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V.

Aus der Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts in Strafsachen 1893/94.

(Fortsetzung zu Archiv f. K.-R. 71 S. 95–104.)

Zusammengestellt vom kais. Reg.-Rath a. D. F. Geigel zu Strassburg i. E.

Die Urtheile sind entnommen aus der jur. Wochenschrift« (= jur. W.), Organ des D. Anwalt-Vereins 1894 sowie den Entscheidungen (= E.) des R.-G. in Strafsachen Bd. XXIV und XXV.

a) 13/20. Febr. 1893, 1. Senat, E. XXIV S. 12-22. In der Beschimpfung (St.-G.-B. 166) der Ausstellung eines einzelnen, als Reliquie verehrten Gegenstandes kann die Beschimpfung der Reliquiencultes als eines Gebrauchs der kath. Kirche gefunden werden (vgl. Arch. f. K.-R. 68 S. 230 u. 71 S. 97 u. 104).

b) 27. März 1893, I. S., E. XXIV S. 91. »Versicherungen eines Zeugen an Eidesstatt im Sinne des St.-G.-B. 156 sind der Strafproz.-Ord. fremd. A. hat vor dem Schöffengerichte wissentlich eine unwahre Zeugenaussage gemacht, nachdem er als Mitglied der Brudergemeinde Kronthal (württemb. Reg.-Bl. 1852 S. 14) unter der, für diese an Eidesstatt zugelassenen Betheuerungsformel sich zur Angabe der Wahrheit verpflichtet zu haben erachtete; die Form aber, in welcher die Beeidigung vorgenommen wurde, entsprach nicht der in jenem Privileg (vgl. unten i) an Stelle des Eides gestatteten Form einer Erklärung unter einer Betheuerungsformel. A. hat durch äussere, die Grenzen einer blossen Vorbereitung überschreitende Handlungen seinen Willen kundgegeben, der eidlichen Verpflichtung eines Zeugen entgegenzutreten, somit als Zeuge einen Meineid zu schwören (versuchtes Verbrechen eines Zeugenmeineids). Die Freisprechung verstösst also gegen das Gesetz.<<

c) 27. April 1893, I. S., E. XXIV S. 133. Die am 6. Sept. 1878 geb. Tochter des evang. Taglöhners L. und seiner kath. Ehefrau L. ist evang. getauft..; eine Zeugin bekundet, dass sie der Vater in den letzten Tagen vor seinem Tode gebeten habe, dafür zu sorgen, dass die hinterbliebenen Kinder in der evang. Religion erzogen werden sollen. Die als Vormünderin bestellte L. liess nach dem Tode ihres Mannes an ihrer Tochter die bei der kath. Taufe üblichen Ceremonien nachholen und dieselbe aus der Diakonissenanstalt in das vom Angeklagten S. als Rektor geleitete kath. Hospital T. verbringen. Auf Betreiben des evang. Presbyteriums T. wurde das Kind zwar der Mutter zurückgegeben, indess von S. in die kath. Erziehungsanstalt F. und sodann in das

Hospital E. im Grossh. Luxemb. gebracht. L. erklärte dem Vormundschaftsgerichte 21. VIII 1884, ihr Kind sei ohne ihr Vorwissen bei einer ihr unbekannten Dame in L. untergebracht, am folgenden Tage, sie selbst habe es dieser wohlthätigen Dame W. übergeben. Da die Mutter die Rückholung verweigerte, so wurde ihr am 5. Nov. 1884 unter Hinweis auf die Deklaration vom 21. Nov. 1803 vom Vormundschaftsgerichte eröffnet, dass sie, wenn sie nicht binnen Monatsfrist nachweise, dass das Kind in der evang. Religion erzogen werde, Gefahr laufe, als Vormünderin entsetzt zu werden. Diese Entsetzung wurde sodann (Vormundschaftsordn. §. 63) am 19. April 1887 ausgesprochen. Als Vormund wurde durch einen, mit den Vorgängen nicht bekannten Decernenten S. bestellt. Letzterer liess das Kind in das Kloster E. (in Luxemb.) überführen. Von all dem hat das Vormundschaftsgericht nichts erfahren. Am 6. Mai 1891 erklärte L., ihre Tochter befinde sich immer noch bei der Katharina W. Ungeachtet des Widerspruchs des S. wurde darauf (3./4. Aug. 1891) der Mutter das Erziehungsrecht genommen, am 6. Aug. 1891 S. der Vormundschaft entsetzt und an seine Stelle der evang. Pfarrer W. als Vormund bestellt. Im Sommer 1891 war die Tochter von E. wieder fortgenommen; gleichwohl hat L. am 11. Aug. 1891 vor der Polizei erklärt, ihre Tochter befinde sich in E. Das Landg. Trier erkannte auf Freisprechung (St.-G.-B. 235, 47 u. 4). Die Revision wurde für begründet erachtet. »Das Urtheil geht >zutreffend davon aus, dass der Thatbestand des St.-G.-B. 235 auch »dann vorläge, wenn die Angeklagte durch bereits vor dem 6. August » 1891 vorgenommene und in ihren Wirkungen fortbestehen gelassene >> vorsätzliche Handlungen die Entziehung der minderjährigen L. ihrem »jetzigen Vormunde gegenüber verursacht hätte; es nimmt weiter an, >> dass hiefür auch Unterlassungen genügt hätten. Dadurch aber, » dass es die Möglichkeit feststellt, eine andere dritte Person habe »ohne Wissen der Angeklagten das Kind schon vor der Bestellung >des Vormundes M. aus dem Kloster E. weggenommen, beschränkt »es die zur Anklage gestellte Kindesentziehung lediglich auf die >> Thatsache der Entfernung des Kindes aus dem Kloster zu E. In » dieser Auffassung gibt das Urtheil dem Begriffe der » Entziehung< »eine zuweit gehende Beschränkung, E. XVIII S. 273, Goltdammer » Mat. z. preuss. Str.-G.-B. II S. 441... Es genügt, wenn das Er»ziehungsrecht in seinem wesentlichen Inhalt, in dem jederzeitigen >ungehinderten Verfügungsrecht über die körperliche und geistige, insbes. religiöse Ausbildung, beeinträchtigt wird (vgl. Arch. für K.-R. 60 S. 308, 61 S. 320 u. 71 S. 101).

d) 12. Mai 1893, E. XXIV S. 155. In St.-G.-B. 52 u. Str.Pr.-O. 511 sind unter Verlobten « nur solche Personen zu verstehen, welche je nach den landesrechtlichen Vorschriften ein civil rechtlich wirksames Verlöbniss geschlossen haben, E. X. S. 117, XIV S. 7, E. in Civils. XXIX S. 97, Rechtspr. in Straf-S. IX 129. Im Gegensatze zu einem blossen Liebesverhältnisse (Rechtsspr. in Strafs. II

S. 182) oder einem Konkubinate (Reichsgericht 30 X 1882) wird eine Willenseinigung über demnächstige Begründung des familienrechtlichen Verhältnisses der Ehe gefordert. .Die Eheversprechungen müssen ernstlich gemeint sein. Aus diesem Grunde ist im Rechtsleben solchen Eheberedungen die Anerkennung zu versagen, die dem Gesetze oder den guten Sitten zuwiderlaufen. Rechtlich bedeutungslos sind Eheversprechungen, die von einem Ehegatten mit einer, diese Eigenschaft kennenden Person ausgetauscht werden. (K. lebt getrennt von seiner Ehefrau und mit ihr im Scheidungsprozesse). >>Das von ihm der Angeklagten gegebene Versprechen ist auf den Abschluss einer Ehe gerichtet, sobald er von seiner jetzigen (Ehefrau geschieden sein wird«). Das allg. L.-R. (§. 95 II 1 u. s. w.) enthält nichts, was auf eine andere, als die oben entwickelte Rechtsauffassung hinführen könnte« (vgl. Arch. f. K.-R. 68 S. 224, E. in Civils. XXIX S. 98).

e) 2. Okt. 1893, I. S., E. XXIV S. 269. Die Gewerbeordnung §. 105a wollte die Staatsregierung nicht zwingen, überall neue Bestimmungen darüber, welche Tage als Festtage gelten, zu erlassen. Wo im Einzelstaate die Frage bereits in befriedigender Weise geregelt war, blieb es bei den bestehenden Vorschriften (vgl. Arch. f. K.-R. 64 S. 274 u. 66 S. 267).

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f) 6. Nov. 1893, III. S., E. XXIV S. 361. Landgericht Leipzig erachtete für erwiesen, dass A., weil sie sich bei dem Aufgebote in der Eheschliessung vor dem Standesbeamten als ledige Rudolfine M. H. ohne den Zusatz geschiedene Sch.« bezeichnete, vorsätzlich bewirkt hat, dass für Rechtsverhältnisse erhebliche Thatsachen im Heirathsregister als geschehen beurkundet worden sind, während sie in anderer Weise geschehen waren.<< St.-G.-B. 271. Diese Gesetzanwendung beruht auf einem Rechtsirrthum. Die im Sinne des St.-G.-B. 271 strafbare Verletzung der Wahrheit erstreckt sich nicht weiter, als die Beweiskraft der in Frage stehenden Beurkundung reicht, bezüglich der Standesregister nicht weiter, als §. 15 des Ges. v. 6. Febr. 1875 sie zur Beurkundung gewisser Thatsachen für bestimmt erklärt, bezüglich der Heirathsregister insbesondere also nicht über die in §. 54 einzeln aufgeführten Thatsachen hinaus, für deren Eintragung das Heirathsregister bestimmt ist. Die unrichtige Angabe von Thatsachen oder Umständen, welche aus dem Ganzen der solchergestalt geordneten Beweiskraft gewisser Beurkundungen herausfallen, fallen auch aus dem Thatbestande des St.-G.-B. 271 heraus. . Da A. ihren Vornamen und den durch die eheliche Geburt erworbenen Geschlechtsnamen richtig angegeben hat, enthält das Heirathsregister in dieser Beziehung nichts Unwahres. Mit der Vorinstanz zu behaupten, der Name des geschiedenen Ehe

manns der A. sei deren »allein richtiger Familiennamen«, erscheint unhaltbar §. 741 u. 742 A. L.-R. II 1, sächs. bürg. G.-B. §. 13 u. 1748 ... Die Eigenschaft eines Eheschliessenden als verheirathet oder unverheirathet, verwittwet oder geschieden, gehört nicht zum Begriffe desjenigen »Standes«, von welchem §. 541 spricht, E. XVI N. 22 u. XX N. 92. Im §. 54 wird nirgends vorgeschrieben, dass in das Heirathsregister auch mit dem Vorleben der Ehenschliessenden historisch zusammenhängende persönliche Verhältnisse derselben miteinzutragen sind. Ist das Heirathsregister aber nicht dazu bestimmt, die Thatsache, ob eine frühere Ehe bestanden, ob sie durch Tod oder Scheidung gelöst sei, zu beurkunden, so fällt die Bezeichnung als ledig« auch aus den Rahmen der verantwortlichen Beurkundungen derselben heraus.<< (Aehnlich Reichsgericht 1. Juni 1894, II. S., jur. W. 94 S. 393, Arch. f. K.-R. 66 S. 265 u. 266, 68 S. 232, 71 S. 104).

g) 23. Nov. 1893, I. S., E. XXIV S. 415 u. jur. W. 94 S. 45. Nach franz. und bad. R. (Landrechtssatz 336 u. 341) erbringt der Eintrag im Geburtsbuche und der, die Bezeichnung der Mutter enthaltende Geburtsschein vollen Beweis der Thatsache der Mutterschaft und kann sich das Kind auf die possessio status berufen (Ztschr. f. franz. Civ.-R. IV S. 372, bad. Annalen 1854 S. 300). Der Eintrag über die Niederkunft der Mutter und die Geburt des Kindes ist erfolgt, wenn auch nicht auf Veranlassung der ersteren; die Mutter hat ihr Kind als solches immer betrachtet und sich die Verfügung über dasselbe vorbehalten. Der Besitz des Familienstandes von Mutter und Kind ist dargethan, und es bestand die rechtliche Möglichkeit, diesen Besitz sofort durch nachträgliche Anerkennung der Mutter oder durch Richterspruch auf die Maternitätsklage des Vormundes in Recht zu verwandeln. Dieser Besitzstand und das Recht nachträglicher Anerkennung stehen aber schon unter dem Schutze des St.-G.-B. 235. Dasselbe erfordert nur, dass eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren »Eltern oder ihrem Vormund entzogen wird. Der Ausdruck »Eltern bezieht sich auf den einzelnen Elterntheil und bei unehelichen Kindern auf die Mutter. E. in Strafs. XXII S. 167.

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h) 6. Febr. 1894, II. S., jur. W. 94 S. 158 u. E. XXV S. 119. Strafantrag (St.-G.-B. 61 u. 172 Abs. 2) kann selbst der, den anderen zum Ehebruche anstiftende Ehegatte stellen, vgl. übrigens E. XIV S. 204, Arch. f. K.-R. 60 S. 304, 61 S. 316, 64 S. 273 und Urtheil k.

i) 15./19. Febr. 1894, I. S., jur. W. 94 S. 166 und E. XXV

S. 135 Str.-Pr.-O. §. 60 u. 260. Dem Gerichte ist nicht verwehrt, als Beweismittel bei der Sachentscheidung auch eine solche Zeugenaussage heranzuziehen, welche ohne Verletzung eines Prozessgesetzes in der Hauptverhandlung abgegeben, aber schliesslich ohne Eidesbekräftigung geblieben ist, natürlich aber nur unter der Beachtung des Umstandes, dass das Zeugniss ein unbeeidigtes ist. Die Zeugin hatte unter der Erklärung, Baptistin zu sein, die Eidesleistung verweigert (vgl. oben b). Nachdem festgestellt war, dass die Baptisten (Arch. f. K.-R. 66 S. 254) nicht eine solche Religionsgesellschaft bilden, auf welche Str.- Pr.-O. §. 64 Anwendung finden könne, wurde sie gemäss §. 69 zu einer Geldstrafe verurtheilt, von weiteren Zwangsmassregeln, die von keiner Seite beantragt waren, wurde stillschweigend abgesehen, in dem Urtheile aber ausgeführt, dass ihr Zeugniss glaubwürdig erscheine und das der übrigen Zeugen unterstütze (vgl. übrigens Urth. v. 27. März 1893 und 27. April 1894, III. Civilsenat, jur. W. 1894 S. 279).

k) 26. Febr. 1894, III. S., jur. W. 94 S. 158. Für die staatliche Verfolgung ist erforderlich, aber auch ausreichend der vom Verletzten gestellte Strafantrag, und es darf nicht untersucht werden, ob der Antragsberechtigte vom privatrechtlichen Standpunkte aus an Stellung des Strafantrags sich hätte behindert fühlen sollen. (Die Ehefrau hatte ihrem früheren Ehemanne unter dessen Annahme versprochen, Strafantrag wegen des von ihm begangenen Ehebruchs gegen ihn nicht zu stellen, vgl. Reichsgericht 22. Jan. 1892, Arch. f. K.-R. 68 S. 231 u. Urtheil h oben!).

1) 26. Febr. 1894, I. S., jur. W. 94 S. 163. St.-G.-B. 267. Um ihren Bräutigam in der Täuschung über ihr Alter zu erhalten, hat die Angeklagte die Fälschung ihres Geburtszeugnisses neben der Absicht, ihren Bräutigam zu täuschen, nothwendig auch in der Absicht vorgenommen, den Standesbeamten in Irrthum zu versetzen. St.-G.-B. 363 ist nicht anwendbar, da die Fälschung zur Erreichung eines Erfolgs vorgenommen ist, bei welchem die Veränderung von Rechtsverhältnissen in Frage kommt (dagegen Arch. f. K.-R. 61 S. 321).

m) 6/16. März 1894, IV. S., E. XXV S. 191. Der Thatbestand des St.-G.-B. 169 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass zur Zeit der Handlung, in welcher eine Veränderung oder Unterdrückung des Personenstandes gefunden wird, die betreffende Person nicht mehr lebte (vgl. Arch f. K.-R. 64 S. 272 u. 71 S. 99).

n) 21 März 1874, I. S., jur. W. 94 S. 21 u. E. XXV. S. 199. Mit Recht hat Erstrichter die Voraussetzungen der Strafbarkeit (St.-G.-B. 172) des in Frage stehenden Ehebruchs nicht für vor

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