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gewicht der einzelnen Staaten unter einander denkbar, welches allerdings geschichtlich selten oder nie eristirt hat und, wenn ja zuweilen vorhanden, dennoch einer steten Veränderung unterworfen wäre, da die Nationalkraft sich nicht in allen Staaten gleichmäßig entwickelt, fortschreitet und sinkt; sondern es kann auch auf einer moralischen Gesamtbürgschaft ungleicher Staaten beruhen, vermöge deren alle Glieder einer Staatengesellschaft sich verpflichtet halten, der bedenklichen Uebermacht Einzelner vorzubeugen und mit vereinter Macht entgegen zu treten. Natürlich darf aber auch hier die erforderliche physische und moralische Kraft der Uebrigen zur Abwehr des Mächtigsten nicht fehlen, sonst wird diesem gegenüber Gleichgewicht und Völkerrecht ein leerer Schall. An und für sich aber ist die Idee eines politischen Gleichgewichtes der Staaten durchaus keine Chimäre, wofür sie Manche erklärt haben, sondern eine höchst natürliche für Staaten, die sich zu demselben Recht bekennen wollen; nur die Anwendung, welche davon zu manchen Zeiten gemacht ist, und die Folgerungen, die darauf gebaut wurden, sind verwerflich'.

II.

Das Europäische Völkerrecht.

Geschichtliche Genesis 2.

6. Schon in der alten Welt finden sich übereinstimmende Völkergebräuche im wechselseitigen Verkehre, vornehmlich in Betreff der

1) Die Schriften über das Europäische Gleichgewicht finden sich nachgewiesen in v. Ompteda Lit. II, 484 ff., v. Kampß n. Lit. 98. 99 und in Klüber dr. des gens § 42. S. auch Fichte, Reden an die D. Nation. Berl. 1808. G. 411-417. Ueber den Einfluß der Idee des Gleichgewichts auf das Völkerrecht vergl. den folg. §.

2) Hauptwerk, R. Ward, Enquiry into the foundation and history of the law of nations in Europe, from the time of the Greeks and Romans to the age of H. Grotius. Lond. 1795. 2 Vols. Dann H. Wheaton, histoire des progrès du droit des gens depuis la Paix de Westphalie. Leipz. 1841. 2. éd. 1846. Müller-Jochmus, Gesch. d. Völkerr. im Alterthum. Leipz. 1848. F. Laurent (Prof. à Gand.). Histoire du dr. d. g. Par. 1851. T. I-VIII; 3. ed. 1853. de Wal, Inleiding tot v. W. d. h. Volkenregt. Groning. 1835. p. 124–171.

Kriegführung, der Gesandtschaften, Verträge und Zufluchtstätten; jedoch beruhete die Beobachtung dieser Gebräuche nicht sowohl auf der Anerkennung einer Rechtsverbindlichkeit gegen andere Völker, als vielmehr auf religiösen Vorstellungen und der dadurch bestimmten Sitte. Man hielt Gesandte und Flehende für unverlegbar, weil sie unter dem Schuße der Religion standen und mit heiligen Symbolen erschienen; man stellte eben so die Verträge durch Eide und feierliche Opfer unter jene Schußmacht. An und für sich aber hielt man sich keinem Fremden zu Recht verpflichtet; „ewiger Krieg den Barbaren" war das Schiboleth selbst der gebildetesten Nation des Alterthumes, der Griechen'; sogar ihre Philosophen erkannten einen rechtlichen Zusammenhang mit anderen Völkern nur auf Grund von Verträgen an. Ein engeres Band und ein dauerndes Rechtsverhältniß bestand wohl unter stammverwandten Völkerschaften, jedoch hauptsächlich nur durch den Einfluß eines gemeinsamen Götter - Cultus und der damit zusammenhängenden politischen Bundesanstalten3.

Kein wesentlich verschiedener Standpunkt zeigt sich bei den alten Römern. Sie hatten ein ius feciale mit besonderen Eingeweiheten, aber nur für Kriegsgebrauch und für Verträge. Später verlor es sich in der Politik der Stadtherrschaft und des ersten Kaiserreiches. Diese war schonend und großartig gegen Geringere, in weltbeherrschender Tendenz, freilich aber auch vernichtend, wenn es galt, besonders gegen Rivale. Und selbst Roma's humanes Fremdenrecht, ein Hauptbestandtheil seines ius gentium, kam allein den zu einem Verkehr zugelassenen Völkerschaften und Gästen zu gute.

1) „Cum alienigenis, cum barbaris aeternum omnibus Graecis bellum est." Liv. 31, 29.

2) Am deutlichsten Epicur bei Diog. L. Apopht. XXXI, 34–36. Aber auch Plato, Aristoteles.

3) Ein s. g. xoòs vóμos Ellývwv. Thuc. III, 58. Vergleiche Saint-Croix gouvernem. fédératifs, p. 51. Hier griff besonders der Amphictyonenbund ein. Ausführlich handelt von dem griechischen Völkerrecht Schömann, in seiner griech. Alterthumswissenschaft.

4) Man denke an das: adversus hostem aeterna auctoritas esto der Zwölf-Tafeln und an den noch im Justinianischen Recht beibehaltenen Grundsaß, daß alle Völker, mit denen keinerlei Bündniß bestehe, hostes seien. 1. 5. §. 2. 1. 24. D. de captiv. 1. 118. D. de V. S. S. übr. E. Osenbrüggen, de iure Belli et Pac. Romanor. Lips. 1835. H. E. Young, de iure postliminii. Berol. 1854. § 4.

Will man dieses nun das Völkerrecht der alten Welt nennen, so läßt sich nicht widersprechen; gewiß stand es auf einer sehr ge= ringen Stufe; es war ein Theil des Religionsrechtes aller oder doch bestimmter Nationen'.

Noch roher erscheint die Völkersitte im Mittelalter, nicht allein in den Berührungen der Gläubigen mit den Ungläubigen, sondern auch selbst unter christlichen Staaten. Am rohesten in den nördli= cheren Seeländern2.

Dem Christenthum war es indeß vorbehalten, die Völker auf einen anderen Weg hinzuleiten. Seine Menschenliebe, sein Gebot: thue auch deinen Feinden Gutes, konnte nicht mit einer ewigen Feindschaft der Nationen zusammen bestehen. Zur gegenseitigen Annäherung der Europäischen christlichen Staaten und zur Anerkennung wechselseitiger allgemeiner Rechte trugen vorzüglich folgende Umstände bei:

I. die Vereinigung der abendländischen Kirche unter einem geistlichen Oberhaupte. Rom hat das Verdienst, auf Abstellung vieler Barbareien im Völkerverkehr durch geistliche Macht hingewirkt zu haben3;

II. das Ritterthum und die Kreuzzüge;

III. die durchgängige Verbreitung des Römischen Rechtes mit dem Charakter eines für alle Christen giltigen Rechtes*. Hierin lag der Anfang eines allgemeinen Europäischen Völkerrechtes. Seine positiven Grundlagen waren die Grundsäße des Christenthumes und des Römischen Rechtes, so weit es die Kirche nicht miß

1) Dies ist im Wesentlichen das Resultat der über diesen Gegenstand gewechselten Schriften: W. Wachsmuth, Ius gentium quale obtin. apud Graecos. Berol. 1822. A. W. Heffter, Prol. acad. de antiquo iure gent. Bonn 1823. 2) Eine sehr verdienstliche Darstellung davon giebt K. Th. Pütter, Beitr. zur Völkerrechts - Gesch. u. Wissenschaft. Leipz. 1843. S. 48 ff.

3) Vergl. Walter Kirchenr. § 340 (342). Pütter a. a. D.

4) Die Juristen des Mittelalters, selbst noch Andreas Alciat zu 1. 118 u. 225. D. de V. S. lehrten: da durch Antonin Caracalla's Verordnung alle Insassen des Römerreiches Nömische Bürger geworden, so folge, daß alle Christen nunmehr das Römische Volk darstellten; alle Ungläubige seien nicht — Römer. Nur unter jenen beständen gemeinsame Rechte und Pflichten; gegen Türken und Sarazenen sei nur Krieg und was der Krieg nach Römischem Recht mit sich führe, giltig. S. auch Leibnitz, Praef. ad Cod. iur. gent.

billigte; die für unantastbar, weil natürlich und göttlich, gehaltenen Regeln des Privatrechtes wurden nun auch auf die Völkerverhältnisse übertragen, und selbst die Kirchenspaltung des sechszehnten Jahrhunderts konnte das neugeschlungene Band nicht wieder auflösen, da auch die reformatorischen Lehren daran festhielten. Die festere innere Abschließung der Einzelstaaten gegen auswärtigen Einfluß gab dem Völkerrecht sogar eine neue Basis und Entwickelung auf derselben, nämlich in dem Souveränetätsbegriffe' und der damit in Verbindung stehenden Gleichheit aller Staaten.

Bei weitem mehr wurde die neue Pflanze gefährdet durch die allmälige Verbreitung jener Staatskunst, welche nur den eigenen Vortheil kennend jedes fremde Recht und Interesse hintansezet, ohne in der Wahl der Mittel bedenklich zu sein; einer Politik, die in Italien geboren und in Spanien mit besonderem Erfolg geübt, fast bei allen Cabinetten einwanderte und, wenn auch nicht zu gleich positiven Bestrebungen, doch zu ähnlichen Gegenbestrebungen aufforderte; einer Politik endlich, die, indem sie sich der hergebrachten Formen mit täuschendem Scheine bediente, jeden Grundsaß des Rechtes materiell verleugnete. Eine Reaction hiergegen ward die Idee des s. g. politischen Gleichgewichtes, aufgefaßt als das Princip, daß jede Macht, sei es für sich allein, sei es durch Coalitionen, jede andere Macht an der Erlangung einer Uebergewalt zu hindern habe, hergeleitet aus dem Recht der Selbsterhaltung, freilich aber auch nicht selten gemißbraucht. Die praktische Durchführung dieses Gedankens wurde nun die Hauptaufgabe der Europäischen Politik2; in

1) Richtig bemerkt von Oppenheim, System des Völkerr. S. 20. Klüber datirt diese Umwandlung wohl mit Recht schon seit der Baseler Kirchenversammlung und der seitdem unabhängigeren Stellung der Staaten gegen den Papst (§ 12 du dr. d. g.).

2) Unter anderen bezieht sich darauf der Gedanke Heinrichs IV. von Frankreich, wegen Bildung einer großen europäischen Staatenrepublik, dessen weitere Entwickelung allerdings erst der Abbé Saint-Pierre zur Zeit des Utrechter Friedens in einer Schrift: Projet de traité pour rendre la paix perpétuelle. Utr. 1713. übernahm. Das Nähere davon s. in Toze allgem. christl. Republik. Götting. 1752. Buchholz, N. Monatsschr. 1824. I, 28 ff. Ortolan, in Welowski Revue de Législation 1850. T. III, p. 345 sqq. Wheaton, hist. I, 317. Welowski selbst in f. academ. Abhandl.: Le grand dessin de Henri IV. Par. 1860. Pläne solcher Art sind selten ohne Selbstsucht gemacht worden. Auch in neuester Zeit haben sie

dieiem Mittelpunkt concentrirt sich seit dem sechszehnten Jahrhundert beinahe die Anregung und Entwirrung aller Staatshändel. Das Recht der Nationen und Staaten trat dabei freilich in den Hintergrund; es war fast nur der wissenschaftlichen Pflege überlassen, die sich aber, wie früher in der Reformationszeit, so von Neuem unter den Stürmen des dreißigjährigen Krieges und des ganzen siebenzehnten Jahrhunderts zu einer Macht erhob, welcher sich sogar die Gewaltigen nicht ganz entziehen konnten. Der Aufgangsstern war Hugo Grotius, angehörig einer kleinen neuentstandenen aber thaten= reichen Republik, wo das System der Toleranz und des Moderan= tismus herrschte, die zugleich auch der Heerd der Europäischen Diplo= matie wurde. Groot rief mit allgemein verständlicher Sprache die Grundsäße des Christenthums, die Lehren der Geschichte, die Aussprüche der Weisen über Recht und Unrecht in das Gedächtniß der Menschheit; sein Werk wurde unvermerkt ein Europäischer von allen Confessionen gebilligter Völker - Coder'.

Dennoch gelang es nicht das Recht ganz auf den Thron zu heben, welchen die Politik eingenommen hatte; sie benußte das wissenschaftliche Recht mehr zur Färbung ihrer Ansprüche als sie sich demselben unterordnete; nur eine gewisse Mäßigung der Staatskunst in ihren Erfolgen, ein sich Zufriedengeben mit billiger Ausgleichung wird statt des strengen Rechtes im vorigen Jahrhundert sichtbar (§ 8). Völkerrecht und Gleichgewicht erlag indeß seit dem Ausgang dieses Jahrhunderts dem Waldstrome der Revolution und dem von ihr gegründeten Kaiserthume, bis eine allgemeine Coalition gegen Frankreich jenen Strom in seine früheren Ufer zurückzudrängen vermochte. Durch die Verträge von 1814 und 1815 wurden wenigstens die germanischen Staaten Europa's in ihrer naturgemäßen Sonderung wiederhergestellt, und damit war für's Erste auch ein politisches Gleichgewicht unter den Landmächten wieder möglich gemacht. So

nicht ganz gefehlt. So z. B. G. Fr. Leckie, historical research into the nature of the balance of power in Europe. Lond. 1817 Marchand, Projet de Paix perpétuelle. Par. 1842. Das Europ. Gleichgewicht der Zukunft. Berl. 1859.

1) Treffende Bemerkungen hierüber s. in Fr. Schlegel's Vorlesungen über die neuere Geschichte. Wien 1811. S. 421 f.

2) Die vielen dadurch herbeigeführten Verletzungen des Völkerrechts sind gezeigt in v. Kampt Beitr. zur Staats- u. Völkerr. I, n. 4.

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