse einem großen Theile des Volkes in Westeuropa, und zwar gerade dem armseligsten und elendesten, der es am wenigsten entbehren konnte, ein Rauschmittel durchaus fehlte. Um das Jahr 1500 hatte man Wein und Bier, weiter keines; der Meth, der bei den alten Germanen das Getränk der Herren und der hohen Festtage gewesen war, war schon lange ganz außer Gebrauch gekommen. Seit langer Zeit schon war in dem größten Theile von Deutschland der Wein allein auf die Tafeln der Reichen gekommen, vor allem seit der Zeit, als der Firnewein vom Rhein der begehrteste Wein der Christenheit geworden war und seit durch die Erleichterung des Handels die Bekanntschaft mit bessern und süßern Weinen die Herren in Nord- und Mitteldeutschland bewogen hatte, ihre nur sauern Kräger producierenden Weinberge eingehen zu lassen. Das Bier, das eigentliche und allgemeine Volksgetränk, wurde in alten Zeiten in jedem Bürger- und Bauernhause selbst gebraut. Allmählich aber gelang es den Städten, in den Alleinbesiz des Rechts Bier zu brauen zu gelangen, wie bekanntlich die Städter es im Mittelalter verstanden, auf Unkosten des Bauernstandes ein Recht oder Privilegium nach dem andern zu bekommen; ein sehr wichtiges und einträgliches Privilegium, das sich keine Stadt entgehen ließ, war das, daß in der Bannmeile kein anderes Bier, als das in der Stadt gebraute, getrunken werden durfte; nur das Erntebier, welches jedoch nur so bereitet werden durfte, daß es den Städtern keine Concurrenz machte und das meistens den Namen eines Rauschmittels nicht mehr verdiente, mochten die Bauern sich selbst herstellen. Indem ungefähr gleichzeitig mit der Erwerbung des Privilegiums die Bürger meist das Brauen in den Einzelhäusern aufgaben und dessen

Bereitung der einen städtischen Brauerei überließen, wurde das Bier natürlich besser, und viele Städte waren auf ihr Bier stolz, natürlich aber auch um so theurer.

Nicht allein das Zunehmen der Bevölkerung, sondern auch das Steigen der Bildung und des Lurus entfernte gegen Ausgang des Mittelalters die Reichen immer mehr von den Armen. Je üppiger die Herren lebten, je größere Pracht sie entfalten konnten und wollten, desto elender wurde die Lage des Bauernstandes, der immer mehr in Armuth und in die Knechtschaft der Leibeigenschaft hineingeführt wurde. Seine Lebensverhältnisse schildert Münster in seiner Kosmographie folgendermaßen: „Die Bauern führen gar ein schlecht und niederträchtig Leben; ihre Häuser sind schlechte Häuser von Koth und Holz gemacht, auf das Erdreich gesezt und mit Stroh gedeckt. Ihre Speise ist schwarz Roggenbrod, Haferbrei oder gekochte Erbsen und Linsen, Wasser und Molken ist fast ihr Trank. Eine Zwilchgüppe, zween Bundschuh und ein Filzhut ist ihre Kleidung. Diese Leute haben nimmer Ruh. Früh und spät hangen sie der Arbeit an. Ihren Herren müssen sie oft durch das Jahr dienen, das Feld bauen, säen, die Frucht schneiden und in die Scheune führen, Holz hauen und Graben machen. So ist nichts, das das arme Volk nicht thun muß und ohne Verlust nicht aufschieben darf." Wie unerhört rasch die Bedrückung der Bauern in vielen Gegenden Deutschlands gerade gegen Ende des Mittelalters stieg, davon geben uns die verschiedenen Bauernkriege Kunde.

Waren die Bauern auch in mancher Hinsicht schlimmer daran, als die Sclaven, da sie nicht allein für ihre Herren arbeiten, sondern auch durch ihre Arbeit sich selbst den Lebensunterhalt erwerben mußten, so waren sie doch immerhin noch nicht am schlechtesten dran; sie besaßen doch Land und Haus und hatten, wenn auch höchst kärglichen und armseligen, so doch einigermaßen sichern Lebensunterhalt. Unsagbar elend aber war der Zustand jener ärmsten Leute, die gar nichts ihr eigen nennen konnten, der Bettler, der erwerblosen Krüppel und alten Frauen, der Kinder, die schon durch ihre Geburt unehrlich geworden waren.

Doch wir wollen das Leben, das diese Personen führten, nicht weiter schildern. Es genügt der Nachweis, daß das Bier selten oder nie in die Hütten der Bauern kam, noch weniger zu den städtischen Armen, und daß im allgemeinen die ärmern Weiber unter diesen Verhältnissen überhaupt eines Rauschmittels entbehrten. Dafür tranken bekanntlich die Begüterten um so mehr, und wie das Schlemmen und Prassen in den reichern Häusern gegen Ende des Mittelalters zunahm, wie das Trinken an den Fürstenhöfen und in den adligen Schlössern gepflegt und geübt wurde, ist ja bekannt genug.

Je elender und wüster die Zeiten, je freudloser das Leben der Einzelnen, desto größer ist das Bedürfniß, sich durch einen Rausch für einige Zeit aus der Noth und dem Jammer zu retten, sich für einige Stunden fröhlich zu machen. Und wie unerquicklich, wie armselig und öde war jene Zeit der Herenverfolgung! Fast fortdauernd Krieg, Theuerung und Pestilenz, daneben Mangel an Humanität und christlicher Nächstenliebe, dies machte damals die große Mehrzahl der Menschen dauernd unglücklich. Wie sehr außer dem Glauben, der zu jenen Zeiten allerdings lebendiger und fester gewesen ist, als jemals sonst, die andern christlichen Tugenden verloren gegangen waren, das beweist am schlagendsten der Umstand, daß die Sclaverei, welcher das Christenthum in den ältesten Zeiten ein Ende gemacht hatte, in der lezten Periode des Mittelalters wieder ins Leben gerufen wurde; und nicht allein Neger und Muhamedaner, sondern selbst Europäer und Christen wurden unbedenklich als Sclaven verkauft; selbst Cromwell scheute sich nicht, die deutschen Edelleute Ranzau und seine Genossen, die für Karl I. kämpfend in seine Hände gefallen waren, gegen Zucker nach Westindien zu verhandeln! Aus dem Simplicissimus ersehen wir, wie gewöhnlich es war und für wie wenig tadelnswerth es gehalten wurde, einen Menschen seines Verstandes zu berauben, nur um über einen solchen „Narren“ lachen zu können. So herrschte überall Engherzigkeit, Egoismus und Unbarmherzigkeit; in Folge davon erkennen wir das ganze 17. Jahrhundert hindurch selbst in den gebildetsten Kreisen eine

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