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Einleitung.

Regulae cancellariae sind die vom Papste oder in dessen Auftrag erlassnen nur für dessen Lebenszeit giltigen Normen für die formelle und materielle Behandlung der von der päpstlichen Kanzlei zu expedirenden Ausfertigungen über Gnaden- und Rechtssachen (litterae gratiam vel iustitiam continentes) 1). Unter Gratia ist die dem Papst vermög seiner obersten Jurisdictionsgewalt zustehende Verleihung einer Gnade, unter Justitia die Entscheidung eines über solche Materien entstandenen an die Curie gebrachten, oder von vorneherein dahin gehörigen Streitfalles zu verstehen.

Die Kanzleiregeln beziehen sich also zunächst auf die Praxis der römischen Curie bei der Verleihung aller Arten von geistlichen Privilegien, Indulten (gratiae communes) und von Pfründen (Expectanzen und Provisionen), sowie Ertheilung von Dispensen und der daran geknüpften Acte zur Erlangung der genannten Gnaden und Privilegien. Es fallen dagegen fort alle Gnaden, welche der Papst pro foro interno oder als weltlicher Herrscher ertheilt, weil diese nicht (ausser höchstens zur Reinschrift) durch die Cancellaria gehen; ja die Kanzleiregeln werden auch für die zuerst genannten Gnadenverleihungen unverbindlich, wenn der Papst deren Expedition durch sein Cabinet anordnet). Andrerseits betreffen diese Regeln nicht blos die Bureaux der eigentlichen Kanzlei: das der Suppliken, Minuten, Reinschriften Bulle und Register, sondern auch die Audientia litterarum contradictarum, die Rota und andere curiale Gerichtshöfe, insoweit die

1) Vgl. Phillips Kirchenrecht 4, 448, Schulte Geschichte der Quellen und Litteratur des canonischen Rechtes 2, 70.

1) Vgl. Ottenthal Die Bullenregister Martin V. und Eugen IV., Mittheilungen des Institutes für öst. Geschichtsforschung, Ergänzungsbd. 1, 468.

selben Streitsachen über die in den Regeln behandelten Materien auszutragen haben.

Die Kanzleiregeln beziehen sich auf die formelle und materielle Behandlung dieser Expeditionen; je fester und unveränderter die Kanzleiorganisation, je subtiler und berechnender dagegen der Wortlaut der Gnadenverleihungen wird, umsomehr genügen flüchtige Andeutungen für erstere, überwiegen die Verordnungen für letztere Dadurch unterscheiden sich diese Regeln bestimmt von den vereinzelten Kanzleivorschriften, welche wir von Päpsten des 13. Jahrhunderts kennen 1), welche überdies zum Theil den Charakter von Privataufzeichnungen tragen, sich nie als Regulae cancellariae betiteln.

Nur in dem oben entwickelten Sinn findet sich der Ausdruck Regulae cancellariae als terminus technicus. Er begegnet zuerst bei Johann XXII. (Regulae datae in cancellaria, dann Regulae cancellariae Bo. IX. no 66). Ohne Zweifel muss es schon früher Normen auch für die materielle Behandlung der päpstlichen Gnadenund Rechtsbriefe nach der Art einzelner Kanzleiregeln gegeben haben; z. B. die Verordnung Nicolaus III. über die Litterae legendae ist sowohl nach der Art ihrer Bewilligung als theilweise nach ihrem Inhalt als Uebergang3) dazu zu bezeichnen, aber sie sind, soweit wir wissen, vereinzelt erlassen und vereinzelt überliefert. Die Vereinigung und Zusammenfassung dieser Normen und damit die Geschichte der Kanzleiregeln beginnt erst mit Johann XXII. Die constante curiale Tradition, für welche ich statt aller andern auf Riganti3) verweise, wird dadurch bestätigt, dass sich nie auch nur die Spur einer ältern Sammlung gezeigt hat, dass bei der Bestätigung der ältern Kanzleiregeln, wie sie seit Gregor XI. in Schwung kam, stets Johann XXII.

1) Veröffentlicht durch Merckel Documenta aliquot quae ad Rom. pont. notarios et curiales pertinent, Arch. storico italiano Appendice 5, 185; Delisle Mémoire sur les actes d'Innocent III. Bibl. de l'École des chartes 19, 1 ff. = Winkelmann Sicilische und päpstliche Kanzleiordnungen; G. Erler Der Liber cancellariae apostolicae vom J. 1380.

2) Merkel 140 = Erler 140 und dazu meine Besprechung in den Mittheilungen des Inst. 9. Bd., 4. Heft, denn erst die von Die kamp benutzten Hss. stellen das in helles Licht.

3) Commentaria in regulas cancellariae (Rom 1744-1748, Nachdruck Colon. Allobrog. 1751) 1, 4 no 1. Riganti kannte von ältern Kanzleiregeln nur die von Von der Hardt und Mansi publicirten Johann XXIII und Martin V. Seine Darstellung der historischen Entwicklung muss daher nothwendiger Weise in vielen Punkten eine irrige oder doch lückenhafte werden. Es kann an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein diese Unrichtigkeiten Schritt für Schritt zu erwähnen und zu widerlegen, ebensowenig die der neuern Darstellungen des Kirchenrechtes, welche sich wesentlich an jenes Hauptwerk anschliessen.

an der Spitze genannt wird. Solche Einrichtung entspricht auch ganz dem finanziellen und organisatorischen Talente dieses Papstes, dessen erste Regel in ihrer Fassung noch an die Verordnung Nicolaus III. anklingt. Vollends entscheidend ist dann, dass die Regeln Johann XXII. ungleich dessen Nachfolgern nicht zu Anfang seiner Regierung erlassen wurden.

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Von Johann XXII. an besitzen wir dann die ununterbrochene Reihe der Kanzleiregeln1), jedoch die ältesten nicht in der ursprünglichen Form, sondern in sämmtlichen mir bekannt gewordenen Hes. in der Ueberarbeitung aus der Zeit Gregor XI.2). Dieser Papst liess sich die durch Johann XXII, ergangenen, von dessen Nachfolgern (jedoch ausser durch Urban V. nur in geringer Zahl) vermehrten Regeln vorlesen und bei einer Reihe derselben seine volle Zustimmung, die beliebte Abänderung oder Aufhebung dazu vermerken, meist mit der Phrase, Placet d. n. Gregorio " so die ältere Regel zur eignen umstempeln, die Erlässe der Vorgänger mit den über neue Fragen ergangenen zu einem Körpor verbinden. Daher ist auch bei all diesen Päpsten gleichmässig der Unterschrifts- und Signirungsbuchstabe Gregor XI. P(etrus) (im Cod. M), respective, da unter Urban VI. der gleiche Vorgang eingehalten wurde, der des letztern Papstes B(artholomaeus) gebraucht3). Diese Ueberarbeitung Gregors fand dann allgemeine Verbreitung, erlitt keine wesentliche Veränderung mehr. Die von Clemens VII. als erste Regel Gregor XI. bezeichnete ist die, welche in allen Hss. an der Spitze steht (no 36 meiner Numerirung); nur finden sich in den Handschriften römischer Provenienz noch ein Paar Zusätze Urban VI. eingeschoben (U. VI. n° 1-5). In der Folgezeit erhielt wenigstens die zur Verbreitung bestimmte officielle Fassung keine weitern Einschaltungen durch spätere Päpste 4). Die hier ge

1) Auch von den verschiedenen Gegenpäpsten aus der Zeit des grossen Schisma mit Ausnahme Felix V., den die Tendenz des Basler Concils an solcher Erlassung hinderte und der ohnmächtigen arragonesischen Puppe Clemens (VIII).

2) Auf die ursprüngliche Redaction könnte die Bemerkung eines alten Benutzers beim Beginn der Regeln Johann XXIII. in Codex B f. 15 hindeuten : Iste regule Io. XXII. sunt etiam in quodam libro cancellarie quem servat, custos multo emendatiores et latiores.

s) Die Fassung spiegelt dieses Ueberlieferungsverhältniss auch darin wieder, dass nach Io. XXII. no 1 erst Gr. XI. n° 10, 82 wieder eine zusammenfassende Einleitung enthält. Die dazwischen liegenden Päpste scheinen überhaupt keine solche Ueberarbeitung vorgenommen zu haben. Auf Aeusserungen wie die des Erzbischofs Pileus (Döllinger Materialien 2, 805) möchte ich nicht viel Gewicht legen.

4) Ueber die zu den Regeln Io. XXII- Gr. XI. gemachten Zusätze Johann XXIII. 8. die Beschreibung des Codex F.

druckten Regeln Regeln von Johann XXII. bis Urban V. entsprechen also der von Gregor XI. angelegten, von Urban VI. geringfügig modificirten Redaction, die der folgenden Päpste der ursprünglichen Fassung.

Der Zeitpunkt der Erlassung der Kanzleiregeln ergibt sich aus verschiedenen Haltpunkten. Die erste Regel Johann XXII. nennt als Vicekanzler den Cardinal Petrus (Textoris), welcher aber erst 1320 zum Cardinal erhoben wurde 1), somit sind diese Regeln nicht bei der Thronbesteigung, sondern zwischen 1320-13302), hier aber nach der Fassung alle auf einmal erlassen3). Von den folgenden drei Päpsten sind nur wenige Regeln vorhanden, Benedict XII. no 5 und 7a scheinen den übrigen später zugefügt worden zu sein. Ein neues und sicheres Mittel zur Constatirung des Sachverhaltes gewinnen wir seit Urban V.: viele Regeln tragen jetzt das Datum des päpstlichen Befehles. U. V. no 5, 6 sind am Tag vor der Krönung (Nov. 4) erlassen, die frühesten Regeln Gregor XI. sind von III. und II. non. ian. post assumptionem et ante coronationem", dazu gehört insbesondre die Approbirung der Regeln der Vorgänger (no 32, 10). Von nun an wird der Brauch stätig, dass die Kanzleiregeln vor der Krönung erlassen werden1), seit Benedict XIII. speciell in crastinum assumptionis. Die Wahl des Tages erklärt sich aus juristischen Gründen: die Rechtskräftigkeit der Regeln erlischt mit dem Tode des betreffenden Papstes, bis zur Neuerlassung durch den Nachfolger ruhten alle Reservationen, alle die tausenderlei Mittel, welche dem Papste die Verleihung der Benefizien sicherten, ruhte der stilus cancellariae5).

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In diesem Augenblick, in welchem die mannigfachsten Geschäfte des neuen Amtes auf den Papst und seine obersten Beamten einstürmten, war eine umfangreiche selbständige legislatorische

1) Baluze Vitae paparum Avin. 1, 163.

2) Tod des Petrus nach Ciaconius Vitae Card, 1, 687.

3) Eine früher erlassene Verordnung, eine Reservation welche der Papst bald nach seiner Krönung durch den Vicekanzler Gauzelin ad memoriam in scripturam redigere befiehlt (Baluze 1. c. 1, 722, Erler Liber cancellariae 167), fand in diese Sammlung keine Aufnahme, sie war bei Erlassung der Regeln durch die Decretale Execrabilis (c. unic. de praeb. Extrav. Io. XXII. t. 18) überholt.

4) Ausnahme machen nur zwei Gegenpäpste: Gregor XII. erlässt sie am Tag nach der Krönung, Clemens VII. spricht die Approbirung erst viel später aus (no 59), erlässt aber andere Regeln vor der Krönung. (no 101, 102, 104-106).

5) Vgl. Riganti Commentaria 1, 6 n° 88.

Thätigkeit undenkbar'). Das beeinflusst nun auch die Art der Codification: man schliesst sich möglichst an die Regeln der Vorgänger an. In der Art dieser Anknüpfung ist ein Fortschritt zu strengerer Form und Gesetzmässigkeit nicht zu verkennen. Unter Gregor XI. hat man bei der Regel, bis zu welcher man mit der Approbation am 3. Jänner gelangte (U. V. no 35) vermerkt: „Gregorius... regulas supradictas ... approbavit iuxta modificationem suprascriptam". Am nächsten Tag scheint man nochmals und eindringlicher zu den Regeln der ersten Päpste zurückgekehrt sein und vermerkte wieder bei der letzten Regel Innocenz VI. das Resultat, während der Schluss (infrascriptas) der Regeln Urban V. nach einem weitern Zusatz bei U. V. no 35 erst am 12. Januar angenommen wurde. Unter Bonifaz IX. scheint man einen ähnlichen Weg eingeschlagen zu haben, insofern auch er, regulas suprascriptas secundum modificationes suprascriptas" billigt, aber diese Approbation steht an der Spitze seiner eignen Regeln, ändrungsbedürftige Regeln der Vorgänger sind in selbständiger Stilisirung und Einordnung mit den ganz neu erlassnen zu einer Sammlung vereint (no 28, 14, 23, 24, 31, 37, 42, 70), also hat er wahrscheinlich überhaupt keine Einschaltungen zu den Regeln der Vorgänger gemacht. Derselbe Vorgang wie bei Bonifaz bürgert sich gleichzeitig bei den avignonesischen Gegenpäpsten ein. Practische Gründe waren es offenbar, welche zu dieser Aenderung des unter Gregor XI. beliebten Verfahrens drängten. Von je mehr Päpsten Zusätze zu den Regeln der Vorgänger zugefügt wurden, und je verschiedener und widersprechender dieselben wurden hat doch auch Gregor XI. schon bei wichtigen Regeln die einfache Zustimmung ausdrücklich vermerkt, im Lauf der Regierung die anfängliche Modification nochmals geändert 2), endlich eine grosse Zahl neuer Regeln hinzugefügt um desto unübersichtlicher und ungefüger für den täglichen Gebrauch wurde die Sammlung, um desto zweifelhafter wurde oft die Giltigkeit der einzelnen Bestimmung3).

Ganz klar und unzweideutig wurde die Aufzeichnung erst, wenn der Papst bei seinem Regierungsantritt sämmtliche Regeln, welche unter ihm Geltung haben sollten, als

1) Alexander V. schickt nach seiner Wahl vor der Hand gewisse Regeln in die Kanzlei,dum tempus habuerit plenius deliberandi' (n° 1).

2) Gr. XI. n° 14, 21a, 21b, 228.

3) Es ist bezeichnend, dass gerade Clemens VII. unter dem die grösste Unordnung herrscht, verordnet, dass bei widersprechenden Regeln die spätere Geltung haben solle (no 59).

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