Sayfadaki görseller
PDF
ePub

§. 2.

Blicke auf die kirchlichen Zustände Deutschlands im Mittelalter 1).

Die gegenwärtige Grundanschauung der katholischen Kirche und insbesondere der römischen Curie über ihr Verhältniß zu den weltlichen Gewalten ist in der Hauptsache noch immer die einst im Mittelalter herrschende. Sie stellt die Kirche als das Höhere über den Staat und erkennt seine Geseze nur insoweit als in sich gerecht und für sie absolut bindend an, als sie ihrem Princip gemäß sind, läßt sich indessen, wenn sie es nicht ändern kann, dieselben als eine factische Hemmung ihres guten Rechts so lange gefallen, bis es ihr möglich wird, dieses wieder zur Geltung zu bringen. Stimmt sie dem Unvermeidlichen bei, oder ertheilt sie der Staatsgewalt mehr Rechte in kirchlichen Dingen, als dieser nach der kirchlichen Ansicht zukommen, so find dieß Indulte oder vertragsmäßige Einräumungen, deren Rechtsgrund dann in der Concession der geistlichen Gewalt liegt.

Man kann daher das gegenwärtige Gebahren sowohl des Pabstes als des jenen Ansichten huldigenden Episcopats gegenüber den weltlichen Regierungen nicht erklären ohne eine genaue Kenntniß der Stellung des Staates zur Kirche im Mittelalter. Dieselbe war nun freilich nicht immer die gleiche, doch war dieß das von von der Kirche festgehaltene Princip.

Man hat bei der Darstellung dieser Verhältnisse und ihrer

1) Eine zwar kurze aber gründliche auf auserlesene Quellen gestüßte Darstellung des Verhältnisses von Staat und Kirche im Mittelalter gibt Gieseler, Kirchengeschichte §. 62. 63. und 106. 107.

Unter den Schriften der katholischen Canonisten Deutschlands im vorigen Jahrhundert ist hier anzuführen Barth, de jure reformandi antiquo, in dessen opusculis t. 1. besonders von p. 191 an, Gallade in seiner Diss. de advocatis ecclesiasticis (vom Jahr 1768) in Schmidt, Thesaurus. juris ecclesiastici V. p. 476 fg., ferner Endres, Diss. de vero et genuino libertatis ecclesiarum Germaniae fundamento, r. 1774. Ebend. V. 558.

Philipps, Kirchenrecht B. III. Abth. I. §. 122 fg.

geschichtlichen Entwicklung von der Constituirung des Kaiserreichs Carls des Großen auszugehen, als ihm der Pabst in der Christnacht des Jahres 800 die Kaiserkrone auf das Haupt sezte. Die fränkische Monarchie sollte ein großes Christenreich so zu sagen das von zwei, jedoch zugleich sich gegenseitig subordinirten Gewalten regierte Reich Gottes auf Erden sein 1). Im Geistlichen stand der Kaiser unter dem sacerdotium, im Weltlichen der Pabst und der Clerus unter dem Imperium. Im Wesentlichen war die Auffassung des gegenseitigen Verhältnisses dieselbe wie zu den Zeiten von Theodosius II. und Justinian; nur tritt der Gedanke practisch nachhaltiger hervor: der Kaiser sei der von Gott erforene Schirmherr der Kirche (advocatus ecclesiae). Da Carls des Großen religiöse Ansichten die streng katholischen waren und er dasselbe Ziel verfolgte, wie die Kirche, so erkannte diese seine, obwohl oft tief in ihren Organismus eingreifenden Geseze und Verordnungen als bindend an, wie er seiner Seits den kirchlichen z. B. der ganzen Dionysi’schen Sammlung die Kraft von Staatsgefeßen ebenso beilegte, wie einst Justinian den Beschlüssen der bis dahin gehaltenen öcumenischen Concilien. Bei dieser vollständigen Concordia sacerdotii et imperii war kein Bedürfniß einer Gränzscheidung der geistlichen und weltlichen Macht vorhanden; doch scheint es dem Scharfblick Carls nicht entgangen zu sein, daß es eine Gränze gebe, indem aus Andeutungen des Capitulare I. vom J. 811 sich ergiebt, er habe erwogen, welche Geschäfte den Grafen und welche den Bischöfen zu übertragen seyen. Auch wird der Gegenfaß der pontificialis auctoritas und der regni potestas hervorgehoben auf dem Placitum Karls des Kahlen v. J. 8582). In

1) Diese Auffassung ist gut ausgeführt in J. N. Neller's Dissert. de Romanorum imperatoris genuina idea (v. 3. 1760) in Schmidt, Thesaur. jur. eccles. t. Ill. p. 328, besonders von S. 346 an. Auch sind bei ihm die Ansichten aller bedeutenden Publicisten zu finden, theils bekämpft theils beleuchtet.

2) Das Capitulare (bei Walter II. p. 240 und bei Pertz, leg. t. I. p. 166) ist überschrieben: Capitulare interrogationis de iis, quae Carolus Magnus pro communi omnium utilitate interroganda constituit, und

dessen giengen z. B. bei den Rundreisen der Missi dominici beide Hand in Hand. Das Kirchliche war in seiner Monarchie das Höhere und Maaßgebende, und so kann man sagen, daß die Grundlage einer Unterordnung des Staats unter die Kirche gelegt war. Schon im Kampfe Ludwigs des Frommen mit seinen Söhnen zeigte sich dieß practisch, doch ermannte sich die weltliche Macht wieder und blieb Jahrhunderte lang troß ihrer Zerrissenheit factisch die stärkere, weil die kirchlichen Zustände in einem für diese sehr gefährlichen Erwartungsprozesse befangen waren.

Durch die Kaiserkrönung Ottos I. (963) stellte der Pabst die christliche Monarchie im Geiste der Carolingischen Zeiten wieder her; strebte aber, wie sich aus den Eidesformeln Otto's I. ergiebt vor Allem sich einen kräftigen Schutzherrn namentlich auch für seine weltliche Herrschaft in Rom und (in wie weit er eine hatte) im übrigen Italien zu constituiren. Die Regierungsweise 1) der sächsischen Kaiser beweist übrigens, daß die Päbste in weltlichen Dingen sich dem Kaiser für untergeben hielten, er war selbst Souverain in Rom, jedoch verpflichtet, die noch als grundherrlicher mit Immunitas verbundener Territorialbesig eristirende Landesherrlichs feit des Pabstes zu achten.

Da das deutsche Reich noch immer (wie wir jest sagen) ein Einheitsstaat war, und die Grafen nur vermöge ihrer Amtsgewalt regierten, so konnte die Hauptfrage über das Verhältniß von Kirche und Staat nur die über das Verhältniß der päbstlichen zur kaiserlichen Gewalt seyn, welcher aber bald in Folge der Aus

enthält in c. 4.: Interrogandi sunt, in quibus rebus vel locis ecclesiastici laicis aut laici ecclesiasticis ministerium suum impediant. In hoc loco discutiendum: in quantum se episcopus aut abbas rebus saecularibus debeat inserere vel in quantum comes vel alter laicus in ecclesiastica negotia. Hic interrogandum est acutissime, quid sit quod Apostolus ait: Nemo militans Deo implieet se negotiis saecularibus vel ad quos sermo iste pertineat.

1) S. dieselben bei Pertz, Monum. Germ. histor. Leg. t. II. S. 29. Genaueres über das kirchliche Schußrecht der sächsischen Kaiser findet sich in Schall's Disputatio de jure circa sacra regum Germanorum et imperatorum romanorum ex gente saxonicà. Erfordiae 1772. 4.

bildung der Feudalverfassung ein bestrittenes werden mußte, nachdem die deutschen Erzbischöfe und Bischöfe (ja selbst Aebte) zugleich Lehensträger der Kaiser geworden waren 1).

Der Investiturstreit war ein durch die Entwicklung der politischen Zustände nicht blos Deutschlands, sondern auch der übrigen christlichen Reiche Europa's nothwendig erzeugter Conflict der beiden Gewalten, der in Deutschland deshalb zu so heftigen Kämpfen führte, weil der Energie Gregors VII. eine gleiche Heinrichs IV. und Heinrichs V. entgegentrat und troß der Beugung des ersten zu Canossa beide Kaiser den Lehensverband als das erste und für sie maaßgebende Verhältniß, in welchem das kirchliche Moment aufgieng, ansahen.

Das Calirtinische Concordat von 1122 stellte das richtige Verhältniß her, das aber Lothar I. zum Vortheile des Pabstes aufgab und dadurch die Verwicklungen der hohenstaufischen Kaiser unvermeidlich machte.

Von nachhaltigster Wichtigkeit war das schon durch die Carolingische Rechtsverfassung festgestellte Princip: daß ein durch den Bann aus der Kirche Geschiedener im Reiche keine Rechte habe, woraus sich die juristische Unfähigkeit eines ercommunicirten Kaisers die Krone zu tragen von selbst ergab. Der Bann war also die Hauptwaffe der Päbste gegen die Kaiser, deren sie sich mit um so größerem Rechte zur Abseßung derselben bedienen zu können glaubten, als die kaiserliche Würde von den Päbsten geschaf

1) Indessen trat der Gegensaß des geistlichen und weltlichen Gerichts sehr scharf in den kirchlichen Immunitäts gebieten hervor, indem in diesen die Advocati oder Vicedomini der bischöflichen Kirchen und Abteien die höhere weltliche Gerichtsbarkeit übten, und die dorthin gehörenden Sachen zu entscheiden befugt waren, während die Sendgerichte geiftliche waren.

Auch wird in der Belehnung der Herzoge und Grafen wohl förmlich gesagt, sie sollten sacrarum aedium et opum ecclesiasticarum Episcoporum curatores seyn et patroni.

Reinhard in der Schrift Meditationes de jure in sacra etc. . 45. Zur Zeit Heinrichs des Löwen investirten die baierischen Herzoge sogar die das Kaiserregiment in ihren Landen führenden Bischöfe. Ibid. C. 46.

fen war, und der deutsche König, um Kaiser zu seyn, vom Pabste gekrönt werden mußte, aber auch factisch, weil durch die Entwicklung der Feudalität besonders nachdem die Lehen erblich geworden waren, der einen Kaiser ercommunicirende Pabst auf Anhänger unter dessen Gegnern zählen konnte.

Unterdessen war unter den Hohenstaufen die weltliche Gewalt schon bedeutend erstarkt, die Landeshoheit der geistlichen Fürsten ward 1220, die der weltlichen 1232 vom Kaiser anerkannt; auch in andern Reichen Europas z. B. in Frankreich war die Staatsentwicklung vorgeschritten, und Collisionen der beiden Gewalten sowohl in ihren ersten Trägern (Pabst und Kaiser oder König) als den kirchlichen und weltlichen richterlichen Beamten, mußten sich vermehren und Grundsäße zur Regulirung der gegenseitigen Verhältnisse ein erstes Bedürfniß seyn.

Das geistliche Schwert war aber seit Gregor VII. das erste, das weltliche zum Schuße des ersten zu ziehen; die Kreuzzüge waren heilige Kriege der Kirche und der Christenheit mit den Ungläubigen oder Kezern, und um eine feste Basis der Unterordnung des Kaisers unter den Pabst zu gewinnen, mußte der noch jugendliche Friedrich II., im J. 12131) Innocenz III. die aurea bulla de libertate ecclesiastica ausstellen 2) und 1220 bei seiner Krönung ein ihr gemäßes, man möchte sagen, kirchliches Staatsgrundgefeß in 9 Artikeln, welche als s. g. Authentiken in den Justinianschen Coder eingerückt wurden, beschweren. Dadurch sollte das Verhältniß der beiden Gewalten auf immer festgestellt seyn und wurde auch bis zum Abschluß des Constanzer Concordates so angesehen, obgleich, was den Rechtstitel der kaiserlichen Gewalt be

1) Das eben bezeichnete Verhältniß von Staat und Kirche ist auch im Sachsenspiegel, Landrecht I. 1. III. 63. §. 1. III. 44. vollständig anerfannt. Doch wird auch gesagt in Art. 4. (der älteren Ausgabe): Wenn ein Bischof in eines Layen Herzogs kompt, daß derselbe solches Layen Fürsten Hof zu besuchen schuldig ist. Struve, Syntagma jur. publici p. 1247. N. XXXX.

2) Sie ist gedruckt bei Perg a. a. D. S. 224. unter dem Titel: Promissa Innocentis II, Papae.

« ÖncekiDevam »