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Literar-historische Vorbemerkungen

zu

Petrarca's Biographie.

S.

o sehr auch die neuere literar-historische Kritik sich es angelegen seyn liefs, ihr Licht in die nahen und fernen Gegenden der CulturGeschichte des menschlichen Geistes zu tragen, so mühte sie sich doch lange vergeblich, das Leben eines der merkwürdigsten Menschen, der mit so vielem Rechte als erster Wiederhersteller der alten Literatur und des gereinigten Geschmackes in Europa glänzt, das Leben Petrarca's allseitig zu beleuchten. Tausend Federn beschäftigten sich zwar seit Jahrhunderten, uns den aufserordentlichen wahrhaft - grofsen Mann genauer kennen zu lernen. Allein ihre Bemühungen hatten aus Mangel verlässiger Quellen oft sehr unsichere, oft ganz verkehrte Erfolge.

Schon bald nach Petrarca's Tode schrieben Filippo Villani, Coluccio Salutati, Domenico Aretino, Pier Paolo Vergerio, und nach kurzem Zwischenraume: Sicco Polentone, Leonardo Aretino, Giannozzo Manetti, u. A. über ihn und seine Werke. Doch die Schriften aller dieser Männer waren trocken und mager, gröfstentheils ohne Kritik, durch Mährchen und Albernheiten entstellt. Am Anfange des 16ten JahrHundertes folgten Bernardo Ilicinio und Girolamo Squarciafico ihren Vorgängern mit kaum merkbar glücklicherem Streben; und der um sichere Kunde über wenn bald nach ihnen Alessandro Vellutello,

Laura zu erlangen, sogar nach Frankreich reiste, für die über sie und Petrarca bekannt gemachten Nachrichten, zu seiner Zeit in Italien Lob einährntete, so machen eben diese Nachrichten, die selbst seine LandesLeute jetzt Visionen und ihn heut zu Tage der Vergessenheit werth. Träume nennen, Wichtiger (nach dem Urtheile sachkundiger AugenZeugen) wäre der literarischen Welt eine von Lelio de' Lelj, einem Abkömmlinge des berühmten gleichnahmigen Freundes Sie liegt Petrarca's, aus dessen Schriften gezogene LebensBeschreibung gewesen. aber noch immer ungedruckt in den Bibliotheken zu Mailand und Florenz. Nach ihm haben Gian - Andrea Gesualdo und vorzüglich Lodovico Beccadelli mit Dankes-werthem Fleifse Nachrichten von Petrarca gesammelt; doch sind auch ihre Arbeiten noch immer mangelhaft, Gewähr-los und unbefriedigend.

Im 17ten Jahr Hunderte waren Geschmack und Wissenschaften wieder so tief gesunken, gelehrte Forschungen und Gelehrte selbst wieder so sehr verwahrin seinem VaterLande sogar los't, dafs auch Petrarca wie vergessen schien, Nur Filippo Tommasini versuchte es, die ganz erloschene Bewunderung desselben durch seinen Petrarca redivivo neu zu beleben. Allein ungeachtet der vielen bis dahin unbekannten Nachrichten, die er ans Licht brachte, ward sein edler Eifer von den Umständen und dem ZeitGeiste zu wenig begünstigt, und lange nicht so gewürdiget, als er es wohl verdient hätte. Es scheint sogar, dafs in diesem Zeit

Raume Ausländer (Teutsche, Franzosen, Niederländer, u. A.) durch ihre, wenn
gleich wenig Neues enthaltende Schriften die Sorglosigkeit der Italiener und ihre
Vernachlässigung Petrarca's beschämen wollten. Als der Genius der Wissenschaften
nach vieljähriger Verbannung wieder in sein WiegenLand zurückkehrte, trat Lodo-
vico Antonio Muratori mit einer Lebens Beschreibung Petrarca's auf, mit der er
jedoch, den Ruhm seines Helden nicht mehrend, seinen eignen verdunkelte. Luigi
Bandini, dessen Nachfolger, schien zufrieden zu seyn, einige Nachrichten über
Petrarca's Vorältern aufgespürt zu haben, und nach keiner weiteren Ehre zu geitzen.
So waren alle biographischen Versuche der Italiener über ihren berühm-
ten Mitbürger beschaffen, als ein französischer Gelehrter, der Baron de la Bastie,
eine neue Lebens Beschreibung desselben, mit sorgfältiger, jedoch nicht immer glück-
licher Benützung der Petrarchischen Schriften selbst, in den Akten der Pariser Aka-
demie (Band XVI. und XVII) lieferte, und vor allen jenen, sowohl durch histori-
sche Kritik als durch Würde des Styles, den Vorrang behauptete; bis endlich der
Abbé de Sade durch seine Gehalt - reichen Mémoires pour la vie de François Pe-
trarque, à Amsterdam 1764 — 1767, Tom. III. in 4. ihm beynahe jedes Verdienst
streitig machte.
Dieses nur zu weitläufige Werk übertrifft an Vollständigkeit und
Genauigkeit Alles, was früher und später über Petrarca geschrieben worden ist.
(Eine teutsche Uebersetzung davon erschien, jedoch ohne die wichtigen Belege:
Pieces justificatives etc., zu Lemgo im Jahre 1776.) Es ist die Quelle, aus der jeder
heutige Biograph Petrarca's schöpfen mufs; der PrüfStein, an dem auch die mei-
sten Nachrichten der hier neu-
eu - bearbeiteten Biographie erprobt sind; wobey aber
beständige Rücksicht auch auf alle neueren vorzüglichsten Schriften der italieni-
schen, französischen und teutschen Literatur genommen worden ist.

Unter diesen verdient Vorzugsweise Erwähnung Baldelli's vortreffliches Werk: Del Petrarca e delle sue opere, Libri IV., Firenze 1794 in 4., in welchem die schätzbaren kritischen Erörterungen und Aufklärungen, die wir über so manche in Petrarca's Lebens Geschichte noch dunkel gebliebenen Punkte dem gelehrten Literator Me hus, dem hochverdienten Tiraboschi, dem unvergesslichen P. Affó, u. A. zu verdanken haben, mit der gewissenhaftesten Treue benützt, und zu einem so vollkommenen Ganzen verarbeitet sind, dafs italienische Kritiker ihr Urtheil darüber mit dem Ausrufe begannen:,,Ecce al fine esauditi i nostri voti"!

Eine Legion hier nicht genannter Biographen und Commentatoren, von denen besonders Petrarca ärger, als kein anderer italienischer Dichter, gemifshandelt worden ist (,,Grande sventura de' più eleganti Poeti, sagt Tiraboschi, ve,,dere i lor versi si barbaramente straziati e contrafatti da nojosi e freddi pedan,,ti“, etc.) ruhen verdienter Mafsen im Grabe literarischer Verwesung; Andere, deren Verdienste um des gekrönten Dichters Schriften und Nachruhm das gelehrte Europa allgemein kennt und ehrt, sind in den Noten dieses Werkes mit Zurück. weisung auf ihre Schriften angeführt.

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FRANCESCO PETRARCA.

I.

Rückblick auf Dante und auf Italien vor Petrarca.

Ein allgemein gefeyerter, beynahe vergötterter Heros, stand Dante

als Schöpfer der Divina Commedia einzig und unvergleichbar in seinem JahrHunderte. Ein Heer gelehrt sich dünkender ZeitGenossen, die das RiesenGebilde seines Genie's um so mehr anstaunten und priesen, je weniger sie, in ihrer geistigen Zwergheit, es zu erfassen vermochten, mühte sich vergebens, den höheren Sinn desselben zu enträthseln, und durch die bewunderte Hülle in das tiefere Wesen der göttlichen Dichtung selbst einzudringen. Kaum Einer der vielen älteren Commentatoren (Boccaccio vielleicht) hatte Stärke und Freyheit des Geistes und eigener SchwungKraft genug, um über die Allegorie sich zu erheben,

und über mehr als diese und den historischen Theil des Gedichtes Licht zu verbreiten.

Indefs, wenn auch die Meisten auf solche Weise zur Förderung der Wissenschaftlichkeit ihrer Zeit und zur Bildung des Geschmackes überhaupt nur wenig beygetragen haben mögen, bleibt ihnen doch das Verdienst, einzelne zum Verständnisse der schwierigsten Stellen der göttlichen Komödie unentbehrliche Notizen gesammelt und der freyer forschenden Nachwelt aufbewahrt; die von Dante so sehr bereicherte und veredelte NationalSprache aber, als Schrift- und Gelehrten-Sprache, mehr in Italien verbreitet, und eben dadurch auch den von ihm geweckten literarischen National Geist zu einem kräftigeren, sich schneller entfaltenden Leben angeregt zu haben.

Und diefs war in der That kein unbedeutender Gewinn zu einer Zeit, in der es den überall verscheuchten Musen noch immer so schwer ward, wieder festen Fufs zu gewinnen in einem Lande, das, politisch und moralisch zertrümmert, an jedem gemeinschaftlichen EinigungsPunkte ermangelte, und unter einem Volke, dem, bey seiner Zersplitterung in so viele und vielerley kleinere und gröfsere Staaten, und bey dem ewigen Kampfe mit sich selbst, des Mächtigeren mit dem Schwächern, des Listigen mit dem Starken, jede nationelle Angelegenheit zur klein-herrischen Partey Sache verschrumpfte; dem selbst der Nahme Italien, als gemeinsamen VaterLandes, ein Wort ohne Kraft, ein Schall ohne Bedeutung geworden war.

Zwar wurden schon in der Mitte des dreyzehnten JahrHundertes die ersten Regungen der wieder auflebenden Künste und Wissenschaften auf der von der Natur so vorzüglich begünstigten Halbinsel bemerkbar. Die meisten der kleinen italienischen Freystaaten begannen schon damahls, im Bewusstseyn ihrer wachsenden, sich gegenseitig bedrohenden Kräfte und Reichthümer, es einander mit republikanischer Eifersüchtigkeit an ungemesse nem Aufwande und äufserem Glanze bevorzuthun. Sie bauten ihren Volks Versammlungen und Magistraten, ihren Gottheiten und Priestern prächtige, im Geschmacke der Zeit mit Verschwendung ausgeschmückte Palläste und Tempel; sie umgürteten ihre Städte mit Schutz- und Trutz-biethenden Mauern, und zierten sie mit marmornen Thoren und Thürmen; sie sorgten durch kostspielige Canäle, durch kühn-angelegte Wasser Leitungen, Brücken und Strafsen für Handel und Gewerbe, für Bedürfnifs und Bequemlichkeit; sie reitzten und ermunterten die schönen Künste, ins Besondere Mahlerey und Skulptur, zu glücklichen Versuchen und zu noch glücklicheren Fortschritten *).

So traten allmählig zu Venedig und Bologna, zu Mailand und Reggio, zu Pisa, Modena, Florenz, Genua, u. a. O. Künstler

*) Man sehe Tiraboschi, Storia della Letteratura italiana, Tomo IV., Lib, III, Cap. 6., und Muratori, Script, rer. ital, Tomo VIII,

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