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lich und ein so notwendiges Bestandteil unserer selbst ist, wie unsere eigne Vergangenheit. Aus dem Verstehen dieses Zusammenhanges wuchs die Übertragung und seine Deutung ist die Forderung, die sie zu erfüllen versuchen soll. Wir wissen, daß dieser Versuch ein höchst unvollkommener bleiben muß, wie solches Gelingen mehr oder minder vielleicht immer ein Glückszufall, eine Gnade ist. Rechtfertigung aber will er aus der Bewußtheit dieser Aufgabe erlangen. Die innere Form der Dichtung soll erfaßt, über die einzelsprachlichen Grenzen hinaus verallgemeinert und in neuer Prägung begrenzt und wieder belebt werden. Nicht künstliche Archaismen sollen die alte Gestalt erwecken, sondern Vereinfachung des inneren Baues unserer Sprache, knappe Nachbildung, Vers um Vers und Zäsur um Zäsur, bis die Oberfläche gleichsam unwesentlich scheint und man durch den heutigen Ausdruck den alten hindurchschimmern sieht. Je strenger der Stil und je enger die Form bestehen bleiben, zu um so weiterem und freierem Leben soll sich die Seele der Dichtung wieder auftun können. So darf vielleicht der Versuch gelten, das höchste Gemeinsame italienischen und deutschen Minnesangs zu verstehen und fruchtbar machen zu wollen.

Die Zusammenstellung der Gedichte soll einen Begriff der Anfänge und ersten Wandlungen ita

lienischer Dichtung im Duecento und Trecento geben. Am Eingang die hymnischen Akkorde des heiligen Franz und die noch in provenzalischen Vorbildern befangnen ersten Lieder der,,Sizilianer“. Dann die,,Toskaner", die das bürgerliche Leben des Duecento abbilden: des Guittone Gelehrsamkeit, der Compiuta Frauenklagen, des Chiaro Schauensfreude, des Rustico Spottlust, des Folgore üppige Farbenpracht, des Cecco Zynismus und dagegen die innige Gottessehnsucht des Jacopone und der Franziskaner. Auf diesen Grundlagen, dem sizilianischen Minnesang, der toskanischen Bürgerdichtung und der franziskanischen Hymnik gegen die Wende des Jahrhunderts sich erhebend der dolce stil nuovo. Mit Guinizellis großer Kanzone «Al cor gentil» beginnt eine neue Epoche. Zum ersten Mal wird der Stoff bezwungen und gestaltet und die Erfüllung des Persönlichen im Ewigen vollzogen. Eine andere Welt tut sich auf. Wir sehen den Weg, der über die Gedichte Cavalcantis und der Vita Nuova zur Commedia führt. Dante faßt alle die so verschiedenen Elemente des vor ihm liegenden Jahrhunderts in sich und zwingt sie in ein Leben und ein Werk zusammen, mit dem er das Gebäude des mittelalterlichen Dramas vollendet und krönt. Bald nach seinem Tode zerfällt die von ihm geschaffne Einheit. Mit Petrarcas empfindsamer Seele ersteht der erste Mensch der neuen Zeit.

Er sucht Glück und Größe nicht mehr in den Himmeln des Jenseits, sondern in den Tiefen des eignen Herzens. Aber einsam im Leben wie im Dichten steht er in seiner Vollendung eigentlich abseits jeder zeitlichen Entwicklungsreihe. Von Dante führte der Weg zu Boccaz, von der himmlischen zurirdischen Komödie. Die strengen Formen lösen sich, und unter dem heitern Klang von Tanz: liedern, Caccen und Madrigalen naht das heidnische Rinascimento. Der dichterische Stoff greift wieder ins Leben und schöpft neue Kraft aus ihm. Giustinianis weiche Oktaven sind wie eine Ankündigung des Orlando Furioso. Aber die Dichtung ist nicht mehr der Mittelpunkt des seelischen Lebens. Die Sprache des Mittelalters war die Vision gewesen, die der neuen Zeit ist der bildnerische Ausdruck. Die Gestalten der Dichter mit so Wenigem zu umschreiben, ja nur bezeichnen zu wollen war nicht möglich, wohl aber ihre Beziehungen zueinander und zum Ganzen anzudeuten. So soll jedes Einzelne in einer Bedeutung dieses Zusammenhanges verstanden werden. Dahinter stehen die großen Dichtwerke der Zeit, deren Kenntnis vorausgesetzt wird und zu denen gleichsam Durchblicke sich auftun sollen.

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Um die verschiedenen Stile deutscher Übertragungen, die als Muster gelten dürfen, anschaulich zu machen, wurde ein Gedicht aus dem sieb

zehnten Jahrhundert von Martin Opitz eingefügt, eines von der Wende des achtzehnten von August Wilhelm Schlegel und von heutigen mehrere von Rudolf Borchardt und Rainer Maria Rilke. Namentlich Borchardts Übertragungen der Kanzonen Dantes, die bisher der Öffentlichkeit vorenthalten und hier zuerst gedruckt wurden, scheinen uns ebenso wie seine Übertragungen aus der Commedia und seine Vita Nuova von vorbildlicher Bedeutung zu sein. Trotz aller früheren Übertragungen ist, wie für das Englische durch Rossetti, für das Deutsche wohl zuerst in ihnen und in Stefan Georges Paradiso der Stil des italienischen Mittelalters rein und meisterlich nachgebildet und wiedergewonnen worden. Sie sind nicht mehr nur Übertragungen, sie sind ein Teil der deutschen Dichtung und vielleicht dazu bestimmt, den Weg zu einer neuen Form zu finden.

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