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Die deutsche Geschichte enthält mehrere Beispiele, daß Männer, die durch ihre von den allgemein herrschenden abweichenden Lehren und Meinungen, besonders in Religions- und Kirchensachen, Aufsehen und Aufregung hervorgerufen, von der obersten Kirchen oder Reichsgewalt zur Verantwortung gezogen werden follten, diese aber sich der= selben, da sie unter dem Schuße zahlreicher und mächtiger Freunde und Anhänger fich befanden, mit Gewalt nicht bemächtigen konnte, wogegen diese Männer aus Begeisterung für das, was sie als Wahrheit erkannten und lehrten, sich bereit und entschlossen zeigten, frei= willig vor einer allgemeinen Kirchen oder Reichsversammlung zur Ver- ' antwortung sich zu stellen, wenn ihnen von Kaiser und Reich die feste Zusicherung (das sichere Geleit) gegeben wurde, daß sie mit ihrer Verantwortung und Rechtfertigung gehört werden und auf ihrer Hin und Rückreise, wie auch an dem Orte der Kirchen- oder Reichsversamımlung, mithin namentlich von dieser selbst keinerlei Gefährde, Verlegung und Beeinträchtigung ihrer Person zu befürchten haben sollten. Diefes Geleite pflegte denn auch ertheilt zu werden, und es war dabei als heilige Pflicht des Kaisers und Reiches anerkannt, dasselbe zu achten und zu bewirken, daß es von Anderen geachtet werde. Unter dem Schuhe eines solchen Geleites geschah es, daß im Jahre 1414 Jo= hann Huß vor der Kirchenversammlung zu Constanz, so wie im Jahre 1521 Luther vor der Reichsversammlung zu Worms erschien, wobei aber bekanntlich dem Ersten das verbürgte Kaiferwort gebrochen und er, der erhaltenen Zusicherung zuwider, in Haft gebracht und als Kezer verbrannt wurde.

In älteren Zeiten trug es sich öfter zu als jeßt, daß Gerichte, um einen Angeschuldigten, dessen sie nicht habhaft werden konnten, zu bestimmen, sich freiwillig vor Gericht zu stellen und gegen die erhobene Beschuldigung zu verantworten, ein schriftliches sicheres Geleit (salvus conductus) ertheilten, unangefochten und ungehindert an das Gericht zu gehen, daselbst sich aufzuhalten und demnächst an seinen früheren Aufenthaltsort zurückzukehren. Die in solchen Geleitsbriefen gewöhnliche Formel lautete: „ein strack, wohlverwahrt, ungefährlich, frei, ficher Geleit dar und dannen an sein Gewahrsam auf sein Recht)." Hierbei war aber schon in den ältesten Zeiten anerkannt, daß dieses Geleite blos für den Zweck der Vertheidigung und Rechtferti= gung gelte und dem Angeschuldigten gegen Verlegung seiner Person, insbesondere Beschränkung seiner Freiheit, nur so lange Sicherheit ge= wahre, als er nicht eines Verbrechens überführt und durch richterliches Erkenntniß in Strafe verfällt worden war, indem zu Gunsten überführter Verbrecher, namentlich von Dieden, Mördern, Straßen: und Kirchenraubern, kein Geleite Statt finden sollte **). Ein Geleite die

*) Haltaus, Glossar. v. Geleit.

**) Haltaus I. c.

fer Art kommt selbst noch heut zu Tage vor, und es findet sich dass felbe in den Lehrbüchern des Criminalprocesses als eines der Mittel erwähnt, wodurch die Stellung des Angeschuldigten vor das Gericht zum Zwecke der Untersuchung zu bewirken ist *). Im Uebrigen hat in neueren Zeiten das Geleite seine Anwendbarkeit verloren und ist des= halb nirgends mehr in Uebung, obgleich mitunter noch Abgaben, die davon herrühren, entrichtet werden müssen, weil solche der cameralistische Geist der Staatsverwaltung nicht abkommen ließ.

G. Rühl.

Gemeinde oder Gemeinheit; Gemeindewesen; Ge: meindebürger; gemeindebürgerliche Rechte; Gemeindegeses; Gemeindeordnung; Gemeindehaushalt. - Eine der Wichtigkeit und Vielseitigkeit der hier zu betrachtenden Gegenstånde auch nur annähernd entsprechende Darstellung derselben würde ein umfangreiches Buch erfordern. Wir müssen uns der engen Grenzen des Staatslexikons eingedenk auf die Feststellung der vom Standpuncte des Rechts und der Politik sich hier dars bietenden Hauptgrundsäge und auf die Andeutung der davon abfließenden wichtigeren Folgen beschränken.

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I. Begriff der Gemeinde. Sobald irgendwo eine Anzahl von Menschen sich ansiedelt, oder durch den Anwachs der Bes völkerung eine nåhere Berührung unter den früher etwa isolirt le= benden Bewohnern einer Gegend entsteht; sobald insbesondere eine zum Stamme erwachsene Familie, oder eine Anzahl von benachbarten Familien, etwa mit fremden Ankömmlingen untermischt, das patriarchalische oder Familien regiment, welches ihr in dem ganz einfachen Naturzustande genügen mochte aufgibt, wird sie die Nothwendigkeit erkennen, eine eigentliche Ge= fellschaftsordnung unter sich einzuführen, d. h. zur Erhaltung der Ruhe und des Friedens, zum Schirme des Rechtes u-d des Gutes gegen was immer für Angriffe und Gefahren, welchen zu steuern die Kräfte der Einzelnen nicht vermögen, endlich zur Erleichterung der Bedürfnißbefriedigung Aller, oder überhaupt zur erleichterten Erstrebung der allgemeinen Lebenszwecke und Lebensgenüsse und zur Entfernthaltung der eben aus der näheren Zusammenwohnung leicht entstehenden Störungen derselben, eine wechselseitige Hülfsverpflichtung zu statuiren, sich über gewiffe, auf Erreichung jener Zwecke berechnete Verhaltungsregeln für die Vereinsgenossen zu verständigen und zur Handhabung derselben und überhaupt zur Leitung und Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten eigene Autoritäten und Geschäftsführer zu ernennen. Alles dieses zusam mengefaßt heißt so viel, als: die durch die Nähe der Zusammenwohnung und durch die daraus entstandene Gemeinschaft der In

*) Feuerbach, Lehrb. des peinl. Rechts §. 540 flg. (10. Ausg.)

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teressen und Bedürfnisse bereits natürlich unter sich verbundenen Personen oder Familien werden die Nothwendigkeit erkennen, sich zur bürgerlichen Gesellschaft, d. h. zu einem kleinen Staate ju bilden in fo fern sie nämlich noch keinem anderen, größeren Staatsverbande angehören oder, falls Lesteres der Fall ist, in so weit die unmittelbaren Einrichtungen und Anstalten solches größeren, sie mit umfassenden Staates unzureichend sind, alle oben genannten Bedürfnisse und Zwecke befriedigend zu erfüllen.

Dergestalt entstehen also naturgemäß die Gemeinden oder kleineren bürgerlichen Gemeinwesen, d. h. die zu Zwecken, die jenen des Staates analog, ja zum Theil mit ihnen identisch sind, geschloffenen gesellschaftlichen Vereinbarungen zwischen näher zusam menwohnenden und daher sich unmittelbar berührenden Einzelnen und Familien. Zu ihrer Errichtung ist weder ein Staatsgefeß noch ein Regierungsbefehl nothwendig. Sie entstehen von selbst, so wie die Familien und Stämme, und aus ihnen erst bilden sich in der Regel die eigentlichen oder größeren Staaten. Es wird nám lich, bei fortschreitender Ausdehnung der Berührungspuncte, oder bei der mit dem Zunehmen der Bevölkerung ganzer Länder verbundenen gegenseitigen Annäherung mehrerer oder vieler Gemeinden, von den Verständigen eingesehen, daß eine vollständigere und besser gesicherte Erreichung der dem Gemeindeverbande zu Grunde liegenden Lebenszwecke nur mittelst der Vereinbarung meh rerer oder vieler solcher Urgemeinden zum größeren, fie alle in sich fassenden Gemeinwesen geschehen könne; und man ents schließt sich daher zum Eingehen solches weiter reichenden Gefellschaftsvertrages, wodurch jedoch das schon früher naturgemäß, wie rechtlich bestandene Gefeufchaftsverhältniß zwischen den Gliedern der kleineren oder Urgemeinden unter sich keinesweges aufgehos ben, vielmehr bekräftigt und seine Forterhaltung und Pflege dem starken Staatsschuße und der wohlthätigen Staatsfürsorge émpfohlen wird.

Es hat fonach mit den Gemeinden fast dieselbe Bewandtniß, wie mit den Familien. Auch die leßten nämlich entstehen ohne den Staat, und besißen ein durch die Vernunft dictirtes, auf die verschiedenen inneren Verhältnisse jeder einzelnen Familie leicht anwendbares und auch der näheren Festseßung durch Einverständniß zwischen den Familiengenossen empfängliches Recht, so wie den Anspruch auf ein nach Außen unabhängiges und selbstständiges Ge= sammtleben, welcher Anspruch durch den etwa spåter geschehenden Eintritt in den Gemeinde- oder in den Staatsverband durchaus nicht aufgehoben, sondern blos etwa denjenigen Beschränkun gen oder näheren Bestimmungen unterworfen wird, welche zu Erreichung der weiter reichenden Zwecke solcher bürgerlichen Vereine nothwendig oder råthlich sind. So wie mit rein persönlichen, also auch mit Familien- und mit Gemeinde rechten versehen

tritt man, nach dem naturgemäßen Gange der Dinge, in den Staat ein; und weit entfernt davon, diese Rechte durch solchen Eintritt hinzugeben an denselben, verlangt man von ihm vielmehr ihre Gewährleistung und Beschirmung.

Freilich sind auch viele Gemeinden erst im Staate und zum Theil durch den Staat, d. h. auf Veranstaltung der Staatsgewalt, entstanden, und entstehen fortwährend neue Familien in dem Staate : aber dieses åndert an dem naturgemåßen Verhältnisse nichts. Nach diesem sind eben Gemeinden, wie Familien, als für sich bestehende, weil zum Entstehen durchaus des Staates nicht bedürfende und darum auch in dem Kreise ihres eigenen Lebens und Wirkens selbstståndige Gesammtpersönlichkeiten zu achten, dem Staate, welcher fie schüßt, zwar zur Unterwürfigkeit in Allem, was nach einer vernünftigen Aufstellung des Staatszweckes wirklich des Staates ist, gegen diesen verpflichtet, im Uebrigen aber frei und ihre selbsteigenen Lebenszwecke autonomisch verfolgend.

Wir haben bei dieser Darstellung, abgesehen einerseits von der freilich historisch allzu oft vorgekommenen Bildung der größeren Staa ten durch Gewalt und Schrecken, wornach die Gemeinden, die einem solchen sich einverleibten, es nicht durch freien Willen oder rechtlich geschlossenen Vertrag thaten, sondern blos factisch, d. h. nothgedrungen über sich nehmend, was einmal nicht abzuwenden war; und anderseits von der nicht selten vorkommenden Gründung von Gemeinden eigens als Staatsanstalten, z. B. von Colonieen in frůher unbewohnten Bezirken, oder von Waffenplåsen gegen das Ausland, oder von Handels- oder Manufacturorten auf dazu geeigneten Puncten u. f. w. Alle solche factisch vorkommenden Einzelnheiten können gegen die allgemeine, d. h. auf Naturgesehen gegründete Entstehungsweise der Gemeinden, wie der Familien, oder auf die daraus fließenden Rechtsansprüche derselben von ganz und gar kei nem rechtlichen Einflusse sein. Der Staat, wenn er Gemeinden errichtet oder gründet, so wie wenn er z. B. durch Ausstattung eines Brautpaares eine Familie gründet, muß das natürliche Gemeinde (wie Familien) recht anerkennen und ehren. Wenn er es nicht thut, so hat er vielleicht eine wie immer zu benennende 3. B. Soldaten oder Handels- oder Gewerbs - Anstalt bes gründet, doch nimmer eine Gemeinde.

Hieraus geht auch die Beantwortung der Frage hervor: ob die Gemeinde eine Staatsanstalt sei? wie solches mehrere Publicisten behaupten und auch die Gemeindeordnungen verschiedener Staaten voraussehen. Wir sagen: Nein! Sie ist es so wenig, als die Fa= milie, und so wenig, als die Kirche, auch so wenig, als z. B. irgend eine zum Zwecke der Wissenschaft oder des Handels u. s. w. errichtete Privatgesellschaft. Sie ist es schon historisch nicht, da die Gemeinden álter find, als die förmlichen Saaten, und, wo fie erst im Staate sich bildeten, fie solches ihrer selbst und nicht des

Staates willen thaten; auch großentheils ohne alle Hülfe des Staates, ja nicht selten unter Widerstreben der Staatsgewalt, emporkamen. Sie ist es aber noch weniger nach einer unbefangenen Rechts= und politischen Theorie, da weder eine rechtliche noch politische Nothwendigkeit vorliegt, ihr solchen Charakter zuzuschreiben oder zu ertheilen, vielmehr einerseits die Selbstständigkeit ihres Daseins und Lebens schon aus dem Persönlichkeitsrechte ihrer Glieder hervor= geht, und auch nach aller Erfahrung zu ihrem Gedeihen nothwendig, demselben wenigstens höchst förderlich ist, und anderseits der Staat auch ohne Gemeinden bestehen, jedenfalls ohne durch ihn selbst errich tete Gemeinden vortrefflich bestehen kann.

Daß übrigens der Staat aus dem Vorhandensein der Ge= meinden den mannigfaltigsten Vortheil zieht und daß er sie zur Erstrebung seiner eigenen Zwecke trefflichst benuhen, ja, nach Umständen gar nicht entbehren kann, beweist nichts für die Lehre, sie seien Anstalten des Staates. Hat doch dieser auch die Familien und die Kirchen, und vor allem die einzelnen Bürger für seine Zwecke nöthig, ohne daß dadurch eine von diesen Persönlichkeiten die Eigenschaft einer Staatsanstalt erhält. Warum sollte es bei der Gemeinde anders sein?

Es ist aber für die Gemeinden unendlich wichtig, nicht als Staatsanstalten betrachtet zu werden. Sie werden herabgewürdigt durch die Vorstellung, sie seien nichts Anderes als von der Staatsgewalt angeordnete Abtheilungen oder Unterabtheilun gen der Regierten, d. h. blose Summen von Staatsangehörigen, welche die Regierung, Behufs der leichteren Administration, in besondere Vereine zusammengethan und nach ihrem freien Belieben, d. h. durch ihr Machtwort, mit mehr oder weniger Befugnissen, Befihthümern und delegirten daher auch blos im Dienste des Staa= tes auszuübenden Gewalten versehen habe. Dergestalt wird wohl 3. B. ein Kriegsheer, welches selbst eine Staatsanstalt ist, getheilt und untergetheilt in Regimenter, Bataillone, Compagnieen u. f. w., nicht aber ein Volk, welches der Staat selbst, nicht aber eine Anstalt des Staates ist, und dessen natürliche Gliederungen gleichfalls mit Leben begabt sind und wohl noch ganz andere Lebenszwecke haben, als die Erleichterung der Administration.

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Es sind aber zwei sich sonst entgegenstehende - Parteien oder Doctrinen, welche die Gemeinden dergestalt herabzuwürdigen streben, die eine nämlich, welche der Fahne der Despotie folgt, und darum kein selbstständiges Leben, d. h. keine Freiheit, in dem Gebiete des Herrn anerkennen oder dulden will, und die andere, welche das Idol des über dem ganzen Staate allmächtig waltenden Gesammtwillens anbetet. Die lehte Theorie ist für die Freiheit, mithin für das Recht, eben so tödtend, als die erste; ja sie begründet, ohne es zu wollen, die Ungemessenheit der Herrscheransprüche desjenigen, welcher etwa in Folge eines den Republiken fortwährend drohenden

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